INSELJAHRE – Als Lesebuch: Tagesmotto 01/22/2019 . . . UNZEIT – gemäße Betrachtungen: Bloße Gedanken (2) – INSELJAHRE Band 19

Zur Vergänglichkeit der steinernen Tempel wachsen die Feigen. (Foto: Am Eingang eines kleineren Tempels in Angkor Wat, Kambodscha, Januar 2016, GSK)

UNZEIT – gemäße Betrachtungen: Bloße Gedanken (2)

Zum Korrekturexemplar

Die Leserinnen und Leser dieses Manuskriptes sind ausdrücklich gebeten unentgeltlich und ohne Ansehen der handelnden Personen Korrektur zu lesen und dies dem Autor in geeigneter Form zugänglich zu machen.*1

Unzeitgemäße Betrachtungen – Bloße Gedanken (2© 2016 by Günter Stephan-KempfRechtliche Hinweise. – Deutsche MinisterInnen und Würdenträger aufgepaßt! Alle Rechte vorbehalten, insbesondere die des Druckes, des öffentlichen Vortrags, der Rundfunksendung und der Fernsehausstrah-lung, der handschriftlichen, fotomechanischen und elektronischer Wieder-gabe, analytischer „dienstlicher“ Datenerfassung per Algorythms, insbe-sondere bei altbackenen Plagiaten der „PolitikerInnen-Dissertationen“, auch einzelner Teile.

Sämtliche hier vorgestellte reale Begebenheiten und Ereignisse, die agierenden Personen (formell meist kristlichen Glaubens), Interessengruppen, auch allgemein und speziell gemachte Äußerungen und anstößige Handlungsvorschläge, beziehen sich auf eine fiktive, längst nicht mehr oder immer noch nicht existierende Insel, wobei Namensgleichheiten oder individuelle Ähnlichkeiten wegen ihrer kritischen Masse absolut zufällig ausgewählt wurden, damit also immerhin beabsichtigt sind. Für dabei gemachte Fähler und Parteilichkeiten keine Gewehr und erst recht keinerlei Flinte.

INHALTSVERZEICHNIS

Alltagtägliches Sammelsurium: Blosse Gedanken 2: Eine Vorrede 7; Wurzelbehandlung – Fragen und Beiträge  7; Form und Inhalt 9; Habermas, vom Kopf auf die Füße stellen 9; Ein Schopenhauer-Quartett 12; Gewehr geladen und gesichert 15; Ressourcenverknappung 16; Wie uns die Alten sungen 17; Außer ein paar Vögeln 18; Ausmerzung der Sünde 19; Von Talleyrand zum Tellerand 20; In einem freien Staat 21; Wer besitzt 22; Zurück mit den Tatzen! 22; Kapitalismuskritik 24; An einem dieser schönen Tage 25; Schlaflos in die lange Nacht 30; Jalousien 33; Gegen das Vergessen 34; Blick aus dem Fenster 36; Sehnsucht nach Berlin 37; Was wird der liebe Gott dazu sagen? 38; Muster der Sehnsucht 41; Eine Familie von Bilderstürmern (1) 42; Die Trauer-Traube am Grab 43; Die Natur ist verschwenderisch 44; Eine Familie von Bilderstürmern (2) 45; Besuch in einem fremden Land 46; In deiner Geburtsstadt 46; Zuwanderungen 47; No worries, be habby! 48; Das Glück eines einzigen Tages 49; Tod eines älteren Motorradfahrers 49; Privilegierte Tatbestände (Enzensberger) 50; Boykott tödlicher Nestlé-Produkte 51; Beispiel: Shahin Najafi 52; Mein Adorno oder vom Zweifel am Denken: Die dumme Beschäftigung mit geistigen Dingen 53:  1  Die Beschäftigung mit geistigen Dingen 54; 2  Warum ich denke 54; 3  Ist Widerstand nötig? 54; 4  Asyl für die Seele 54; 5  Wie der Fisch im Wasse 55; 6  Tisch und Bett 56; 7  Tough wie die Mädchen 56; 8  Payday 56; 9  Die Kuh auf dem Eis 57; 10 Zwergobst 57; 11 Das Ganze ist das Unwahre 57; 12 Die Knechte der Angst 58; 13 Gegen allgemeine Zuckersucht 58; 14 Warum geschieht etwas? 58; 15 Die Mehrheit regiert 59; 16 Intermezzo 59; 17 Die Beliebtheit hat Grenzen 60; 18 Burn out 60; 19 Ich habe meinen Schirm vergessen 61; 20 Neues aus der Anstalt 61; 21 Vom Reichstagsbrand übers Kuckucksnest 61; Bericht an eine Kommission (3) 63; Aus einem Merkblatt für Scheidungswillige: Aus einem Merkblatt für Scheidungswillige 71; Die listige Demut der Sklaven 126; Arbeitsjournaillien 127; Oktober 2015 143; Innen Tag 148; November 2015 150; Neue Folterkammern 150; Nacht und Nebel 151; Freud’sche Versprecher 151; Vom Ekel vor Wörtern 156; Das Nikolaus-Prinzip 163; Einer muß der Bluthund sein – eine Diskussion 164; Komm in den totgesagten Park  (Stefan George) 169; Der Neue Mensch (Enzensberger) 170; Ein Wiegenlied (Yeats) 171; Die Zeit der Greise  171; Mein Goethe 172; Mein Schopenhauer 172; Die heiligen Samariter 172; Mein Nietzsche 173; Mein gestörtes Verhältnis 174; Rundfunk und Fernsehnotizen 175; Kanonenfutter 175; Willkommen bei den Volksparteien 176; Terror ohne Ende 177; Anhang: Literaturverzeichnis 179; Anmerkungen 182; Inhaltsverzeichnis 188;

UNZEIT – gemäße Betrachtungen

Blosse Gedanken (2) Ein alltagtägliches Sammelsurium

Mich dünkt, die Toten sind noch unbegraben, Noch währt die Zeit der Geier und der Raben.   ANASTASIUS GRÜN. Poesie der Zukunft (1850)1

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Vorrede zum Arbeitsjournal. – Immer schon gut gefallen hat mir die brechtige Hauspostille, weil sie mich wie ein Preußischer Hausschatz*1 an andere post-gründerzeitliche literarische Schatzkästlein der allerletzten Kaiserzeiten erinnert, die nach dem Verlassen der preußischen Schule für Lesestoff in den obrigkeitshörigen Familien sorgte. Bertolt Brecht hat die bloßlegende Ironie der nicht zuletzt auch fleischlich organisierten Ausbeutungsgesellschaft immer dann auf die Spitze getrieben, wenn es ihm besonders ernst mit seiner Sache war, eben auch beim Bildungscharakter der Sprache und ihrer Abbbildungsmöglichkeiten, immer in Sicht auf eine real-utopische Änderung der Verhältnisse. Nicht umsonst wurde Brecht während ihrer gemeinsamen DDR-Zeit von Ernst Bloch sehr gelobt. Hat er überhaupt jemals diesen seinen roten Faden losgelassen, in seinem Labyrinth still gelacht und dabei weiterhin freundlich seinen damaligen spendablen Brotherren gedient? Wovon hat er sonst seine protzigen Automobile bezahlt? Mann weiß es.

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Wurzelbehandlung – Fragen und Beiträge. – Wozu ist eine Sache nützlich? Die Verherrlichung des einen Kaiserhauses oder ein wahnwitziger Konsum unnützer Sachen. Mache ich mich vom (krankhaften) Wahn der fast vorbildlichen Kulturgötter frei, nämlich, daß ich selber Genie sei. Ebenso muß ich mich vom suggerierten, vorgezeichneten Willen fragwürdiger Idole lösen. Dann erst wird emanzipierter Intellekt keinem nützlichen Zweck untertan sein. Selbst einst gutbezahlte Beschäftigung mit hochgeistigen kritischen Soziologien, das Jammern um die erbärmlich einseitige Anwendung von Technik und Wissenschaft, von Erkenntnis und Emanzipation, der 200-jährigen Aufklärung überhaupt, die Erlösungsmetapher, führten letzendlich zu nichts! Stets zu weiteren Nötigungen, zur raffiniert erzwungenen Akzeptanz der Verhältnisse, weil ich sie wegen meiner Bequemlichkeiten nicht ändern will, weil ich sie angesichts fortgeschrittener historischer Realität nicht mehr ändern kann. Bloß daß alles, aber auch alles irgendwie alles, in die Kompostierung von Hegemonie, Unterdrückung und leichtfertigem Umgang mit dem Schicksal der meisten Menschen eingeht. Unnütz zu sein gehört zum Charakter der Werke des Genies: es ist ihr Adelsbrief. Folge ich Arthur Schopenhauer2 weiter auf dessen eigener Schleimspur, da er selber als sein ureigenstes Genie argumentiert, so ist es für mich letztlich eine reale,

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gleichsam eine abstrakt zu nennende Kunst, mich einmal zwar nicht als Genie begreifen müssen, auf welches sich bei S. der Adelsbrief genialer Werke ganz allein bezieht, auch nicht plebejisch-proletarisch schwerem Äther der Bedürftigkeit ausgeliefert zu sein, obwohl eher doch bereits einem höheren Bildungsstand angehörend; vielmehr, so dünkt es mich, liefere ich der Welt, ganz ohne solch ein Genie sein zu können, sehr wohl einen vollkommen unnützen, also durchaus genialen Beitrag. Durch mir aufgegebene reine Selbsterhaltung und Bequemlichkeit, des nur in Ausnahmefällen kongenialen, im übrigen aber dumpftauben Menschendaseins, bin ich als erdachte Durchschnittsfigur einer fremden physischen Kreatur dienlich. Zu jenem unnützen Dasein führt mich ein recht unbequemer Weg über wesentlichen Verzicht in Sachen Wohlbefinden und Sattheit, zum vermehrten Entsagen abstrakter Wollust, zur krampfhaften, wenigsten reduzierten Konsumgier, das alles mit dem heren Ziel der Beweisführung: daß allein ein radikaler Boykott1  jenseits der Überflußgesellschaft die der mitwelt feindlichen Existenzbedingung der Menschheit beständig mildern und zuletzt ins Bessere wendet. Sogar die bereits früh durch idealistische philosophische Kritiken reingewaschene Vernunft darf bei allem Unnützen ausnahmsweise nicht die geringste Rolle spielen. Aus abgeschafften humanistisch aufgeklärten Ideenverfassungen, und allen Sozialschwärmereien, die quasi dem Hegelschen folgten, wären nämlich bereits viel bessere Grundlagen für eine gerechtere Zivilisation in Erinnerung geblieben, wenn man das mit der Rücknahme der Säkularisierung (heute die schmutzigen Geschäfte der Vatikanbank!) nicht bis in den modernsten Finanzmarkt hinein immerzu weiterbetrieben und einseitig perfektioniert hätte. Erinnerungen taugen zum Vergessen. Sicher gab es in der Weltgeschichte einige Revolutionen, das wissen die Menschen bis heute. Sie wissen bloß nicht mehr, warum.

    Die Wurzeln der Kritischen Theorie zur Gesellschaft2, ihre klassenbewußte Wahrnehmung durch reflektierte Erkenntnis, sind sehr grausam behandelt worden, sie sind nahezu ohne Empfindungen, sie werden weitergefoltert – sie sind zu ihrem Glück fast tot. Die sofortige Zulassung privaten Fernsehens durch die SCHWARZ-GELBEN3  wurde von ihnen „geistig moralische Wende“ genannt.

Im Übrigen bin ich der Meinung, daß Nestlé zerstört werden muß!

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Vom Sinn aller Bereicherungen. – Wir lesen und hören, wir riechen und schmecken, wir denken und träumen, wir leiden und fühlen – aber wir sterben.

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Form und Inhalt. – Das Essen von heute ist die Scheiße von morgen. Tatsächlich gelingt es mir sehr schwer, angesichts täglicher Meldungen über die schmerzhaft betrachtete Art des Fortschritts der Welt hinweg, nur ein wenig Hoffnung auf Linderung zu verspüren. Man hat geschrien über das Melancholische und Trostlose meiner Philosophie: es liegt doch bloß darin, daß ich, statt als Äquivalent der Sünden eine künftige Hölle zu fabeln, nachwies, daß wo die Schuld liegt, in der Welt, auch schon etwas Höllenartiges sei: wer aber dies leugnen wollte, – kann es leicht einmal erfahren. Selbst der sich aus der Abhängigkeit des Willens emanzipierte Intellekt gebiert zwar einen nicht dienstbaren und freien Zustand, dient allerdings auch keinem nützlichen Zweck. Unnütz zu sein, gehört zum Charakter der Werke des Genies: es ist ihr Adelsbrief.1(Schopenhauer 1956. Mein System). Hier könnte man sich zugleich bei Nietzsche weiter umschauen.

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Habermasvom Kopf auf die Füße stellen

Die oft genug unverständlich gebliebenen Aussagen allerlei herausragender Postmarxisten, besonders aus der deutschen Yankee-Soziologie, haben insgesamt keine anhaltende gesellschaftliche Tiefenwirkung gehabt. Andere Beispiel sind die Emigrations-Schriften der Deutschen Literatur (u.a. Thomas Mann) gegenüber dem Nachlaß von Bert Brecht, dann den fast bereits klassisch zu nennenden linkskritischen soziophilosophischen Destillaten der „Frankfurter Schule“ von Adorno und Horkheimer, die aus den klimatisierten Villen nämlich, aus den dämmrigen Studiohallen von Hollywood, Villen inmitten kalifornischer Orangenhaine und Steakbratereien, deren blutiges Fleisch, aus den Prärien stammend, in die brechtigen Schlachthöfen der Städte geschickt ward; besonders Herbert Marcuse und Erich Fromm dürfen dabei nicht vergessen werden. Ernst Bloch stellt darin aber eine eher monolithische Ausnahme dar. Theoretisches Schrifttum dieser Altvorderen, schnell wieder einmal verlegt nach den Pariser Studentenfraternisierungen, fand eine große Leserschaft unter westlichen Studenten. Manchen von ihnen und die folgenden Schüler bewirkten wenig, in dem einfachen Sinne, daß sie trotz einiger Neuauflagen im Bücherregal bösartige Auswucherungen des Neoliberalismus, die spätestens nach

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der harmonischen Konglusion (Implosion) der Superpowers schlagartig die ganze und einzige Welt beherrschen, gänzlich verhindert oder wenigstens etwas aufgehalten hätten. Vielmehr sind klassische (historisch-materialistische) Erkenntnis-Adaptionen einer kurzzeitig rebellischen Avantgarde, so über den immer deutlicher eskalierenden Grundwiderspruch zwischen Kapital und Arbeit im Nachkriegs-Kapitalismus (heute Sozialabbau, Privatisierung des Gemeinwesens und radikale Globalisierung), bei ihren Lesern und „Schülern“ rasch, also längst schon, der üblichen Korrumpierung durch verlockende wissenschaftliche, dann berufliche Karrieren und bürgerliche, egoistische „Familienplanungen“ zum Opfer gefallen. Alle antizipatorischen Hoffnungen und Versprechungen der Internationalen, aller rosa- und grünfarbiger „Fortschrittsparteyen“ und der klerikalen Vorbeter haben sich als hohle Phrasen, Lügen und grausame, längst verfestigte Realitäten entlarvt.

Viele selbsternannte langhaarige Geister, die einst die Professoren-Universitäten, wie die von Nanterre1, zerstören und den liberalen Bildungskapitalismus abschaffen wollten, sitzen (oder saßen) längst bequem auf ihren eigenen Lehrstühlen oder blähen sich als abonnierte Politiker vor Parkuhren in Brüssel und erfreuen sich ihrer mehrfachen Spitzengehälter oder ihres emeritierten  Zustandes, ganz wie weiland allerübelste Nazis, die ebenfalls ihre Staatspensionen verjubeln konnten. So gesehen hat sich am Verfahren nichts verändert, schon garnichts an den schlechtesten Teilen des Weltgeschehens . . . Alles ist schlechter geworden, nur eines ist besser geworden: die Moral, die ist auch schlechter geworden.2

     Friedrich Engels vertrat bereits die Ansicht, das Proletariat solle die Fremdworte der historisch-materialistischen Literatur, die der Schriften zur Politischen Ökonomie3 erlernen, zumal sie beim praktischen Umgang der Arbeiterklasse mit der alles durchdringenden Exploitation durch die Bourgeoisie nötig erscheinen, und war es nicht Max Frisch, einer der wenigen legitimierten Brecht-Nachfolger, der einmal bemerkte, wieviele neue Fremdworte in einer zum Klassenkampf taugenden Literatur stecken, die er schließlich allein dort zu diesem Behufe gelernt hat. Gerade Jürgen Habermas, der den bisherigen Klassenkampf angeblich schon am Beginn seines Wirkens als überholt angesehen hat, den verbleibenden Antagonismus der kapitalistischen Gesellschaft (als eigene Legitimation oder Ursache seiner engagierter – wissenschaftlichen – Kritik?) aber weiterhin in der sich eskalierenden ungleichen Verteilung der geschaffenen Werte sieht, liefert dafür zahlreiche Beispiele.

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Selber hatte ich (das als Beispiel einer unbewußten Nebenexistenz bei oppurtunistischem Verhalten), zeitlich die absolut ehrlichen aber trivialen linken Ideen von der möglichen Rettung der Menschheit. Man war so etwas wie ein begeisterter Lehrling. Vom Geiste her lernbereiter Marxist, bereit zu methodischen und revolutionären Taten, oder blieb vielmehr Sympathisant und Angehöriger der chaotischen alles nur mögliche reflektierenden Linken, in sich zersplittert vom Kriegsdienst während des Prager Frühlings, vom Studentendasein bis weit über den Deutschen Herbst hinaus – zuletzt wieder einmal als INDIVIDUALIST.

Das Spektrum der späten sechziger, der gesamten siebziger bis in die Mitte der achtziger Jahre bot der sozialkritischen Seele ein Bild des Grauens, und so schwand noch rechtzeitig vor der Entwicklung eines elitären Bewußtseins allmählich jegliche Hoffnung. So mag es kein Zufall sein, daß mir Kant, Hegel, Schopenhauer, Nietzsche im nachhinein als Herkunftsnachweise für mein durchaus nicht verqueres Denken erscheinen. Dann erst werden mir Marcuse, Adorno, Horkheimer, bedingt auch Habermas, relevanter, als sie es zu den stürmischen Zeiten waren, als ich sie mit nur wenigen der damals üblichen Kernaussagen zitieren mochte.

    Es ist wirklich unglaublich, wie nichtssagend und bedeutungsleer, von außen gesehen, und wie dumpf und besinnungslos, von innen empfunden, das Leben der allermeisten Menschen dahinfließt. Es ist ein mattes Sehnen und Quälen, ein träumerisches Taumeln durch die vier Lebensalter hindurch zum Tode, unter Begleitung einer Reihe trivialer Gedanken.1 (Schopenhauer).

Die einstige Kennzeichnug der Gesellschaft gerade in geförderter, sinnvoller Fortbildung befindlich, dem Beruf und den Musen gleichermaßen zuträglich, ist leider einer allgemeiner Rückbildung gewichen. Aber: Alles, was wir empfinden ist wahr. Flaubert.

Eine private Philosophierunde könnte man ebenso gut Bullshit-Session nennen, und mit Philosophie hat es zunächst wenig zu tun, daß die USA mit fünf Prozent Anteil an der Weltbevölkerung immerhin stolze 25 Prozent aller Gefängnisinsassen weltweit besitzen – im wahrsten Sinne des Wortes. Diese Kriminalisierung der Armut, sie beginnt mit der Bestrafung kleinster Drogenmengen, führt über lächerliche Verkehrsdelikte oder „Widerstand“ gegen eine brutale Verhaftung zu einer gigantischen, langjährigen Masseninhaftierung besonders von farbigen Bürgern. Was hat das mit einer, wie auch immer gearteten materialistischer Erkenntnisphilosophie zu tun, die immer noch in manchen Köpfen ist? Man kann beim System nach seinem offenen Gesicht fragen, wie es sich immer wieder unverhüllt zeigt, nach den staatsterroristischen Auswüchsen, die es produziert. Bei Jürgen Habermas beispielsweise findet sich dazu eine klare Antwort: Er stampft (immerhin schon frühzeitig) alles in den Sumpf des Vorangegangenen, negiert seine vorherigen, tiefsten Überzeugungen, er hat sich bald mit dem herrschenden System arrangiert und liefert hinfort warme Worte zu einer „Krisenbewältigung“, eben der Glättung der zunehmenden Exzesse bei der methodisch modernsten Kapitalvermehrung. Wenn ein Wendehals die Flamme sogar grundlegender gerechter Utopieansprüche, nämlich hier die exztrahierte Sozialutopie, vielmehr sogar die „konkreten Antizipationen“ mit gespitzem Mund für sich und die Masse ausbläst, den neomarxistischen Klassenkampf leugnet, kann er noch nicht einmal eine systemkonforme, weil reformistische Sozialdemokratie retten, deren altes Lügengebäude endlich ins Wanken gekommen ist. Leute wie ein Jürgen Habermas (den man zu meiner politisch sehr bewegten Zeit noch schmunzelnd „Habermarx“ nannte), hätten besser Volkwirtschaftler oder gleich Politiker werden sollen. Deren erster Verhaltenscodex lautet nämlich ganz offensichtlich: „Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern.“ (vgl. OT Konrad Adenauer; Text überarbeitet Februar 2019)

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Ein Schopenhauer-Quartett. – Die Kunst, wieder zu Nichts zu werden, resultiert aus einem heren Wunsch, der letztlich aus dem „Zusammenprall einer äußerst sensiblen Natur mit der als roh, schroff und mitleidlos empfunden Außenwelt“1 hervorging.

Es hat lange gedauert, habe bei Schopenhauer (natürlich über F. Nietzsche – wie sonst?) den hülfreich beseelten Pessimismus wiedergefunden, ganz klassisch und propädeutisch vorgezeigt, dazu wie eine verstaubte materialistische Gesellschaftstheorie erklärt, dennoch seltsam frisch und munter. Diese negative Wut, die ich beizeiten als gigantischen Ekel vor den Verhältnissen der Menschheit als eigentlich positiv, als sinngebendes Lebenselexier, als einen geistigen Brandbeschleuniger empfunden habe, erklärt sich auch durch eine synaptische Berührung mit marxistischer Polit-Ökonomie. Diese bewirkte immerhin die Initialzündung für die definitiven, ja explosiven Inhalte der Buchvorschläge und Seitenwahl seit den spätjugendlichen Barrikadenkämpfen gegen die überlieferten theoretischen und praktischen Knüppel der herrschenden Zivilisation – auf der Straße, in den „Stätten Deutscher Arbeit“ und in oft überfüllten aber staatlich institutionalisierten Hörsälen.

(1) Ursächlicher Knotenpunkt für ein klassenkämpferisches Bewußtsein war die selbstgestrickte „Kritische Theorie“, die dem gottlosen und wolkenfreien Himmel seis gedankt, eher dem Oberbaum-, Rowohlt-, Wagenbach-Verlag und einer Vielzahl von plötzlich überall erhältlichen linkskritischen Publikationen und allerlei gesellschafts- und sprachwissenschaftlichen Seminarscripten geschuldet ist.

Das erscheint erwiesenermaßen im nachhinein nichts als verlogenes ENDSIEG-Geschwafel gewesen zu sein. Verrat auf der ganzen Linie! Demokratieerhalt? schlimmer: Sozialdemokratie! Entnazifizierung und „Nie wieder Krieg“, Gewerkschaften und Mitbestimmung, Wohlstand für alle, Atommilitanz, Freiheitliche Grund-ORDNUNG!? Notstands-GESETZE! Das alles trotz Ostermärschen und Friedensbewegtheiten! Das taktische Hohngelächter der SPD-Auguren wird schon ab der Montan-Union2 oder im reglementierenden, den Klassenkampf kontrollierenden Betriebsverfassungsetz (BVG), also in der „Mitbestimmung“ unerträglich! Dekonstruktion des Sozialstaates. Armutswachstum durch Kapitalkonzentration. Wahlmanipulation durch psychoanalytische Datenverwertung. Wozu das alles? Und die nachhaltigen theoretischen und praktischen gesellschaftspolitischen Lösungen liegen auf der Hand. Niemand in der unten offenen, oben geschlossenen Zivilgesellschaft traut sich mehr, diese zu propagieren! Mann weiß es.

Es ist schon lange her. Es muß 1973 gewesen sein. Damals gab es im Kellergeschoss des berliner Theater des Westens die kleine Vagantenbühne. Dort gab man das Sartre-Drama „Geschlossene Gesellschaft“. Unser Freund Karlo, der später so etwas wie ein Psychoanalytiker geworden ist, zu dem Werbeaushang ganz ernsthaft: „Da kann man heute nicht rein, denn die haben leider eine geschlossene Gesellschaft.“ Trotzdem habe ich auf dieser kleinen Bühne einmal einen Francoise-Villon-Abend erlebt, dort auch das Borchert-Stück „Draußen vor der Tür“ gesehen. Karlo hätte vielleicht vermutet, daß man dabei draußen auf dem Hof Theater spielt. Auf diesem Platz wurde machmal aber ein kleiner Trödelmarkt veranstaltet. Als Germanistikstudent habe ich dort das dicke, mehrbändige Gesamtwerk von Ernst Jünger gut verkauft. Das war eine antireaktionäre Überreaktion, das weiß ich heute.

(2) Heute fand ich unter den hohen Bäumen meines Gartens ein totes braunes Eichhörnchen, mitten auf der Wiese mit den halbverfaulten Falläpfeln, vermutlich das Fritzchen, wie ich das flinke Tier benamt hatte! Es wirkte unbeschädigt mit seinen halboffenen dunklen Augen, die mich fast weiblich anblickten. Ein passionierter Jäger im Bekanntenkreis, der ansonsten sehr gewissenhaft Motorräder repariert, meinte ich solle es wegschmeißen,

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wer wolle heutzutage so etwas noch ausstopfen, es gäbe nämlich auf der Welt inzwischen wieder Aas genug. Ja, das stimmt wohl, denn angeblich lungert es sich millionenfach mutwillig zu Tode. In der diesjährigen Sommerpause, übliche Sauregurkenzeit, und in Parlamentsferien sind die stündlichen Nachrichten plötzlich wieder voll davon. Das Elend der Berichterstattung folgt längst der alten bösartigen Methode: Monat um Monat, Jahr um Jahr stets ein einziges Thema! Bodycount! „300 Vietcong getötet! . . . aber nur ein Hubschrauber mußte notlanden.“ Und heute? Nach dem Griechenlanddebakel die „Bankenkrise“; dann flüchten immer mehr fremdartige Völkermassen vor ihrer eigenen Art, anstatt dort zu bleiben, wo sie hingehören.

(3) Legenden um Satyricon. – Was für die Zeit von Kaiser Nero gut war, das kann heute nicht schlecht sein. Sonntags immerzu spannende Pilcher-Filme auf den ARD-Kanälen. Rock Hudson steht auf dem Index, stattdessen Heidi (4). Apropos berühmte bayerische Mumien: rechtzeitig zum Auslaufen der hitlerischen „Mein-Kampf-Druckrechte“ des Bayerischen Staates (sic), dazu zeitgleiches lokalpartiotisches Defrosten der sicherheitshalber dauertiefgefrorenen Mumie FJS. Einige gelernte Architekten behaupten, sein Mausoleum (nicht das Adolf Hitler‘s) sähe dem HS-30-Schützenpanzer ähnlich, andere, es gleiche zerfetzten Trümmerresten eines mit dem deutschen Boden tief verwurzelten Starfighter F-104-G1 . . . Multitalente sind in der Kunst vielleicht sinnvoll, nicht aber in der Politik oder im Militärwesen. Ein Schauspieler, ein Schnulzensänger mag schwul und berühmt sein und mit dreißig seine eigenen Bestseller-Memoiren schreiben, das mag angehen, aber ein Politiker, der gleichzeitig die Macht, das Geld und angeblich die Gerechtigkeit liebt, das gibt es nur im Märchen oder hübsch dekoriert in weiblichen Formen mit ekelhaftesten Maskeraden. Visagen der Vetternwirtschaft, Filialen der Finanzdeals. – Endlich! Die privatisierte BRD als Fanscheißbetrieb der US-Wirtschaft… dann schrecklichste Strafe für heimliche Widerstandskämpfer: das täglich dargebotene Fernsehprogramm! Wenn man in einer Liebe untergeht, ist man um den Genuß betrogen. (Kierkegaard).

Tagebuch eines Verführers: Montanmitbestimmung, Betriebsräte, 40-h-Woche – ansonsten herrsche akute Branntgefahr an der Ruhr, trockenes Schilfgras raschelt. TTip: heimlicher Beitrag zur Naturbezogenheit sämtlicher künstlich beschleunigter Prozesse. Katalysator Bergmannsschnaps! 2 Einzelne, verirrte Treiberameisen in riesigen mittelamerikanischen Bananenplantagen, überall Heuschreckenplagen. Der Dollar ist grün – er hat ein mildes Gesicht!

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(4) Wir müssen uns wieder erkennen. Johannes Ludwig, ein Mahner in der Wüste, Hochschullehrer und geouteter Whistle-Blower (?) http://www.ansTageslicht.de und http://www.whistleblowerinfo.de (3Sat, 22. 07. 2015). Vielleicht die allerletzte Chance der Menschheit, den Verrat kultivieren, jeder Amazonsklave, jeder Killroboter, jeder Lehrer, jede Friseuse, ein jeder Fensterputzer hängt es an die große Glocke, die ReSSourcen gehen zur Neige, in Altenheimen wird der subunternehmerische Sicherheitsdienst mit nivellierenden serbisch-kroatischen Nietzsche-Zitaten mürbe gemacht. Die Alten, sie leben ad hoc wie freie Menschen, und das urzeitliche Paradies ist ihnen fast kostenlos geworden, alles dank der unterschlagenen Rabattmarkenheftchen für längt vergessene Bürgerpflichten und Ehrenämter. Gleich hat man den Eindruck, daß Nietzsche Größenwahn, Definitionen des Genialen, den Übermenschen und überhaupt vieles von Schopenhauer sich einverleibt, und dies, so wissen wir heute, bis zur geistigen Entleibung verdaut hat.

     Der heldenhafte Harakiri des ebenso genialen Schülers, des Philosophen mit dem Hammer, als Blutblase der Unvorsichtigen, die sich gleich auf den Daumen schlagen der emeritierte Geologenprofessor Max Richter hielt in Berlin Vorlesungen zur Geologie von Deutschland und erzählte dabei vieles aus seinem Anekdotenschatz, so von der Seele der Gesteine. Ein ganzes Leben für die Erforschung der Erde und das ganz ohne einen Estwing-Pickhammer und die bunten amerikanischen Lehrbücher. Max Richter? Nein, der war`s bestimmt nicht.

Diese Hai-Society schwimmt mir am liebsten kieloben in gechlorten Becken ihrer Hygieneinstitute. Im „Kita-Tarif-Streik“ gibt es sogar männliche Verhandlungsexperten (13.08.2015). Zeitliche Bezogenheit bedeutet nichts, es ist ein in sich kreisender Vorgang.

Auch jetzt, wo der Putz sich beult/und von der Mauer des Hauses blättert,/die Metastasen des Mörtels/in breiigen Strängen sichtbar werden,/will ich mit bloßem Finger/nicht schreiben in die porige Wand/die Namen meiner Feinde. […] Es kommen Kohlenträger,/ sie schütten aus schmutzigen Körben/die schwarze kantige Trauer/ der Erde in meinen Keller.1 Peter Huchel. Unkraut.

Ansonsten im Westen nichts neues. Was jetzt fehlt: Nine eleven!

Im Übrigen bin ich der Meinung, daß Nestlé zerstört werden muß!

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„Gewehr geladen und entsichert!“ – Die in der Deckung tausendfach ausgetauschte gleiche Abbildung der Abbildungen, die ewige Wiederholung der Wiederholungen, Zielscheiben bloß, die Einschüsse mit Papierchen überkleben, wie Oscar-Verleihungen, durchsichtiger als parlamentarische Lobbyarbeit der Industrien… jetzt des amimonopolistischen Schreibarbeiter Jonathan Frenzens Unschuld … alles ist austauschbar, wiederholbar, eigentlich gekonnt unsichtbar für den inneren Geist, wieder ein Roman mit übergestülpten Buchdeckeln, aus Yankeeschleim gepreßt, den der preisgebundene deutsche Recycling-Buchhandel unbedingt empfiehlt, oder vielleicht ein Tierfilmchen im Stil der Deutschen Wochenschau: Die Affen von Angkor Wat, oder im TV-Tourismusindustrie: Fjorde Norwegens incl. Hurtigroutenreklame? Oder mit dem Luxuszug durch… Zauberhaftes Schottland! Armer Bonny Prince Charly! In zartem Schweinsleder gefaßt das kraushaarig verzierte private Lochan von Sir Walter Scott?

    Gutgemeinter Proporz also, dann doch lieber gleich zu Amazon. Das Monopol wandelt sich zum Oligopol? Heidi- und Pilcherfilme im Doppelpack, Don Camillo täglich, unschlagbar das Kackern der Billardkugeln zur Winnetoumusik gegen alle Geruchskonkurrenzen, Nillenkäse von der Alm, Zinn aus Cornwall für blutiggehärtete Schwerter des Eurofighter-Imperiums. Die stets unbeschädigt aussehenden, grinsenden Zielscheiben, auf die wir unsere gezielte Verachtung spucken sollen, wie bloßes Dampfablassen ist das, arabische Nächte in Brandenburg, so ganz ohne ein vibrierendes Tuten des Typhons bei Annäherung an Ellis Island, Flüchtlinge strömen, längst keine Lemminge mehr, vor dem nordischen Inlandeis flüchtend, nein, wie die Hunnen fluten sie hinein ins abendländische Paradies, ihre Angst einflößende Andersgläubigkeit schwappt an die Tempelstufen der feisten kristlichen Machthaber, endlich das Personal für die Baustellen am Großflughafen und an den Staudämmen von Pangea. Sich die Füße waschen lassen ohne naß zu werden! Gelegentlich ist das Werfen von Steinchen gegen die Zielscheiben der gefilterten Kultur erlaubt. Moralische Verwerfungen, schöngeredete Erdbeben unter Fessenheim, Fukushima, Sicherheit, Verantwortung, Empathie der  Zurückruderer, tief empfundene Tierliebe, Zuckerrübenbarone,

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Menschlichkeit, Quotenregelung, Bleiberechtsperspektiven, aus dem Wörterbuch zur Verschleierung diverser Zustände: Worte werden zu Anschlagsszenarien, in dubio pro reo, deshalb immer neue Tagescodes per ENIGMA verschleierte Willkommenskultur beim Betreten des Schengen-Raums a lá „Arbeit macht frei“. Tägliche Trauerreden der Präsidenten. Ach, in Wirklichkeit lautloses Sterben hinter dem ewigen Horizont, Nato-Flottenbefehl: Das Radar bleibt bis auf weiteres ausgeschaltet – Mare nostrum. Was ihr wollt! Oder lieber im Stacheldrahtverhau verbluten?

Deutsche Exporte, Flick und Stinnes, nochmal Nato-Stacheldraht, Siemens: Hightech-Geldzählgeräte und Elektrofolter, Heckler & Koch recht diffus mordenden Plastik-Handfeuerwaffen (G3, G36 bis MG42, MG5), sie erreichen neue Rekordzahlen. Überforderte Politiker der Einwanderungsländer fordern zugleich eine wirksamere, todsicher zuschnappende Weglaufsperre aus den zu viel zu viel forderden Armutsländern und von bewährten Kriegsschauplätzen (liefern und zuschauen!) hier sind der deutsche Ingenieur und der blaublütige Diplomat endlich wieder gefordert. Unpolitische Installationen mit Rückgabe der Beutekunst sind gefordert, ein ganz neues Blaubuch; Forderungen zumindest, kulturelle Leuchttürme, das muß schon sein: Eine Mindestforderung: Yes Sir! Drill-Sergeant, Sir! Ein wenig Nine eleven wäre mal wieder schön.

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Ressourcenverknappung. – Das Recht des Stärkeren eingebettet in seiner allerwichtigsten Bedingung, beschützt von der Tradition Tausender von Jahren; es ist das einzige Recht, welches so sehr gebeugt werden kann, daß es trotzdem niemals nicht bricht. Die beste Transmission für eine perfekt funktionierende globale Ungesellschaft ist die zunehmende klinische Depression aufmüpfiger Bürger, der erzwungene Infantilismus der Konsumenten mittels spezifisch auf sie einwirkende Einflüsse! Wenn Oma ihre Barbiepuppen an die Enkel verschenkt, so sind Barbie und Ken in fast sechzig Jahren immer schlanker geworden. Ein System, welches dennoch ständig wachsen, immer mehr verschwenden muß und ohne Inflation nicht überleben kann (sic), kann nicht zugleich eine gute und gesunde Erfindung sein, eher für Wenige mehr oder weniger eine sehr praktische.

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Wie uns die Alten sungen … oder die einfachste Logik der plötzlich satten Nachkriegsenthusiasten. – Irgend etwas muß das bloß reagierende Individuum befähigen sich als ein egoistischer Mensch auszustatten, mit einem bewussten Überlebenswillen zu verhalten, und dabei dennoch ohne wahre Not weder seiner ihm innewohnenden Vernunft noch seiner praktisch bewährten Ethik umfassend folgen zu können. Die einfache aber sensible Umkehrung der Motivationen hat sich gleichfalls Schopenhauer erdacht, sicher hat er sie hinreichend beobachtet, wie vieles, was wie ein biegsames Skelett der Moral die Erbärmlichkeiten aufrichtet und sie eine kurze Weile bedrohlich hin- und her schwankend existieren läßt.

   Schopenhauer nennt das positives Leid und negatives Glück: Unmittelbar gegeben ist uns immer nur der Mangel, d. h. der Schmerz. Die Befriedigung aber und den Genuß können wir nur unmittelbar erkennen, durch Erinnerung an das vorhergegangene Leiden und Entbehren, welches bei seinem Eintritt aufhörte. Daher kommt es, daß wir der Güter und Vorteile, die wir wirklich besitzen, gar nicht recht innewerden noch sie schätzen, sondern nicht anders meinen, als eben es müsse so sein: denn sie beglücken immer nur negativ, Leiden abhaltend. Erst nachdem wir sie verloren haben, wird uns ihr Wert fühlbar, denn der Mangel, das Entbehren, das Leiden ist das Positive, sich unmittelbar Ankündigende. Daher auch freut uns die Erinnerung überstandener Not, Krankheit, Mangel u. dgl., weil solche das einzige Mittel die gegenwärtigen Güter zu genießen ist. Auch ist nicht zu leugnen, daß in dieser Hinsicht und auf diesem Standpunkt des Egoismus, der die Form des Lebenswollens ist, der Anblick oder die Schilderung fremder Leiden uns auf eben jenem Wege Befriedigung und Genuß gibt, wie es Lukretius schön und offenherzig ausspricht … [Wenn du vom sicheren Ufer die Not und die Mühe betrachtest, Welche die Wogen, vom Sprühregen gepeitscht, weit draußen bereiten, Freust du dich, nicht etwas weil dich entzückt, Daß andere in Not sind, Sondern weil du von solcher Bedrängnis dich selber befreit weißt.]

Im Übrigen bin ich der Meinung, daß Nestlé zerstört werden muß!

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    Außer ein paar Vögeln war er das höchste Tier.

              Gottfried Benn, Gehirne

Gerade das Alltägliche bedarf einer gewissen Gewöhnung. Sogar das Gewissen ist dabei gefordert, was den Alltag eigentlich niemals langweilig werden ließe, sofern das erlernte Gewissen weiterhin erlaubt wäre. Einige der von den Nazideutschen und ihren Helfern vergasten und anschließend verbrannten Juden des Holocaust wurden lange vor der entschädigungsfreien Lieferung von U-Boot-Bauplänen an die Apardheitsclique in Südafrika, durch erste exklusive wenn auch noch klammheimliche bundesdeutsche Waffenlieferungen an den jungen Staat Israel (vgl. Die geheimen Wohltaten des Franz Josef Strauß) wiedergutgemacht. Hier wirken seltsamerweise eindeutig anarchische Auffassungen von Schuld und Sühne. Gut und Böse unterliegen mit ihren Gummiparagraphen (Ermächtigungsgesetz; Entnazifizierung; Steuerrecht und Subventionen; Hartz IV etc.) zwar der willkürlich nützlichen Gesetzgebung der jeweils herrschenden Staatsgebilde, sie wirken deshalb aber nicht weniger fragwürdig, zumal die implizierte Umgehung der Gesetze durch den globalen etablierten „Geldadel“ aufgrund der stärkeren Position in der Gesellschaft nur einseitig geschieht. Gerechtigkeit wäre in einer solchen Welt, daß beliebige Einzelpersonen (also jedermann, nicht nur die Übermenschen) sich jederzeit gegenseitig versprechen könnten, die Gesetze und ihren zugrunde liegenden Moralkodex gleichermaßen zu ignorieren. Wie anwachsendes Macht- und Siedlungsgebiet Israels eindeutig gegen Völker- und Menschenrecht verstößt, werden Milchbauern (Was ist eigentlich mit anderen?) in den Feuerofen des europäischen Euters geschickt, den längst ein Mastschwein melkt. Fragt nur euren Napoleon, er möchte mit den ausgemergelten Palästinensern nicht tauschen, denen man ihr Land und dazu noch das Wasser für ihre letzten Bäume und Felder gestohlen hat und weiter stiehlt (sic). Da ist also endlich eine doppelt begreifbare Natur; aber die spezialisierte Gewalt wirkt auf sie einseitig und muß hoch entwickelt sein, sie hat also wenig mit Erdbeben, Sintfluten und Trockenheiten zu tun. Die Menschen selber müssen die Naturgewalt bekunden. Denn sie sind ihr nirgends entwachsen (Benjamin 1949).

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Ausmerzen der Sünde oder Vergebung der Schuldigen? – Was der syphilisdurchseuchten postsäkularisierten und wieder heiligen Kaholischen Kirche für eine Wiedergutmachung an von Penispriestern mißbrauchten Kindern weiterhin fehlt, eine öffentlich zu bewundernde Statistik! Diese Mühe müßten sich die Frontoffice-Schergen der Vatikanbank schon machen, oder hat die keinen Internetzugang. Radiergummies der Geschichte oder Schmierfinken? Tacitus nennt uns das Petronius-Testament, in dem unglaublich zahlreiche Kinder- und Knabenmißbräuche allein durch den geilen Kaiser Nero mit Namen und Schändungsalter aufgelistet sind. Hilflosigkeiten machen die Geschichtsschreiber weniger verbindlich. Oft warten sie bis alle Beteiligten gestorben sind. Bei den aktuellen Flüchtlingszahlen wird das länger dauern als üblich.

„Es gibt bestimmt wirksamere und schnellere Methoden, oder?“

„Geh‘n wir jetzt Tauben vergiften im Park?“

„Ja, aber man müßte bereits ihre Eier vergiften.“

„Das geschieht längst mit Nestlé-Kindernahrung.“

„Milchpulver? Woher kommen dann immer mehr Tauben?

Welch eine politische Weitsicht, ein warmherziger Umgang mit Flüchtlingen, so empfehlen es die Geschichtsstatistiker, sollte in die heiße Diskussion über tägliche Brandanschläge geworfen werden. „Rülps! Da darf ich aber doch sehr bitten moine Herren!“ Damit rechtzeitig zum 100. Geburtstag des gottgleichen, sprachgewandten Franz Josef Strauß sein schwitzendes hyperthonisches Konterfei auf mehrsprachigen Grußpostkarten der Großen Koalition mit seiner fetttriefenden Sprechblase auf der Wies’n verteilt werden kann… „Burp! Please you very much my dear Misters!“

Entlang des Weltkulturerbes Mittelrheintal kurzzeitig als Comic vom bajuwarischen Spätlesereiter (mit guten Connections zur deutschen Waffen- und Windkraftindustrie) frei nach Michael Apitz erhältlich. Es dient den freud’schen Versprechern: Alles umher wird reifer und älter, und arbeitet an seinem ganz soft mordenden Seefahrerroman „Mare nostrum“, in dem Odysseus bloß eine Nebenrolle spielt, und genau das ist der Trick! Sich erst in der ganzen Welt herumtreiben und dann seinen zurückgelassen und angewachsenen Besitz wieder einfordern.

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Von Talleyrand1 zum Tellerrand. – Weil nicht nur ein einziges Land im vereinigten Europa, zum Beispiel Frankreich, widerspruchslos von einem dieser faschistoiden Ausländer- und Armuthasser regiert wurde, so wird diese, neben den unerträglichen Ekelhaftigkeiten eines Beslusconi, dennoch im Gedächtnis klebende Sarkozy-Kotze (zuletzt im Juni 2015!), ganz wie die radioaktive Verseuchung der Südsee durch die Chirac-Franzosen, ewig die wahren Seiten der offiziellen Geschichtsbücher verkleben. Talleyrand, bei all seinen Verdiensten, gilt als der Inbegriff des ungeliebten WENDEHALSES (er diente sechs verschiedenen konträr aufgestellten Regimes), Sarkozy aber wächst in der Medienwelt zur bislang ekelhaftesten (wenn auch bloß drittklassigen) Figur opportunistischer Inkarnationen, so zwischen akuter amerikanischer Konzernwillkür und den schmierigen Wichsvorlagen einer immer neuen Republik. Übertroffen wird das alles von einer unglaublich drögigen Kanzlerin, nach oben hin ist sie gerichtet in alle nur denkbaren Richtungen OFFEN, was die berühmte Merkel-Raute vor ihrem Unterleib beweist. Viel weiter können uns Ekel und Langeweile nicht gelingen, und im sauteuren einst bürgernahen STIFTUNGS-Museum des Städel kotzt uns der dürre Max Liebermann (einer der Sympathischsten der Moderne) janz berlinisch coloriert auf unser reines Gewissen, leider nicht mehr als er fressen kann. Eine leicht verständliche Fäkalsprache drängt sich uns Beobachtern auf, bei der altmodischen materialistischen Sehweise, die leider Gottes mit geradliniger Erkenntnis verbunden ist (… die Realität ist für eine Weile rein amerikanisch geworden, und alles andere sind dirigierte Imitationen zum Verdauungsprozess des sich gigantisch aufblähenden Geldkapitals). Im gleichen Maß, wie der innere Druck aus Fastfood, Erniedrigung und Machtlosigkeit anwächst, bekommen die Auguren ein neues Kleid gestrickt, ein undurchsichtiges Gewebe von Brutalität und Menschenverachtung über die HEIMAT geworfen, im heiligen KREUZMUSTER der Freiheit.

Im Übrigen bin ich der Meinung, daß Nestlé zerstört werden muß!

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1  vgl. „Ein Haufen Scheiße in Seidenstrümpfen.“ Die Welt, 05.09.2011

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In einem freien Staat sollte es jedem erlaubt sein, zu denken, was er will und zu sagen, was er denkt. – Von der längst analysierbaren Gedankenfreiheit zur statistisch analogen Handlungsfreiheit ist es in der jetzigen Konsumgesellschaft nicht weit, da paßt kein Bohnenblatt mehr dazwischen. Längst ist der Pegelstand überschritten, vor dem uns nunmehr zehn Generationen von soziophilosophischen Aufklärern gewarnt haben. „Ich bin ganz erstaunt, ganz entzückt! Ich habe einen Vorgänger und was für einen! … Spinoza, seine Gesamttendenz ist gleich der meinen.“ Friedrich Nietzsche am 30. Juli 1886 an seinen guten Freund Franz Overbeck.

Die Merkel-Raute, was immer das heißen soll, ein in den ARD-Medien bemerktes sinnliches Bauchgefühl, das einer schlaffhäutigen, senil wirkenden Jeanne d‘Arc zwischen Unschuldslamm und mörderischer Bestie (!) … die unersättliche, blutige Votzenromantik des Neoliberalismus (vgl. S. Freud) grinsend zum Herzen geformt! Wirksam das alles nur mit einem finalen verklärten Blick zum Himmel, der ohne Pagenfrisur nicht rüberkommt bei den traurigen Berichten von den Außen-Grenzen des Wachstums…

Sicherung der Außengrenzen, was sonst, die nach innen sind seit Kaiser Hartz IV längst sicher! Ist das jetzt eine neue Religion? Während sich der gegoogelte Papst beim Seelenfang als lamentierender Ökofreak verkleidet und die seit mehr als 50 (!) Jahren1 in der ganzen Welt bekannte Litanei der Umweltsünden herunterlallt (!) oder die Drohnen-Fortsetzung der erbarmungslosen Bush-Kreuzzüge, Krisenmanagement als Einkassieren schlecht versteckter Templer-Reichtümer, ein Besäufnis aus dem heiligen Gral als PR-Gag zur Rettung der Banken? Dank der SPD ist alles künftig noch besser vorhersehbar, die CSU will keine zehn Millionen Fremdartige aufnehmen, eine Million reicht, um damit ihre Politik weichzuspülen, indem sie seit Jahren überall und ganz öffentlich zu heißen Cocktailparties einlädt, den Asyl-Vernisagen.

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1) vgl. Vogt, William (1950): „Road to Survival“. Erstmalig erschienen bei William Sloane New York. Auf Deutsch „Die Erde rächt sich“

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Wer besitzt den größten Geheimdienst der Welt? Der Vatikanstaat und seine Katholische Kirche! Verborgenheiten erschließen, entdecken oder erfinden? Entdeckung: Sand ist das fünfte Element. Damit werde ich kaum durchdringen. Werde ich überhaupt noch durchdringen? (vgl. Wolgang Hildesheimer Masante).

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Zurück mit den Tatzen! – Intellekt und Bauernschläue mögen in volkstümlichem Geklüngel sich vermischen. Nur tuts dem einst wohl sehr schönen Körper der deutschen Sprache freilich nicht so gut, daß tägliche grammatikalische Impfstoffe, verbale Amputationen und fremdsprachliche Implantate über kurz oder lang ein schreckliches Monster schaffen, deren babyhafte Nettigkeiten aus der Sesamstraße oder der Muppet-Show mit dem Neusprech längst verwachsen sind – Künstler, Wissenschaftler, ganz besonders die Historiker, sollten es heutzutage nicht leichter haben, als ihre Kollegen im tiefsten abendländischen Mittelalter, welches umso neuzeitlicher gedieh, je schmerzhafter sich heute daran erinnert wird (Galilei) … denn nur der lebenskluge Philosoph und Sterngucker wird für seine Wahrheiten (Weisheit?) gut bezahlt. Im übrigen erscheint uns deshalb das gesamte Mittelalter immer und überall auf der Welt ausschließlich kristlich gewesen zu sein.

Die Vorgänger der Päpste haben die frechen punischen Kaufleute besiegt, deren Karthago vernichtet. Die levantinischen Seeräuber, schon wurden dafür früh die Mauren mühsam vertrieben. Wohin? Mit einiger Sicherheit erst einmal zurück übers Mittelmeer hat man sie getrieben. Und irgendwann, lange nach der Bibelübersetzung des Martin Luther ins Deutsche, sind die Amerikaner mit vielen ihrer Autos, mit Coka-Cola und Chewing-Gum in Marokko gelandet… ob es da schon angefangen hat? Amerikanismen und Anglizismen oder wie auch immer das ekelhafte tägliche Einschleimen der Journaillie in den öffentlich vorgezeigten Medien sich nennen will… Wie wird es jemanden in diesem Vaterland ergehen, der Englisch nicht auf jahrelangen Reisen oder im beruflichen Zusammenhang nahezu perfekt zumindest aber recht gut versteht. Er wird sich für absolut blöd halten, weil er noch nicht einmal mehr den stündlichen Nachrichten in seiner ursprünglichen

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Muttersprache folgen kann1… 

„Dies alles sind keine Kleinigkeiten: es ist die Verhunzung der Grammatik und des Geistes der Sprache durch nichtswürdige Tintenkleckser, nemine dissentiente. Die sogenannten Gelehrten (wissenschaftliche Männer!) eifern vielmehr den Journal- und Zeitungsliteraten nach: es ist ein Wettstreit der Dummheit und Ohrenlosigkeit. Die deutsche Sprache ist gänzlich in die Grabuge geraten: Alles greift zu, jeder tintenklecksende Lump fällt darüber her.“ –  Was Schopenhauer für seine Zeit bereits in Literatur und Wissenschaftsszene ausmacht, ist heute durch die allgemeine Verschlammung der Grammatik, die Herbeiziehung meist unnötiger Neusprech-Wortschöpfungen und Tausender, täglich neuer Amerikanismen und Anglizismen in der Alltagssprache und den Fachsprachen sowie in den öffentlich-rechtlichen und in den anderen käuflichen Medien zu einem zwar lächerlich und aufgesetzt wirkenden, dann zu einem geistigen Karzinom der deutschen Sprache geworden. „Das zarte Wesen einer Sprache, dieses köstliche weiche Material, den denkenden Geistern überliefert, um einen genauen und feinen Gedanken aufzunehmen und bewahren zu können? […] Seht daher wie sie schwelgen in der Sprachverhunzung, diese edeln Söhne der „Jetztzeit“. Seht sie nur an! Kahle Köpfe, lange Bärte, Brillen statt Augen, als Surrogat der Gedanken ein Cigarro im tierischen Maul, ein Sack auf dem Rücken statt des Rocks, Herumtreiben statt des Fleißes, Arroganz statt der Kenntnisse, Frechheit und Kamaraderie [sic] statt der Verdienste.2 Edle „Jetztzeit“, herrliche Epigonen, bei der Muttermilch Hegelscher Philosophie herangewachsenes Geschlecht! Zum ewigen Andenken wollt ihr eure Tatzen in unsere alte Sprache drücken, damit der Abdruck als Ichnolith die Spur eures schalen und dumpfen Daseins auf immer bewahre. Aber Dî meliora! Fort Pachydermata, fort! Dies ist die deutsche Sprache! In der Menschen sich ausgedrückt, ja, in der große Dichter gesungen und große Denker geschrieben haben. Zurück mit den Tatzen! – oder ihr sollt – hungern. (Dies allein schreckt sie).“

Sprachverhunzer so hat man sie einst genannt, die Journallie, ihre Moderatoren, und so taucht der Teutschsubstantive als Prosument (sic) aus fruchtbarem Urschlamm: er ist eigener Produzent seines Untergangs durch die Gier als eigener Konsument? Oder was sonst?

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Kapitalismuskritik. – Viele kritische Bücher sind hinsichtlich ihrer Vermarktung eine verderbliche Ware. Entweder sie sind morgen bereits das, was sie sind, unnütz und schlecht, oder sie verderben den Charakter nachhaltig weil sie quadratisch, praktisch, gut und deswegen verboten sind.

Beliebt auch der Reimport rosaroter Sehweisen. Susan Neiman verbrachte ihre Kindheit im Süden der USA, ihre jüdische Herkunft spiegelt sich zuletzt in ihrem Wirken im Einstein-Forum, ab 1982 in Berlin… bis 2000 Kapitalismuskritik, der Staat hat Interesse an der Infantilisierung, der Verkindlichung des Bevölkungsgeschmacks. Dem Konsumpublikum werden Spielzeug geboten: Handies, Computerspiel, Küchenmaschinen, besonders für die etwas zu kurz geratene Männerwelt: Breitreifenautos, Metabo-Bohrmaschinen … für die Mutigen schräglagenfreudige Motorräder, rasiermesserscharfe Buck-Bowiemesser …

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Die Zwiebel. – unter allen Schichten kein KERN. Meine Arbeitswut, womöglich eine Mischung aus Enttäuschung und Langeweile. Der definierten Arroganz meiner Umwelt gegenüber, den kategorischen Absonderungen des Genies, bin ich abhold; auch kommt mir die Verwirrung zustatten, daß ich Kategorien meiner Philosophie längst nicht in eine gedachte Reihe gebracht habe. Allein weil mir eine Art preußischer Ordnungssinn anerzogen wurde, geistern im Kopf Kant, Schopenhauer, Nietzsche, Adorno & Konsorten herum. Ich bin‘s leid, will deshalb weder Ordnung noch Logik folgen.

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Aufbruch und Abschied. – Bleiben will ich, wo ich nie gewesen bin. Diese Leichtigkeit in mir wird einmal bestraft werden. Na und! Dieses Remuer läßt mich wohlig erschauern. Unser Vater der du bist im Himmel – Bleib dort!1   Ich werde mit Sicherheit auf der Erde bleiben … Dort unten denken die Menschen, das ist eine ihrer besten und zugleich schrecklichsten Eigenschaften: (…) Denn/ in ihrem Kopf/ Wächst die verfluchte Blume/ Die häßliche armselige kleine Blume/ Die kranke Blume/ Die bittere Blume/ Des Menschen ureigenste Blume/ . . . Der Gedanke . . .2 (ebenda)

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An einem dieser schönen Tage… fahren wir mit dem Luxuszug durch Afrika, die Fernsehgebühren sind bezahlt, und das ist wirklich ein Luxuszug dann labert uns ein TV-Schauspieler voll, so ein Mitbuntlockerhalstuchumarsch, ein Urlaubaufspesenritter, über Fairtrade und vom Kakao… dann Schlemmen mit dem tolpatschig wirkenden Gerard Depardieu, einem gigantisch fett gewordenen Obelix, und der steht überall kurzatmig im Weg herum, redet dummes Zeug und hat immerzu Hunger… Schade, wie fast immer geht’s Abgehalfterten um Reisespesen Produktionskosten Stromverbrauch. Austern… Hhhm gut! Krabbenfleisch… Hhhhm gut! Haggis… Hähhm? Hhhhm, gut! Insgesamt ein legendärer Sprachbeitrag zur klassischen Schauspielkunst: „Hhhhm gut!“ alles nicht nur im Vorabendprogramm erinnert an den achtzigjährigen Jonny Weißmüller, der seinen kraftvollen Tarzanschrei noch einmal versuchen darf… Klar schon jetzt lugt der Max Liebermann um die Ecke und kotzt und kotzt und kotzt weil er bei unserer geistigen Diät helfen will, und er hat sich ja längst bedankt neulich im Museum in Frankfurt/Main wo ich aus der quellend überfüllten Monetgeschichte entronnen war, von den insichgekehrten Impressionisten zu der anderen Sache mich aufmachte und ziellos umherstreifte in fast menschenleeren Sälen… fast wie ein Schlachthaus mit den goldeckig gerahmten Fliesen an den Wänden, holzparkettig in einzelnen Lachen und den Brocken und Bröckchen in Schlieren eingenordet die Kotze verteilt… die Zuckerindustrie verteilt Gefrierfleisch-Orden, trotz der Hundertschaften aus dem kroatischen Krieg, die schwarzstoppelbärtigen Aufpasser in ihren weißen Hemden, denen man alles, aber auch alles zutraut, wie das nackte Fleisch auf manchen inneren Bildern noch zuckt… gnadenlos wie ihre Lustbolzen aus der Uniformhose sich drängten, die Abzocke der modernen Securitygangster… mafiaschwarz wie der Tod in Pseudouniformen gezwängt, schwarz die Kinnpartien, von tiefen Magenfurchen durchzogen und atlethisch ihre Wellblechkörper, so wie man durch die Scheiben katholischer (!) Fitneßkasernen sieht, schweißnasse Maschinenmenschen an ölpumpenähnliche Monster geschnallt… auf und ab und auf und ab und schnell abspritzen, einer gründeutschen Tornado-Pilotin mitten in

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ihr Moderatorinnengesichte… reich geworden, Autorennen fahren, geil und Schaum vor dem Mund… ein neuer Minister innen wie außen ein Geiervogelgesicht, liebreizend hat er die Familien lieb lieb lieb, innen und gerade einmal mehr außen, Exportüberschuß, vehement vertritt er, der Arsch, das war nicht anders zu erwarten, bei seinem rosafarbenem Verein (hat ja bloß noch achtzehn Prozent die Volkspartei) am kalküberstäubten Grabe der Montanindustrien die Mitbestimmung zur ewigen Ausbeutung.

    Den Tribe wiederfinden, in dieser endlosen WüsteHomerun der NSA, koste es was es wolle, und das Verräterwürstchen in Moskau liquidieren, finanzieren, tolerieren und die Präsidentenwahl stinkt nach dem Schlüpfer der Frau vom Mann der sich von der Praktikantin einen blasen läßt während der andere mit nacktem Oberkörper durch boreale Nadelwälder reitet … wenn wir den amtlichen Sportttaucher haben, dann schwimmen wir rechts herum, immer rechts herum am Beckenrand entlang. Ich tauche regelmäßig fast täglich nur in Häfen in Häfen in Häfen und RUMMMS! Graue Schiffe sind zäh aber sie sinken! Das Nestlévögelchen (die Sau!) flüstert wieder wie in meinen Traum hinein. „…pssst! Hör doch mal, es gibt zu viele kleine Kaffebauern auf der Welt, wie beim Kakao… mit G3 oder Machete erledigen, wie in Ruanda…“ Das flüstert dieser teuflische Schuft vom Genfer See herauf… ich schlage mir lange Nägel in die Latte, fuchtele in der Luft herum während er dazu schallend lacht… Habt ihr jemals solch eine Fratze gesehen? Ach die verfuckten grauen Schiffe sie lassen sich nicht blicken, Brandbömbchen in Hauseingänge geschleudert, das ist doch keine Kunst, in Mülltonnen überfüllter Hinterhöfe der Nation. Keine Meldungen mehr, wird langweilig, bevor hoffentlich wenigstens ein Meteorit, der auf die Erde zurast… vor der Wahl im allerletzten Moment aufgehalten wird? Nein, er macht der nächsten Dauermeldung Platz. Genies und die Schönheit sind unnütz, ganz besonders schöne Genies haben es der Volksfront angetan. Die grüne Loveparade schwappt über Stuttgart-21 hinweg. „Württembergischer Ministerpräsident wichst öffentlich in Schulen!“ erscheint mittwochs plötzlich zum Sexualunterricht, äh jäh jetzetle! unrasiert, Unterhemd, Schlabberhosen, so sagt uns die Journallie, und die hat ja eigentlich noch viel mehr auf Lager.

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Er hat die mode der zeit wieder einmal VERPASST und was die pässe der asylanten betrifft die kommen ins fernheizkraftwerk unter dem energiegipfel mit den windrädern immer noch ohne ein stromkabel und so hocken alle im dunkeln herum in den zelten im winter und schwitzen sich einen ab wenn das fernsehen mit den millionenvoltscheinwerfern alles ausleuchtet wie in einer hellen demokratie ist das zum heulen für albanische autohändler die auf vwdieselscheißkisten hockenbleiben wenn alle heimkommen. Der erschreckend frühe wintereinbruch in den deutschen mittelgebirgen bis ins flache land hinunter ganz tief da runter wo das gemeinschaftliche denken aussetzt die kompression die todeszone erreicht [14. Oktober 2015] der frühe wintereinbruch hat auch die armee überrascht überall liegen die erschöpften herum endlich haben sie eine kleine ahnung von dem was natur für den menschen bedeutet… dschungel palmendickicht bambuswald die grasbewachsenen hügel der pazifischen vulkaninseln… von überall her tackert‘s tödlich und pfeifend echt bissig heran was daso typisch für maschinengewehre ist… Hört in dem bepißten hotel in beirut wo sie ihre unschuld verlor und immer noch sucht weiberkram! Ja wie kernig vor dem Mast segeln hinauf hinauf hinab wie er sich ein wenig auf die zunge beißt wie sich der rumpf zitternd festbeißt fast wie gegen einen berg geschleudert und von der seite rollt ein brecher heran ein echter kaventsmann und ohne chance jetzt? zum glück hat er sich eben noch einen heißen kaffee in der kombüse geholt und jetzt sinken in vielen tagen vielleicht zerfleddert und viele fische sattgemacht mit seinem ausgemergelten körper ja wie panzerplatten umsonst ein heller klang von den querschlägern wie die ohrfeigen die ihm der VATER verpaßte ganz unverhofft kamen sie zum glück denn da hatte er keine angst daß er sich noch geduckt hätte oder einfach aufgestanden wäre vom küchentisch um den jähzornigen hund mit dem nudelholz totzuschlagen… die harmoniesucht der MUTTER hatte diese adenauerwelt gerettet… ja und da erinnert er den nachmittag als er seine zeitungen ausgetragen hatte sich vor dem kurhaus oben bei einem straßenhändler einige kilo orangen gekauft hatte sie in die leeren satteltaschen stopfte und bei nachbarin frau keller sich in die küche hockte und alle nach und nach aufgegessen hatte.

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Vielleicht vier oder fünf Kilo orangefarbene Orangen auf einmal, wie eine kleine genüßliche Rache war das. Aber Umfallen mit einem schweren Motorrad geht blitzartig und die Reaktion immerhin ebenso schnell. Lustig wie er erzählte, daß der den Schuß nicht mehr gehört hat, den er getötet hat. Der Jäger lacht dabei wie alle erfolgreichen Jäger lachen. Vorwärts, Kameraden, wir müssen zurück! Die Armeen wundern sich immer über den plötzlichen Wintereinbruch, viele längst liebgewonnene Flüchtlinge müssen leider in Zelten schlafen. Ist doch komisch, daß der Winter auch dieses Jahr Einzug hält, bei all den Menschenmassen aus heißen Ländern. Nestea gibt’s ohne Strohhalm lauwarm… Nesquick umsonst – fürs ehrenamtliche KZ-Personal Magermilchpulver.

Die Humoralpathologie hat ziemlich wenig mit dem Humor der Menschen an sich, eher mit dem alternativlosen Genmais zu tun… machdochnichtsoendloslangefuchsbandwurmundüberhauptvielzulangeundunverständlicheSätzediekeinesauverstehtwiebeidemthomasmannneulich…derissdochdoododerwat?undjetztschaltenwirumzurinternationalenbuchmesseinfrankfurtammain…

Hoffentlich haben sich die Amis nicht wieder etwas ausgedacht, etwas, was jeder schon weiß, aber die Nachrichten nur darauf warten, obwohl es längst jeder weiß, weil die doch TTIP-Sachen sonst streng geheim halten, was auch schon jeder längst weiß. Am Eröffnungstag der Automobilmesse kam das mit dem VW-Abgasschwindel… zur diesjährigen Buchmesse hatte die US-Wirtschaft (NSA und GM und CIA und… so viele sind das eigentlich garnicht mehr) das längst ratifizierte Abkommen und EU-Gesetz zur Einführung der Nackstscanner für kritische Agrar-Ingenieurinnen und Bestseller-Autorinnen vorgesehen… wir warten immer noch darauf, aber das weiß ja auch schon jeder. Irgendjemand wird den deutschen Buchpreis bekommen… ein Indonesier wird es nicht sein, das wissen wir nicht, aber Amazon weiß das!… Komisch wird es immer, wenn der Kolonialismus grinsend zurückkommt, wie eine reißende Gummistrippe, die überspannt wird, bis der billigste Kaffeepreis, das letzte Barrel Öl hereinkommt. Intern braucht jede Firma jede Fabrik jemanden, der den Hof fegt, für Toilettenpapier sorgt, den Kaffee kocht… dem Chef gelegentlich einen bläst.

Im Übrigen bin ich der Meinung, daß Nestlé zerstört werden muß!

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Aber PEGIDA ist in diesem Land kein neuer Markenname, kein sonderlich neuer Schnaps, der gerade die besoffen macht, die Politiker Jahrzehnte lang nur träumen ließen, nämlich wie Erwachsene und mündige Menschen zu sein. In mir zieht ein Schmerz sich weinerlich von dannen, ich spüre mein Gewicht und strecke wohlig atmend die Beine in die Luft. Es ist ein heimeliger Garten, den wir alsbald verlieren werden. Nur einen Herbst die Beete nicht bereitet, das Gehölz nicht geschnitten, die Äpfel nicht geerntet, so ist er überwuchert von Gras und noch rabiateren Sorten, die Sträucher wuchern über ihren eigenen Schatten hinweg, der Boden überall erstickt im Matsch der faulenden Früchte… neben der Agrarier-Chemiesteppe. In der Dämmerung verharren, die Bank in der milden Abendsonne, wir sitzen gemeinsam mit frischen Most, ich bin allein in dieser Stimmung, die wie ein kostbar geschliffener Stein sich fortpflanzt ins sieche Alter, und noch ists Zeit, den herbstlich atmenden Garten als Haut zu begreifen, die zärtlich mich umschließt. In der warmen Luft, als wärs ein grüner Dämmer, trifft der Blick auf das verborgenste in meiner Seele: Die Heimat, die Beständigkeit, die mir Erinnerung an Jugend schenkt an diesem lauen Abend. Weggehen?

     es hat mich nicht zu allen Wassern gezogen, zum Beispiel nicht zur Südsee, dem Saum von Palmen, gräßlichen Gewächsen, zu Unrecht als Bäume gelten, den Inseln, belebt von bekränzten Mädhen, hautbraun, zahnweiß, haarschwarz, die jeden umarmen, vor allem amerikanische Präsidenten und solche, die es werden wollen. Ein wirklich stiller Ozean wäre vielleicht eher mein Fall, dort unter einer Taucherglocke sitzen, still wie ein Lot, und horchen –

Wolgang Hildeheimer Masante.

     Niemals denke ich am Abend daran, was ich am nächsten Tag anziehen könnte. Ich mach es mir da ziemlich leicht, ich trage mehr oder weniger täglich das gleiche: so eine Art Arbeitsklamotten, wenn es kühler wird, natürlich mit langer Unterwäsche. Ich machs mir bei solchen Äußerlichkeiten und Denkungsweisen leicht, und dabei sind mir die Leute egal, das geht bei mir nicht anders. Edel ist wieder, wenn einer auf Rente ist und trägt dann Jeans, mit Bauch und Hosenträgern. Das ist wieder edel. Ich hab aber keinen gekannt… (Ulrich Plenzdorf. Natürlich Jeans!).

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Schlaflos in die lange Nacht. – Mit allem Möglichen, nur nicht mit Schlaflosigkeit habe ich zu kämpfen…vielleicht hat sich in seinem langen Leben stetig etwas verändert, und das geschieht langsam aber unaufhaltsam, unbemerklich denkt er, und er hat es nur deshalb noch nicht bemerkt. Seit einigen Jahren hat sich in ihm eine Verhaltensweise durchgesetzt, nämlich Dinge, nicht wie bei den klassischen Ignoranten wider besseres Wissen nicht erkennen zu wollen, aber die Ereignisse in der Welt um sich herum stattdessen irgendwie intellektuell zu ignorieren.

Schlafe ich jetzt? Bin ich noch wach? Ist das eben ein Traum gewesen? Ich bin der, welcher träumt, wie ein Schwimmen fühlt es sich an, das Liegen, das Räkeln in einem ganz besonderen Zustand, dem Schlafen vor dem Schlafen… und so schläft er, das denkt er, aber er denkt bloß, und denkt … wie leer es sich manchmal in diesem dunklen Gehäuse anfühlt, er schwebt wie in einer Sekundengenese und spürt jetzt das eigene Gewicht, wie sich das Polster anpaßt dem veränderten Druck nachgibt, einem Willen sich beugt… seinem Willen, in seiner Vorstellung verwandt mit ihm sind jetzt die Gräser der Steppen und der Geruch von Heu wie in wunderschöne Zöpfe eingerahmt, geflochten links und rechts neben seinem Gesicht Ilona und später Sonja mit dem kurzen dunklen Haar, ihre Stimme schmeckte er, er hörte sie und schmeckte sie zugleich, die Süße in ihrem Mund, der Duft ihrer weißen Haut … am Nacken zieht es kühl, die Blase mit einem angenehmen Druck in den Lenden… neben dem Bett stehend verstärkt sich das Angenehme zum Nützlichen …

Wie Bert Brecht liebt er es sehr, nachts in den Garten zu pinkeln.

Da fingert sich bald erstes Grau durch die halbgeöffneten (geschlossenen?) Jalousien … die frühesten Vögel rühren sich mit zunächst zaghaftem, dann ein wenig ansteckendem Gepiepse und Gesang. Sehr bald wird dieser skizzierende Prolog zum heraufdämmenden Tag beendet. Er wird sich in weniger als einer Stunde als eigentlicher Morgengesang vollständig und fast schrill und laut über den ganzen Garten ergießen.Es ist ein großes Glück, daß er so wenig Schlaf braucht, denn vermutlich schläft er tief,

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kurz und fest. Wie nach einer Wanderpause steif aber erholt und voller Erwartung guter Dinge steht er mitmal im Raum, barfuß auf den kalten Lärchendielen tappend, allein… Füttert er die hungrigen Vögel im Winter weil er sie mag oder weil er sie um ihre Geselligkeit untereinander beneidet?

Draußen im Garten ist es wie von Zauberhand hell geworden. Die grauen Schatten der Nacht haben sich da in sonnendiffuse Kontraste verwischt und dort zeichnen sich härtere Schlagschatten entlang der Remise ab, flackerndes hellblinkendendes Licht wabert unter den gewaltigen Baumkronen umher – na denn bis zum nächsten Mal, was wird er bis zum Abend machen? Die Turmuhr schlägt die Stunde … Süßer Wind weht lind und lau vom Ehrenfriedhofhain… Küster kichern in der Sakristei… er versucht den Text des Liedes zusammenzureimen summt im tranigwohligen Halbschlaf… vergißt Raum und Zeit…

Kühl und frisch weht es leicht vom Fenster her. Von der vorspringenden Dachkante tropft bedächtig der Tau… vom Trauf tropft es, Trauf und Trauung, sich trauen, traurig sein. „Gib ihm Saures!“ er wird vor der Einsamkeit erschrecken, spätestens beim Kaffeekochen wird er sie wieder und wieder bemerken, einmal vor Tausend Jahren den Tagesgeschäften nachgehen, wie schnell vergingen früher die Arbeitstage, er rechnet sich aus, daß es manchmal zwölf bis vierzehn Stunden waren, die er unterwegt war… irgendwo im großen Apfelbaum macht sich der Buntspecht zu schaffen. Der Kleiber hämmert in die Ritzen der hölzernen Wände. Plötzlicher Parfümgeruch, das ist nicht möglich, so scheint es ihm, wie ein  Indianer liegt er auf der Lauer und schnüffelt am Gras der Prärie … Parfüm, es klebt ihm in der Nase und es muß zu jener Frau gehören, die um diese Zeit ihren Hund ausführt. Das sind vielleicht an die zwanzig Meter und sogar um die Hausecke mit dem Holzstapel herum muß dieser Duft wehen… jetzt die Mülltonne, in die er schaut, sie ist fast leer, aber dicke, weiße Maden bewegen sich in einer solchen Menge auf den schwarzen Kunststoffwänden, daß es trotzdem der Geruch ist, der ihm mit einem einzigen Molekül womöglich für vielleicht zwei Stunden in der Nase klebt …wie kann man in einer Sprache denken? Einmal oder wann auch immer hat er auf Englisch geträumt, da gackerte ein Kookaburra dazu, die

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Magpies krächzten klagend…  so dämmert er wieder ein, dieser alte Mann, den er sich gerade betrachtet, wie der als Kind ein zerfleddertes Buch auf dem Speicher fand: Das Naturforscherschiff… Abenteuer in Feuerland … das laute Ticken des alten Weckers, er wird die Radionachrichten zur vollen Stunde verpassen, Brecht wollte sie einmal auch nicht mehr hören, was ja gut in sein Lebenskonzept paßt… wo ist eigentlich diese ewig lange Nacht geblieben? Ist er jetzt steif und müde vom wenigen, vom zu kurzen oder vom allzu langen Schlaf?

Ein Tag folgt dem Tage, eine Nacht folgt der Nacht. Das ist dem grübelnden Geist wie eine flirrende Bewegung aus schwarzen und weißen Streifen… eine sich drehende Schicksalsscheibe wie er sie als Kind vom Jahrmarkt her erinnert … tief drinnen jetzt die Magie der Gedanken, sie sind abgefallen, herausgefallen aus ihm, hinein in eine klirrend kalte Welt des helleren Tages. Einmal noch die Stiefel der Marschkolonnen, die das zerbrochene Glas der Fenster und Spiegel1 zu Splittern zertreten, zu Grus zermahlen, zu feinstem buntigem Flitter, zuletzt auf schlaffe aber rosafarbene Wangen der Huren geblasen… Manche seiner Gedanken sind in ihn eingedrungen wie stählerner Splitter. Sie wandern durch seine dicke Haut und nisten sich für eine gute Weile behaglich ein. Weich in Eiter gebettet ruht das Elementare in einem ihm fremdartigen Körper, dennoch bereit einmal mit ihm erlöst und gemein zu werden.

Ich warte in Dunkelheit. Mein Arm streift über die leere Bettstatt neben mir. Der Arm gehört mir nicht, denke ich, ich spüre ihn auch nicht, ich darf ihn niemals mehr bewegen. Wenn es nur schon etwas heller wäre, so könnte ich ihn vielleicht sehen. Solche Tage kommen unausweichlich, einer nach dem anderen. Wenn ich Gott als Person töten könnte, ich würde ihn vergiften! Mitleid ist hier wirklich fehl am Platz.. Manchmal wäre es nützlich einige Leerzeilen zu machen (…)

Nach diesen Leerzeilen versuchte ich es erneut. Daß es mir immer noch nicht gelingen will, von meinem Innersten etwas und von meiner Phantasie viel ans Licht zu bringen, mag für andere keine wirkliche Bedeutung haben, nur möchte ich nicht eines Tages auf einer Intensivstation nicht mehr aufwachen können, ohne etwas Brauchbares hinterlassen zu haben, nämlich nichts von eben diesen Bedeutungen.                                                                    (19.10.2015)

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Jalousien. – Altmodische Jalousien, die sich dazu noch bewegen, machten sich in diesem Land sofort verdächtig. Das lag einmal daran, daß die Fenster früher weit offen standen, wenn die Regierungspartei mit Fahnen, Standarten, Trommlern und Blasmusik durch die Straßen zog, dann daran, daß heutige Paläste und Trutzburgen verspiegelte Öffnungen haben, tote Augen, in denen allein das ultraspezialisierte Glas alles kann, was früher nur gute Handwerker zu installieren verstanden. Es gibt an den Fenstern heutiger Häuser auch keine Klappläden mehr. Nicht eine diesbezügliche Vorschrift aber viele andere Vorschriften haben ganz sicher auch dazu geführt. Allein wegen der Internklimaregulierungsvorschrift können Fenster nicht mehr geöffnet werden, alles soll so bleiben wie es ist.

    Da muß jemand wohnen. Mitten in der Stadt. Selbstvergessen hangen die Jalousien um das erleuchtete Fenster. Jalousien, Jalousien wirken oft ältlich. Oder hämisch oder herablassend. Dann wieder blinzeln sie oder überbieten sich in spöttischer Steifheit oder sehen sehr zornig oder verkniffen aus. Selbstvergessen wie diese hier, haben sie etwas sinnend Trauriges. Immer haben Jalousien etwas Totenhaftes. Nachts, wenn sie sich von den eigenen Händen zögernd bewegt zusammenfügen, lautlos, schwarz im Dunkeln, schließen sie sich wie Sargdeckel über dir. Wenn man sich niederlegt, um zu schlafen, es ist ein ganz helles, leichtsinniges Streben, noch mit größer werdenden Augen trinkt man das eigene Lachen in sich hinein. Wie man da so die Läden schließt.

(   ) Jalousien sollten bei Demonstrationen verboten sein. Besonders geschlossene. Die sind einfach eine blanke Provokation. Wie soll man herrlich überzeugt in einen Sprechchor einstimmen, wenn nur dreißig Meter über dem eigenen Kopf geschlossene Jalousien hangen, jeden Ruf abprallend, undurchsichtig, dich in Zweifel stürzend mit ihrem arroganten Unbeteiligtsein, mit diesem kleinen nahen, auf einmal so wichtig werdenden Raum, den sie dir vorenthalten. Gertrud Leutenegger Vorabend.

Gibt es jetzt nur noch zwei Arten des Besitzentzugs? Ja. Was dort weggenommen wird, das kommt woanders hin. Was unten fehlt kommt oben an. Viele haben mit wenig und wenige haben mit viel

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zu tun. Beginnend mit ihrer weiteren Aufzählung: Organisierter Besitzentzug? Vermögenszuordnungsgesetz (sic) und Armenküchen. Die Eigentümerversammlung und das Arbeitsgericht. Die Mieterhöhung und der Mindestlohn. Der Zusammenhang von Krankenkassenbeiträgen und Zuckerkonsum. Vogelstimmenimitatoren kurz vor Wahlen auf öffentlichen Plätzen, Claqueure auf kantigen Betonfundamenten ehemaliger Parlaments-Tribünen, vor Gipfeltreffen und Staatsbesuchen plattgewalzt (sic). Himmlischer Frieden, Oktoberfest. Bolognabombenfestival und Falklandvotzen-Kreuzritter, alles ist lächerliches Spiel der Götter. Schleich-Ritter demonstrieren gegen Säkularisierung – für hohe Bischofsgehälter.

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Gegen das Vergessen. – Unsere Politiker verneigen sich weiterhin vor täuschend echten Perücken und falschen Bärten, vor offensichtlich inaugurierten, vor den geschmacklos karierten und zugleich gestreiften Diktatoren, sie nehmen mitten im Winter Millionen Kriegsflüchtlinge in ungeheizten Zelten auf und hoffen dabei, daß sich das Blatt endgültig gegen die übrig gebliebenen freiheitlichen Gesinnungen wendet. Die Hochstimmung im Land nähert sich dem Pegelstand 33 ü.N.N. … Ihre Rede ist immer maßlos und erinnert an den ewigen Wahlkampf der einzig herrschenden Partei über eine infantile Masse. Sie drohen hier mit dem möglichen Entzug des Wohlstandes und lassen dort den alternativlosen Export der Maschinengewehre und Nähmaschinen zu. Sie übertreiben es endlich mit rigoroser Angstmacherei! Und das nicht nur zur Weihnachtszeit, alljährlich feierlich inszeniert: Die FriedensAPOstel dürfen sprechen! Begnügen wir uns mit der Hoffnung, daß es ohne Atombomben geht? Der Krieg in Vietnam, geführt und verloren von unserer Schutzmacht, hat im Einsatz von Vernichtungswaffen den letzten Weltkrieg übertroffen – ohne Atombombe – und zudem wiederholt, was seit Nürnberg als Kriegsverbrechen definiert ist. (…) Wer heute von Frieden redet (…) spricht von einer Utopie, und dasselbe gilt für die Freiheit, ohne die (…) kein Friede ist.1  Wir erinnern uns: es war die Zeit des Aufbruchs. Es ging über den Generationenkonflikt hinaus. Eltern waren schuldig, sie schämten sich. Ohrfeigen, Stubenarrest, Gummiknüppel, Wasserwerfer, zuletzt Berufsverbote. Die SPD hat daraus NICHTS gelernt.Und wir?

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Wovor sollten wir also Angst haben? Daß es gelungen ist, sogar die Jugend, einen großen Teil der Jugend in die Resignation zu zwingen, ist kein Triumph der Demokratie. Die hektische Suche nach dem Verfassungsfeind lenkt von der reaktionären Politik des Staates ab, die sich selber für verfassungstreu hält, einer Profit-Konkurrenz-Gesellschaft mit demokratischem Vokabular. Eine Gesellschaft ohne Herrschaft von Menschen über Menschen oder die Utopie einer Ehe ohne Unterwerfung, weshalb? Die Utopie von einer brüderlichen Gesellschaft, wozu? von der zu Zeiten auch Heinrich Böll gelackmeiert wurde (vgl. seine –letzte– Rede zur Woche der Brüderlichkeit), wird von einem undurchdringbaren, scheinbar verfassungskonformen Filz lukrativer Parteylichkeiten überdeckt. Die Seligkeit im Kierkegaardschen Sinn, auch nur einer der frommen Wünsche, darauf weist uns Frisch in seiner Rede hin, daß uns das allerschwerste gelänge, nämlich, daß wir uns selbst wählen und dadurch in den Zustand der (transzendentalen) Freiheit kommen.

  Wir dürfen nicht vergessen, eine Macht ohne Autorität nutzt nicht nur ihre gewalttätigen Institutionen sondern auch die Arroganz der wörtlichen Rede … die Verkündung etwa: Sozialismus (den es noch gar nicht gibt) gehöre der Steinzeit an (…),. um nicht zugeben zu müssen, daß sie keine Alternative dazu hat, eben zu verkünden, das momentan herrschende Krisen-Management der Welt müsse so bleiben, wie es ist. Da keine Herrschaft je eingestehen wird, daß sie eine Armee auch braucht, um sie unter Umständen gegen die eigene Bevölkerung einzusetzen, ist sie zwecks Tarnung dieser Armee-Funktion gezwungen zu einer Rüstung, die das Vaterland vor aller Welt zu schützen verspricht;also durch diese Rüstung wiederum gezwungen zur Pflege des Feindbildes, das solchen Kostenaufwand und Verschleiß rechtfertigt (…)

Die wissenschaftliche Friedensforschung kalkuliert das Risiko einer solchen Terrorpolitik! (…) Eine friedensfähige Gesellschaft wäre eine Gesellschaft, die ohne Feindbilder auskommt. (…)

Die Frage nach unserem politischen Umgang mit der Hoffnung auf Frieden ist eine radikale Frage. Der Glaube an eine Möglichkeit des Friedens (und also des Überlebens der Menschen) ist ein revolutionärer Glaube. Mein stummer Glaube geht solchen verlorenen Illusionen voraus, er ist der an die erstickte, obgleich sehr große, energische Wut!

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Blick aus dem Fenster. – Die Verzweiflung der Menschen ist von hier oben nicht zu erkennen… Wieder die uralte Erinnerung an Siena: Der schweißnasse Leib im streifigen Licht des hohen Fensterladens, durch den ich auf den kleinen Platz vor dem Haus luge… ihr Leib da drüben auf dem Bett gehört mir nicht mehr, das ist jetzt wie bei einem geplatzter Beutel, hoch zu Roß, die Geld-stücke verschwinden im Schlamm der Landstraße… hör, sieh doch wie sie sinnlich am Wein schlürft, ihr Haar aufschüttelt und zum Laken greift, um ihre großen Brüste ein wenig nur zu bedecken… mir die Lust neu zu entfachen, das ist ihr ins Gesicht geschrieben, aber unten auf der Straße findet das andere Leben statt, und gleich weiß ich doch, daß womöglich jeder da unten einmal an solch einem Fenster stand… befriedigt aus der Lust tief atmend, nichts ist dabei trivial während es uns geschieht – im Dämmer einer sicheren Heimstatt. Der Abstand vom Bett ist gerade breit genug, um zwischen der ockerfarbenen Wand und dem Polster an der Seite des Fensters zu verharren. Ein Fuß berührt dabei einen ihrer festen Schnürschuhe, wenig damenhaft erscheint der jetzt zu diesem Anlaß, und ich stelle mit gerade vor, wie sie mit ihren Freundinnen am Spielfeldrand auf der flachen Tribüne ihre Arme in die Luft reißt… auf dem stramm gepannten T-Shirt der Name der High-School, der Universität. Hi, Brenda aus Boston, Massachusetts, scheiß weit ist sie von zu Hause weg, ich wäre in zwei Tagen bis Berlin zurückgetrampt wenn ich das nur gewollt hätte… aus dem tiefdunklen Schatten der Kirche löst sich langsam der Körper eines fleckigen Hundes, vorsichtig umschleicht dieser den äußeren Tisch der Trattoria… wenn er sich jetzt nicht ein wenig beeilt, werden die überall herumstolzierenden Tauben schneller sein das Bröckchen vom Keks zu erwischen, das einer rothaarigen amerikanischen, doch eher britischen TOURISTIN beim Öffnen der winzigen Verpackung heruntergefallen ist… Manchmal muß man sich von den Dingen entfernen, ein Meer dazwischen legen, um die Dinge aus der Nähe zu sehen.1 Ich drücke den quietschenden Laden etwas nach außen, öffne ihn dabei nur leicht, noch mehr schwülwarme toskanische Luft wabert herein. Ich wende mich ab. Ein kalter Schauer rieselt mir über den Rücken. Ich schalte den vibrierenden Ventilator vor dem Bett um eine Stufe zurück.

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Sehnsucht nach Berlin. – Zu weit entfernt habe ich mich von meinen Träumen, wenn es denn jemals eigene Träume waren, eher war es doch das nach und nach stattfindende Leben, so wie es sich mir nun einmal darbot und ich es annahm… ich es verweigerte. Das Licht nahm kontinuierlich ab, habe ich jemals dieses Wort kontinuierlich benutzt? Mir kommt es vor, als sei ich gerade neu geboren, was also bloß ein spontaner Gedanke ist. Das reizt zum Lachen. Immer wenn es um die Wurst geht möchte man lieber lachen; das können doch nur die Götter bewirken, diese Idiotie der logischen Wahrnehmungen, die sich multiplizieren oder im Kelter zerquetscht werden. Vielleicht auch eine Frage der Jahreszeiten.

Im Sommer, wenn die Chausseebäume vor den Markisen dunkelgrün sind und die sommerlichen Motorradfahrer Sehnsucht erwecken, wonach? Nach Berlin. Und dann wiederum, Sehnsucht, aus Berlin im Sommer rauszukommen; das widerspricht sich nicht, wenn man Berlin kennt.1) Hinuntersacken in eine unspezifische Erinnerung an die langen Jahre in Berlin, und weil ich noch so jung war, erscheinen sie mir heute als vollgepackt mit ganz wichtigen Stimmungen, Sachen, Soliditäten… Ich werde einmal sterben, und horchen daraufhin, und es bedeutet gar nichts. Wir sagen:So gewiß wie das Schwein im Schlachthof werde ich sterben, ganz si-cher, es ist schon alles vorbereitet, oder wie das Huhn auf dem Hühnerhof. Löst das etwas aus? Allenfalls eine Leere im Hirn, keine Angst, gar nichts (Augustin 1976). Trakl-Gedichte endlich!

Im Verhältnis zum Schmerz erfolgt die sinnliche Betäubung. Jede Nacht wird zum Examen des Überlebens … gefährlicher, man liegt schlecht zugedeckt im Bett und träumt: Man schläft und friert, man weiß, daß es nur ein Traum ist und wacht deshalb nicht auf. Das sind die allergefährlichsten Träume, die sich so anlegen, daß beides erklärt wird, die Kälte und der Traum noch dazu, so kann man erfrieren. AberPolarforscher bin ich in dieser Stadt dann doch nicht geworden. Aber immer wenn mir das Massenmedium die abgetauten Gletscher vorführt, mit unerträglichem Dillentantismus das schwindende Periglazial beschwört, der ansteigende Spiegel des Meeres das Traumschiff mobilisiert, so erinnere ich den ollen Berliner-Kachelofen, der vier oder fünf Briketts am Tage brauchte, um uns im Winter eine warme Bude zu machen.

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Was wird der liebe Gott dazu sagen? 1)– Was mit einem deftigen Fluch beginnt könnte vielleicht in einer stillschweigenden Versöhnung enden. Meiner Familie könnte ich hinsichtlich der Verseu-chung meines Verstandes keine Schuld geben. In ihr wurde nicht gebetet und wirklich nicht missioniert. Abgesehen von der haarsträubenden Pädagogik der Adenauerzeit hat bloß ein vernünftiges Mindestmaß moralischer Erziehung auf mich gewirkt, wie es die opportunen Protestanten im zuletzt preußischen Nassau, besonders im armen Untertaunus, gewöhnlich taten.

    „Zur Kirche gehe ich ja nie, aber richtig beerdigt will ich schon werden“, sagte einmal die Mutter.

    „Habt ihr wirklich bloß dafür euer ganzes Leben diese ver-dammte Kirchensteuer gezahlt?“

    „Na ja, so viel war das ja nicht.“

    „Immerhin waren es zehn Prozent eurer Lohnsteuer. Ich hätte das in den sechziger Jahren sehr gern als Taschengeld gehabt…“

Was wird der liebe Gott dazu sagen? Manchmal versuche ich mir vorzustellen ich wäre ein ganz anderer Mensch und dazu noch katholisch erzogen worden. Mit diesem Versuch komme ich meist nicht sehr weit. Vielleicht fehlt mir die abstrakte Phantasie zur bloßen Vorstellung ich wäre in einer Welt voller unglaublicher Wunder und weihrauchgeschwängerter Rituale aufgewachsen.

Stattdessen habe ich das Gefühl garnicht erzogen worden zu sein. In meiner Kindheit hat sich aller Religiöse nur als eine weitere der spannenden Geschichten angefühlt, die sich also nicht viel von den anderen unterschied. Mir kam zustatten, daß ich für mein Alter recht viel und möglichst alles las. Auf diese Weise vermischten sich Brot-in-Wein-Legenden mit dem Dasein des Robinson Crusoe, lehrreiche Briefe des Apostel Paulus an die Philipper konnte ich mit Klaus Störtebeker kompensieren. Als ich älter und mir gar Martin Bultmann ein Begriff wurde, habe ich gleich darauf Maschinengewehrschießen gelernt und mich danach niemals mehr mit dem Kristentum beschäftigen wollen. In Wirklichkeit ist das wie bei dem Jäger, der sagt, er wolle nie mehr Jagen gehen, sich sein Fleisch hinfort im Supermarkt kaufen, und er dann bei jedem Knacken im Gebüsch bei jeder Fährte im Gras diesen besonderen Blick bekommt, das ist der lauernde Blick, mit leicht zugekniffenen Augen,

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mit dem wir bloß Geahntes fokusieren, ein neurovegetatives Zucken, ein adrenalingepushter Reflex voller Anspannung, mit dem wir den Griff des Messers, den Schaft des Speeres fester fassen, wir uns leicht ducken, gar langsam in die Hocke gehen, lauschen in der vibrierenden Stille hinein, wie in einer leise beginnenden Overtüre mit allen Nerven verharrend…. den Kopf nur langsam bewegend wie in einer behutsamen, sich selbst tarnenden Bewegung, wenn auch ungewollt, so plötzlich erinnert sich das instinktive Verhalten, ja sogar des längst abstinenten Jägers.

        Ja, wenn die Kröten Schwänze hätten, wären sie eben

       keine Kröten mehr! Engels. Zur Wohnungsfrage.

Ich wollte jenen idiotischen Camouflage-Philosophien wegen ihrer unverzeihlichen Makel ausweichen, sie nicht mehr beachten, sie wie die momentane Form einer Küste akzeptieren, und dennoch bin ich gehalten meine unterdrückte Abscheu, die unveröffentlichten Blasphemien in zwei verschiedenen Aktenordnern zu führen. Es werden Prozeßakten das ist klar, alles erinnert an unvorstellbar grausame und ungesühnte Verbrechen. In diesen magischen Momenten bin ich einem Fritz Bauer sehr nah, der, wenn er sein Frankfurter Büro verließ, nach seinen eigenen Worten das Feindesland betrat.

Gottesglaube muß einem Menschen heimlich eingeträufelt, mit Angst quasi eingeprügelt, mit Verhören im Beichtstuhl eingeimpft werden, oder die kristliche Moral kann einem in abgeschlossenen phantasievollen Fabeln zugute kommen, wo‘s Gute zuletzt siegt und der benutzte Verstand dazu eine eigene Meinung haben darf. Beides, die heilige Jungfrauengeburt oder die Entmythologisierung der unbefleckten Empfängnis, wären bei einem vernünftigen Erwachsenen hochgradig der Lächerlichkeit preisgegeben. Nur sind diese Theater, in denen solche Komödien, Epen und Dramen aufgeführt werden dürfen im abendländischen Kalkül immer noch nicht wirklich vorgesehen. Stern-TV, Heute-Show oder pseudo akute die Hirne weichspülende Dauertalks sind einfach kein Ersatz für den Hokuspokus der Liturgien. Wenn es drauf ankommt, bleibt der Katholik ein Katholik. Eine Religion ist eine Religion, eine Religion. Müßig zu sagen, daß andere Konfessionen zu ähnlichen Konfektionsgrößen geraten, wenn der nachbarrechtliche Rahmen

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offiziell abgesteckt werden muß… In der ganzen Welt wird geheiratet, was immer das Zeug hält.

Durch den alltäglichen Anblick wird der Bürger an aufgerissene Krokodilrachen und riesige Haifischzähne gewöhnt. Die widerwärtigsten Zeitgenossen bekreuzigen sich, bedanken sich für die heimliche dritte Million mit Handschlag, und plötzlich beißt ein harmloser Hund bösartig zu, was er Zeit seines Lebens niemals gemacht hat, der Tumor im Kopf ist ihm nämlich ganz heimlich gewachsen… Dann wird bestraft! Entschuldigungen sind selten!

Was kristliche Liturgien immer bezwecken (gibt es noch andere?), die schmerzfreie Kastration des Verstandes, das sich fügen in ein dumpf klingendes Schicksal, Vermeidung der heiligen Penetration, eine pneumatische Industriepresse wird zur Gefühlsgewalt, welche im Schlaf Träumende mit einem schimmelfleckigen, uralten aber wunderschön mit Goldbrokat bestickten Kissen gnadenlos erstickt.

    Zum Lebensende hin stellt es sich womöglich heraus, was ich in meinem langen Leben tatsächlich gelernt habe. Habe ich neben vielen anderen Sinndeutungen auf die alten Philosophen gehört, so habe ich einige Jahrzehnte lang mein eigenes Sterben erlernen können, wenn ich denn gelegentlich altertümlich philosophiert habe. Aber: Wie schaffe ich mich aus der Welt? In dem Sinne freilich, in welchem der Mensch bei der Zeugung aus nichts entsteht, wird er durch den Tod zu nichts. Schopenhauer bemerkt sogleich, daß alle Eigenschaften der Eltern sich im Erzeugten wiederfinden, also den Tod (zunächst einmal) überstanden haben1). Dieses Dilemma, so es denn für mich eines ist, pflanze ich, ganz wie meinen Anteil an Eigenschaften, in natürlichster Weise an all meine Kinder fort. Ist alles das, was wir kennen immer so gewesen oder hat sich in der zivilisatorischen Entwicklung des aggressiven Abendlandes etwas wesentliches getan? Hat sich am sauren Geruch der Kotze bepißter Vorredner etwas verändert? Ja, die einstige öffentliche Fortbildung ist längst zur Rückbildung des völkischen Geistes geraten. Und was die Volkshochschulen betrifft, sie sind hin- und hergerissen zwischen den Seminarinhalten: „Deutsch für Ausländer“ oder „Wie schütze ich Eigentum vor Vandalismus – Waffenscheinfreie Schutzvorrichtungen.“ Praktiker macht pleite! Hobbyhandwerker am Scheideweg. Der liebe Gott macht mikrophongerechte Mundbewegungen, aber man hört ihn nicht.

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Muster der Sehnsucht. – Die Triebe des Menschen, die elementaren Grundbedürfnisse und ihre Befriedigung erlangen ihre existentielle Bedeutung durch ihre direkte Abhängigkeit von der Natur und die in der unmittelbaren Umwelt auffindbaren Möglichkeiten zur Bedürfnisbefriedigung. Spätestens in Richtung der zusätzlichen Ausbildung von Kulturbedürfnissen, die den Existenz- und Luxusbedürfnissen aufgesattelt sind, gerät bei der Ausübung von Macht meist auch der nötige Blick auf die Dringlichkeiten ausreichender menschlichern Existenzbedingungen abhanden. So mündet heute die Technikanwendung, die Wissenschaft, der soziale Fortschritt, die einstigen gesellschaftlichen Errungenschaften in eine erschreckend einseitige, primitive Selbstlieberalisierung (sic) des wirtschaftlichen und politischen Lebens, heute sich nur selbst gleichend (was gibt‘s schlimmeres), und das auf der ganzen Erde. Jedwede Heimlichkeit steht unter Beobachtung, wird filtriert und einem Höheren dienlich gemacht.

    Die „Philosophie de la Misère“. – Sind Grundbedürfnisse nur wenig veränderbar und deshalb zugleich triebhaftes Verlangen?

Bin ich wie ein viehisches Wesen wenn ich zum Beispiel inmitten der lebensfeindlichen Wüste der Großstädte nach einer Wohnung Ausschau halte, die ich von meinem Einkommen bezahlen kann? Warum kommt es auf dem Markt immer wieder zu einer vorhersehbaren, ja herbeigeführten Verknappung von Wohnraum, nicht aber von Aktien, Derivaten und Kapitalanlagen überhaupt? Warum z. B. verschwinden unvorstellbare Summen in einem schnell zu verschrottenden Waffenarsenal, in exportierter Rüstung und gigantischer Korruption? „Was der Lohnarbeiter gegenüber dem Kapitalisten, das ist der Mieter gegenüber dem Hausbesitzer.“ [376]

    Wenn es einmal ums Wohnen geht, so geht es eigentlich um den ganzen Menschen, der entweder viel oder wenig wert ist. Weshalb gibt es dann eine Sehnsucht nach Unsichtbarkeit? „In allen nur denkbaren Lagen weiß er [der gläubige Bibelleser] sich vom leben digen Gott beobachtet und in seinem Denken, Reden und Tun

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[Anmerkung 376] Engels 1974: Zur Wohnungsfrage. Hier insbes. Zweiter Abschnitt: Wie die Bougeoisie die Wohnungsfrage löst. (S. 546 ff.) Anmerkung in: „Zur Wohnungsfrage“, einer seinerzeit im „Volksstaat“ anonym erschienenen Artikelserie.

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durchschaut . . . Die Worte, die ihm auf der Zunge liegen, ja die Gedanken, die noch ferne sind, die ihm selber noch nicht einmal zum Bewußtsein gekommen sind, – Gott kennt sie.“ (Moser 1976). Die stillschweigend Bereitschaft der meisten Menschen ihre totale Überwachung durch optimierte IK-Technologien der Wirtschaft und staatlicher Geheimdienste zu akzeptieren, ja durch das eigene Verhalten in fast süchtiger Abhängigkeit sich vollkommen zu offenbaren, ist eindeutig pathogen und entwicklungsgeschichtlich einmalig, denn modern eingeübte psychopathische Tradition übertrifft unterwürfiges Verhalten gemäß der Natur. Die klassische Herrschaftszivilisation (Staat, Kirche, Militär) wird scheinbar abgelöst, verwandelt sich als Macht der Wirtschaft und des Geldes wieder in eine Totalherrschaft von Leittieren. Die Kaschierung erfolgt über Demokratieversprechen, als etablierte (quasi monotheistische) Religion. Überall ein allwissendee Gott, der schrecklich bestraft, und trotzdem ewiges Leben sogar ein Paradies verspricht. „Verlaß dich auf den Herrn von ganzem Herzen, und verlaß dich nicht auf deinen Verstand…“ (Sprüche Salomos, III,5/6).

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Eine Familie von Bilderstürmern I. – Tödliches Asbestberührt die gleichen Generationen, die daran verdienten, weithin daran verdienen und die heute noch daran sterben. In der Bauunternehmerfamilie K. in Offenbach hat der Vater seinerzeit massenhaft bereits in Verruf geratenes Asbest in seine Bauwerke eingebaut, obwohl die krebserrengende Wirkung (Asbestose) seit Jahrzehnten längst bekannt war, Asbest, welches sein Sohn W. (Resorg GmbH) heute entsorgt und hinwegsaniert, die tödlichen Sünden profitabel generiert und reinwäscht. So könnte der Sohn eines SS-Mannes eine Reisegruppe ins polnische Bialistok führen, in den Kessel von Smolensk, sein Enkel einige der überlebenden Veteranen von Tscherkassy in die Ukraine begleiten. Schon immer wurden in kleinen und großen Kriegen Gebäude und Kunstwerke zerstört, die Bombardierungen eines Harris, dem Perfektionisten des Feuersturms, bleiben legendär und einmalig, dennoch: was ist mit den Toten? Liebfrauenkirche da, Elbphilharmonie dort. Tausende pulverisierter buddhistischer Tempel da, Millionen  Bodycounts dort. Wo? Alles hat mit allem und nichts zu tun. Die Deutsche Eiche ist weniger deutsch als das Lindenholz des Tilman Riemenschneider.

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Zugleich Böll‘s Billard um halbzehn. Die katholische Abtei Sankt Anton, vom Vater erbaut, vom Sohn gesprengt, vom Enkel restauriert. Die Adenauerzeit bedeutet nicht nur verbürgte Zeit des Wirtschaftswunders, sondern die konsequente gesamtgesellschaftliche Fortsetzung unseres nazifaschistischen Kapitalismus. Die Huritänze ums goldene Kalb begleitet von Swingmusik und ihrer sinnlichen amerikanischen D-Mark als Bananenröckchen.

Das heuchlerische Lamento über die „Zerstörung unwiderbringlicher Kunstschätze“ wird bei Böll bereits früh in den Fokus der menschlichen Werteskala gerückt: Ein Gezetere wie zuletzt über die mutwillige Zerstörung archäologischer Kunstschätze durch islamistische Terroristen (erst Taliban in Afghanistan, dann Islamischer Staat (IS) Irak, Syrien in den Jahren 2014 ff.) soll in den westlichen Medien vom Leiden der Menschen aus Fleisch und Blut ablenken, zugleich die Akzeptanz irrationale Außenpolitik, die Bereitschaft für Konflikt- und Kriegsförderung und den Waffenexport erhöhen und Antipathien fördern. So werden nur selten die unmittelbaren Zusammenhänge von Hunger, Flüchtlingselend und Völkermord mit der rigiden abendländisch-russischen Wirtschaftspolitik in den Monopol-Medien zugelassen.

Mit Wehmut und Trauer lamentieren über das Schicksal abendländischer Kunstschätze, die dem alliierten Bombenhagel und den Sprengtrupps der Wehrmacht zum Opfer gefallen sind, so wird die Gleichgültigkeit gegenüber dem schrecklichen Tod von vielen Millionen Menschen immer wieder neu erfunden und kaschiert. Die Geringschätzung der verlogenen Beweihräucherungen von dem, was von Festrednern und Intellektuellen im Postnazi-Deutschland „Kultur“ bezeichnet wird, die Freiheit der Demokratie im Kapitalismus, ist allen Lieblingsschriftstellern ab meiner Jugendzeit bis heute gemein gewesen. „Kultur, wenn du mir sagen kannst, was das ist – nein, ich interessiere mich nicht dafür.“ Heinrich Böll. Und sagte kein einziges Wort.

Im Übrigen bin ich der Meinung, daß Nestlé zerstört werden muß!

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Die Trauer-Traube am Grab des altmodischen Humanismus. – In einer der der speckigen Bauchfalten des grinsenden Buddhas

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verborgen. Die Legenden vom Umweltschutz, vom ökologischen Umbau der Wirtschaftsgesellschaft, von der Verwirklichung der Menschenrechte, vom Kampf gegen den Welthunger – alles das nicht vergessen aber zur Statistik geschönt – stattdessen der fortwährende EWIGE KAMPF mit Waffengewalt für einen natürlichen Frieden in all den künstlichen Konfliktarealen.

Wie im wahren Leben wirken sich Knautschzonen zwischen den Kleinwagen der Fellachen und den angesagten SUV-Panzer-Limousinen der impotenten Mittelschicht sehr unterschiedlich aus.

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Die Natur ist verschwenderisch. – Die Natur ist verschwenderisch in ihrer Fülle, in ihrem unsagbar langen Zeitverläufen, und wie gering achtet der zivilisierte Mensch eine ähnliche Verschwendung bei seinem eigenen Leben. Die jeweilig modernste intellektuelle Elite der Klassengesellschaft handelt, redet und schweigt immer im höheren Auftrag. Verschweigt uns, dem aufsässigen niederen Volke, wenn auch mühsam, den vordergründigen Sinn des Lebens: Muße und Kreativität, die Nichtsnutzigkeit des Genies, das Schöne und die Phantasie, der künstlerische Fleiß und die Triebe, sie gelten einer Kultur nur dann als lobenswert, wenn sie gottgefällig, nützlich und vor allem billig unterwürfig, zumindest leicht korrumpierbar daherkommen. Der Unterschied zwischen dem Vorgang der Bestechung und dem der Korruption wird zum staatlichen Geheimnis erhoben und erscheint juristisch geschulten parlamentarischen Wichten wie eine mathematische Formelsammlung zur Strukturierung einer US-Kompradoren- & Bananenrepublik.

Ein paar müßige Zeilen1) Nie haben wir weniger Schaden angerichtet als damals,/da wir uns an langen Nachmittagen langsam betranken,/und waren nie harmloser, es sei denn im Schlaf,/als an den Tagen, die wir mit wirren Palavern verbrachten;/schon am Abend vergaßen wir alles, was wir gesagt hatten./Ja, das war sagenhaft, wie wir tagelang dasaßen,/üppig und vor lauter Selbstlosigkeit faul, und sahen zu,/wie das, was uns gegeben war, verschwenderisch sanft/verschwand.   Hans Magnus Enzensberger

Ja, man sollte sich verschwenden wenn der große Wurf nicht gelingt: Gefährten meiner schlechten Tage/ Ich wünsche euch eine gute Nacht/ Und gehe./ Die Einnahmen waren schlecht […] 2)

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Eine Familie von Bilderstürmern II. – Ein selbst erwanderter Stimmungsbericht aus den germanischen Sümpfen bleibt wegen der mühsamen Fortbewegung darin lückenhaft… (erstens) die Willkommenslager hinter den teutschen Grenzzäunen halten weder Zigeuner noch Vandalen ab, im Gegenteil… wenn sich jemand mit Flucht und Vertreibung, Emigration und Rufmord auskennt, so sind das Walter Mehring und Konsorten. Die Lostrommeln abendländischer Lotterien ausschütten, dem Wind die Arbeit überlassen, blutiges Schwert und gelbes Hurenkleid, die Präsidentschaft wird weiterhin bewährten Männern übernommen, Ausnahmen bestätigen die monatlichen Regeln, lebenslange Bewährung im Sinne der Staatsanwaltschaften, das soll eine Strafe Gottes sein? Dem Erfinder droht ein Hungerlohn, das ist der Unterschied zwischen Papst und Fabrikant zwischen Bettelmönch und Milliardär. Willst du Hammer oder Amboß sein?

    „Angesehen die wunderbare Veränderung und Abwechslung der Königreich und Keyserthump, von Assiriern und Chaldeern zu den Meden, von den Meden zu den Persen, von diesen zu den Macedoniern und Griechen, von Macedonien auff die Römer, von Römern wieder auff die Griechen, von Griechen zu den Teutschen Francken und Franck-Teutschen: nun vom Herrn zum Knecht, nun vom Knecht zum Herrn: nun von Weibern auff die Mann, nun von Mannen auff die Weiber; daß ich jetzt des Türken geschweige, und heute den Portugaleser in Indien, der Indianer in Mohren, der Moraner in Spanien, der Spanier in Italien, der Italiener in Franckreich, der Juden untern Christen, der Schotten in Preußen, der Franzose in Teutschland, der Teutschen in Moscau, der Moscowiter in Polen, der Pole in Ungarn, der Ungarn in Türckei, der Türken in der Christenheit, der Christen in der Türkei:

    (zweitens) Also kugelts im Kreisz herumbh, wie solt es nicht Kegel geben! Ja, daß ich geschweig des Verreisens, Migrierens, Verruckens und Auffbrechens etwan gantzer Länder und Völcker. Darvon gantze Postillen von Noe Kasten aus vorhanden: der Goten, Langparten, Nortmannen, Saracenen, Marckmannen, Wenden, Slaven, Rugen, Walen, die untereinander gehurmauset haben, wie ein Hafen von Beelzebub-Mucken …“      Johanns Fischart „Geschichtsklitterung“, Anno 1571

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Besuch in einem fremden Land. – Wir müssen stolz auf unsere Familie sein, bitteschön, eine Vermischung findet nicht statt, die Traditionen leiten sich direkt von der berühmten Streuobstwiese ab: wie bitte? Das ist eine Metapher, in der das saubere Apfelobst direkt vom Baum gepflückt, das schmutzige aber vom Boden aufgelesen wird. Beim Schütteln?

    Beim Schütteln wird vom Boden aufgelesen, da wird gerafft, wie bei der Bank, wo sauberes Geld in schmutziges verwandelt wird. Immer mehr Nazis! Was ist dann NSU?

    Riecht man das nicht? Wenn es beginnt zu faulen, wenn es gärt, und dann wird der Alkohol auch noch teuer verkauft. Der Kommunismus ist wie alle anderen Traditionen unserer Familien zur lächerlichen Erinnerung geworden, Befehl und Gehorsam, Gottesfurcht, die Preußische Pferdedecke die heimliche Philosophie der Rüstungsprofiteure: Kurz vor dem Ableben Wilhelms des Großen besuchte der Eiserne Kanzler noch einmal seine alte Schule. Er schüttelte ein paar windschiefen Paukern die Hand und faßte Armin unters Kinn:

    „Wie heißt du, mein Junge?“

    „Müller, Herr Reichskanzler!“

    „Ein bekannter Name!“ sagte der Kanzler.

    Armin begriff nicht, warum die anderen lachten. Mit hochroten Backen lief er von der Schule nach Hause, um atemlos von Bismarcks Lob der Müller zu berichten.(Mehring 1979, 211)

    Die geweissagte strahlende Zukunft? Klirrendes Blech… zitternde Erwartung… hohe öffentliche Gebühren für die Bewältigung der Angst… Ich aber meine: In der eingeprügelten Autoritätsgläubigkeit, in der nicht weniger erzwungenen Gottesfurcht etwas Gutes zu sehen, das grenzt nicht nur an inszenierte Idiotie, das ist die exakte Voraussetzung für die allgemeine Verbreitung unendlicher Dummheit, des Schwachsinns, für den Job von Irrenärzten.

In deiner Geburtsstadt bist du allein gewesen . – Wie Hermann Lenz, Bertolt Brecht, so erging es ganz ähnlich vielen anderen, ihre Geburtstädte haben ihren eigenen Berühmtheiten nicht sonderlich gedankt. So wird der zumindest historisch zweideutige Karlspreis der Stadt Aachen immerzu an Auswärtige verliehen – ein Preis, für was eigentlich? Für die Verhinderung des

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Atomkrieges wohl nicht, eher für die Teilung und die Verhinderung der deutschen Wiedervereinigung über vierzig Jahre hinweg.

Im Übrigen bin ich der Meinung, daß Nestlé zerstört werden muß!

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Zuwanderungen. – Wir bekommen täglich Besuch aus dem orientalischen Süden, wärmeliebende Pflanzen und ängstliche Tiere wandern am Tag und in der Nacht über den äußersten Rand des Abendlandes, flugs über die Grenzen unserer Heimat, und allein das sich ändernde Klima ist daran schuld. Wir können dagegen machen, was wir wollen, wir bekommen immer mehr Besuch aus dem Süden – ob wir wollen oder nicht! Ein einheimischer Produzent modernster Automobile, die seit Jahrzehnten der allgemeinen Fortbewegung dienen, hat heuer festgestellt, daß bereits härteres Aufblasen der Pneus und die Verwendung von einfachem Diesel als Motorenschmieröl einiges verbotener Schadstoffe verhindert. So bekommen wir endlich die Zuwanderung in den Griff, die Motoren müssen das eine Weile noch aushalten. Falls mal ein Motor vorzeitig schlapp macht, ist das neueste Palliativgesetz verabschiedet, denn unnötig leiden soll niemand in unserem Land.

    Die Zeiten der Zugvögel beschrieben einst den kommenden und den gehenden Winter. Vorbei die Zeiten, an denen man träumend hinauf an den Himmel blickte, voller Sehnsucht den Kranichen nachsah, dem Rauschen der Wildgänse in der Nacht lauschte. Nun sind diese Zeiten zur einzigsten Jahreszeit geworden, die immerzu herrscht, ganz wie in den schwülwarmen Tropen, wo das geile Wachstum auch zur schnelleren Verrottung führt. Ein Rätsel dort die schier unausrottbare Artenvielfaxy<xlt. Weshalb ist diese über die Zeit trotz aller Bemühungen nicht längst verschwunden, vergangen und verfault? Warum gibt es keine verkäuflichen frischen Tertiärfossilien mehr? Sogar Brasilien lohnt sich nicht mehr  wirklich.

    Wirbellose Tiere der Vorzeit… so kriechen wir endlich unter unsere eigene Schädeldecke; die unterwürfige Dummheit, die rätselhafte Ignoranz sind zur gärenden Hefe geworden, die jeden letzten Verstand wenigstens in einen vernunftbegabten Profit der Alkoholschmugglermafia verwandelt. „Verbieten sie den Leuten endlich wieder den Alkohol, dann vergären wir ihnen alles an Monsanto-Produkten:

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Agrarsteppengras, Baumrinde, abgezogene Haut, abgeschnittene Brüste, Gesetzesvorlagen und freiheitliche Versprechen, organischen Müll und die glorreiche Recycling-Zukunft, auf besonderen Wunsch im Werbefernsehen sogar jenseits aller Nadelstreifenromantik.“

    Zwei Dinge sind unendlich: das Universum und die menschliche Dummheit. Aber beim Universum bin ich mir nicht ganz sicher. Albert Einstein (vgl. Wieczorek 2009)

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No worries, be habby! – Jedwede scharfsinnige Analyse über die Wirkungslosigkeit von Literatur und Kunst, welche sich gegen die kollektive Gewalt eines Zeitalters wendet, wie sie uns ein Walter Mehring längst vorgeführt hat, entlarvt sich vor den faktenstrotzenden Erfahrungen aus der Historie sofort selbst als opportunistische Tat. Umso makabrer erscheint nun die andere Tatsache, daß ohne diese vorbildlich nachgeäfften Hoffnungslosigkeiten bis heute kein vergleichbarer (geistiger) Widerstand erwachsen wäre, leider auf der unsinnigen Annahme beruhend, Literatur und Kunst könnten tatsächlich etwas bewirken gegen die tödlichen Ordnungen. Welchem erbärmlichen Bildungsgrade der kulturellen Bewußtseinskader sind wir tatsächlich ausgeliefert? Die täuschend echt nachgeschminkte Avantgarde, die uns dieses Zündfünkchen Hoffnung, egal in wessen Auftrag, kontrollierbar, aber zum Glück mit kleinen Flüchtigkeitsfehlern garniert, unterjubelt! „… Es macht deutlich, wie sehr Mehring von Grössen wie Carl Zuckermayer (sic), Friedrich Dürrenmatt und Hans Sahl geschätzt wurde. Höchste Zeit, dass auch wir diesen bedeutenden, widerspenstigen Geist für unsere Zeit neu entdecken.“ NZZ am Sonntag, 20131)

Der heilige Auftrag des Vatikan und der EKD, die jungräulichen Kitzler feucht und die Fäuste gegen Andergläubige geballt zu halten, wird zugleich ebenso gewinnbringend von der Musikbranche ausgeführt. Der hinreißend nett und moderat kristlich daherkommend European-Song-Contest hätten seinen hlg. Bonifatius glücklich gemacht. Bald also steht der britannische Exit before … die Missionierungen haben damit ebenso wenig Sinn gemacht wie die Befriedung von Nordirland durch das Natokaliber 7,62.

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Das Glück eines einzigen Tages. – Wie viele dieser guten Vorsätze ruhen inzwischen in uns. Den Johannisbeersträuchern endlich Wasser geben. Und was ist mit all dem Restlichen? Viele der guten Vorsätze hatten sich inzwischen in den Mythos des Sysiphos verwandelt. Ich konnte die Wahrheit nicht sagen, ich konnte sie zumindest denken. Ich konnte mir eine Wahrheit ausdenken, das war ich mir schuldig. Niemals zogen mich die beleidigten Zeitungsratten in ihr Vertrauen, und nur so konnte ich mir meine Verachtung über Jahrzehnte bewahren. Einmal beobachtet ich, wie sich absolut nichts mehr bewegte. Das war mir ein unvergeßliches Schlüsselerlebnis, ich öffnete die Gartenremise und begann mitten im heißen trockenen Sommer große Bereiche des Gartens umzugraben. [GABE: Der Tag war glücklich./Der Nebel fiel früh herab, ich hatte im Garten zu schaffen./Die Kolibris rasten an der Blüte des Kaprifoliums./Es gab in der Welt kein Ding, das ich hätte haben wollen./Ich kannte niemanden, den ich beneiden müßte. Czeslaw Milosz]

    Abends hockte ich müde und zufrieden auf der alten Bank vorm Haus, im goldenen Licht dieses späten aber erstaunlich milden Herbstes. Innen. Im Arbeitszimmer war es fast schon dunkel. Auch die bloße Existenz einiger Bleistiftstummel beweist meine altmodische Sparsamkeit. Wie lange würde das noch so weitergehen?

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Tod eines älteren Motorradfahrers beim Durchqueren eines deutschen Waldes. – Ich hatte es geschafft. Es waren noch andere Verunglückte im Wald. Sie blickten mich interessiert und freundlich an, sagten dennoch nichts. Wo ich denn sei, fragte ich sie, bekam aber keine Antwort.

[…] Entlang der tristen Fichtendickung, durch die ich mühsam gekrochen war, hat das warme rötliche Licht längst meinen Ruheplatz erreicht. Die Zweige und das krautige Grün umher regen sich nicht. Irgendwo da draußen wird es endlich Abend werden. Von Fern leises blechernes Wimmern einer Dorfglocke. Ich strecke mich auf dem knisternden Buchenlaub wohlig aus und freue mich auf die ewige Dunkelheit.

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    Priviligierte Tatbestände

Es ist verboten, Personen in Brand zu stecken.

Es ist verboten, Personen in Brand zu stecken, die im Besitz

    Einer gültigen Aufenthaltsgenehmigung sind.

Es ist verboten, Personen in Brand zu stecken, die sich an

    gesetzlichen Bestimmungen halten und im Besitz

    einer gültigen Aufenthaltsgenehmigung sind.

Es ist verboten, Personen in Brand zu stecken, von denen

    Nicht zu erwarten ist, daß sie den Bestand und die

    Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährden.

Es ist verboten, Personen in Brand zu stecken, soweit sie

    nicht durch ihr Verhalten dazu Anlaß geben.

Es ist insbesondere auch Jugendlichen , die angesichts

    mangelnder Freizeitangebote und in Unkenntnis der

    einschlägigen Bestimmungen sowie aufgrund von

    Orientierungsschwierigkeiten psychisch gefährdet sind,

    nicht gestattet, Personen ohne Ansehen der Person in

    Brand zu stecken.

Es ist mit Rücksicht auf das Ansehen der Bundesrepublik

    Deutschland im Ausland dringend davon abzuraten.

Es gehört sich nicht.

Es ist nicht üblich.

Es sollte nicht zur Regel werden.

Es muß nicht sein.

Niemand ist dazu verpflichtet.

Es darf niemandem zum Vorwurf gemacht werden, wenn

    er es unterläßt, Personen in Brand zu stecken.

Jedermann genießt ein Grundrecht auf Verweigerung.

Entsprechende Anträge sind an das zuständige

    Ordnungsamt zu richten.

Nota bene. Wer diesen Text in eine andere Sprache überträgt, wird gebeten, an Stelle der Bundesrepublik Deutschland versuchsweise die offizielle Bezeichnung seines eigenen Landes einzusetzen. Diese Fußnote sollte auch in der Übersetzung stehenbleiben.

Enzensberger 1995

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          Es gibt einen menschlichen Maßstab, den wir nicht

          verändern, sondern nur verlieren können.      Max Frisch

             Sitzstreik//Der Buddha nimmt die Beine in die

          Hand./Der Eilbote zockelte hinterdrein./Die Fixsterne

          wallen./Der Fortschritt zappelt in der Warteschleife./

          Die Schnecke verrennt sich./Die Rakete hinkt./

          Die Ewigkeit setzt zum Endspurt an.

          Ich rühre mich nicht.        Hans Magnus Enzensberger

Boykott tödlicher Nestlé-Produkte1)

Der Teufel scheißt immer auf den gleichen großen Haufen. – Zwischen Humanismus, Klassischer Aufklärung und Marxismus gewinnt eine moralische Maxime an Bedeutung, endlich ist es eine einfache, leicht Kategorie, es ist der kategorische BOYKOTT von zahlreichen Konsumartikeln und Dienstleistungen und ihren wahrhaften Warenbesitzern, die für die Erheischung eines unmoralischen Profits buchstäblich über LEICHEN gehen! Nach dem Vatikan geistert ein weiteres schreckliches Beispiel durch die Feigenblattmedien:

Es geht dabei immer wieder um Nestlé! Man muß Beispiele sagen.

Noch schlechtere Beispiele werden knapp. – Nur einen einzigen dieser gigantischen Weltkonzerne wie Nestlé liquidieren zu wollen würde bedeuten, eine weltweite Guerillaarmee aus Hunderten von Millionen Boykotteuren in einen schier aussichtslosen Kampf führen zu müssen, was diesen Boykott seiner Produkte, und darauf läuft es einzig hinaus, schon allein deshalb zu einem wahrhaftigen revolutionären Kampf machen würde. Und was käme danach?

Das Prinzip der Umkehrung. – Das Prinzip einer totalen, global wirksamen Infiltration des Rohstoffmarktes und zugleich eines Warenmonopols (z. B. längst bei Rohstoffen, künftig bei Grundnahrungsmitteln, auch beim Trinkwasser), d. h. die unendliche Profitgier und der permanente und immer raschere Machtzuwachs nur weniger Kartelle müßte lediglich vollständig umgekehrt werden – diese neue Politische Ökonomie würde zugleich barbarisch

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1)  Nestlé S.A. ®Reg. Trademark of Société de Prodoits Nestlé S.A.; s. Anhang

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aggressive Religionen und sämtliche Kriege überflüssig machen. Nicht an Gott glauben hieße dann an das Leben glauben.

    Die eingeflößte Angst würde sich in alltäglichen Mut verwandeln, der Haß in Verantwortung, Vernunft und Liebe zur Mitwelt. Zwischen der Moral von namhaften Giftproduzenten (Dow, Monsanto, Bayer-Desowag etc.) und den Nahrungsmittel und Zuckerindustrien gibt es einen einzigen signifikanten Unterschied: nämlich immer keinen! Herta-Wurst kompliziert die Sache: Gehört die nun als fortgesetzter Straftatbestand zu Nestlé oder zum Kern der internationalen Fleischmafia? (Produktliste?). Ein nicht vereidigter Zeuge: „Man gewöhnte sich an das Allerschlimmste!“

Muckensturm (1953: Roman von Paula Buber, der Ehefrau von Martin Buber, veröffentlicht unter Pseudonym Georg Munk. Eine Neuauflage jetzt Paula Buber erschien wegen zunehmender aktueller Anlässe bereits 2008), denn da passiert in Deutschland end-lich wieder etwas, gar nicht mal so plötzlich passiert das: Immer mehr Neonazis! Die zählen längst doppelt.Was ist dann NSU?

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Beispiel: Shahin Najafi (geb. 10. 09. 1980 in Bandare Anzali, Iran,) ist ein mit religiösem Todesurteil (Fatwa) bedrohter persischer Musiker und Sänger: „Proletariat“, „Aufrecht sterben“… zwischen dem Bestsellerautor Salman Rushdie und seiner eigenen Situation sieht er wenig Gemeinsamkeiten: „Ich sehe da wenig Parallelen… Rushdie konnte noch Bücher schreiben, ich dagegen kann meine Arbeit nicht mehr fortsetzen, denn als Sänger und Musiker muß ich auftreten.“ (TAZ Interview D. Bax 12.5. 2012).

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Die vier Temperamente beim Verlust der Geliebten. Nach Carl Maria von Weber sind das: der Leichtmüthige, der Schwermüthige, der Liebeswüthige, der Gleichmüthige . . .

                                          Für meine Söhne […]

                                          Wo zum Weib du nicht die Tochter/

                                          wagen würdest zu begehren,/

                                          halte dich zu wert, um gastlich/

                                          in dem Hause zu verkehren. […]

                                                                                          Theodor Storm

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Mein Adorno – oder vom Zweifeln am Denken1

                                                     Über Adorno: Sein Hauptwerk ist eine Sammlung von Aphorismen. Sie darf getrost, als sei sie eine Summe, studiert werden. JÜRGEN HABERMAS

Die dumme Beschäftigung mit geistigen Dingen. – Das natürlichste der Welt, nämlich durch seiner eigen Hände Arbeit seine Existenz sichern zu müssen, ist auch die natürliche Bedingung zu allem überflüssigen in Zivilisation, erst recht bei der Kultur. Kaum ist das Maß der nackten Lebenssicherung voll, tauchen Herren, Priester und Soldaten aus dem fruchtbaren Sumpf auf, sie bilden starre Krusten, auf denen sie nichtsnutzig aber stolz umherspazieren, und wie Edelschimmel wuchert die Kunst an allen Ecken und Kanten.

     Die Beschäftigung mit geistigen Dingen ist mittlerweile selber „praktisch“, zu einem Geschäft mit strenger Arbeitsteilung, mit Branchen und numerus clausus geworden. Wer diese Schmach des Geldverdienens nicht anerkennt, wer diese Abhängigkeit kündigt – wäre es auch nur, indem seine Arbeit ihm Lust bereitet –, wird bestraft. Da ich selber wirtschaftlich alles andere als unabhängig bin, was mir somit wenigstens nicht geneidet werden kann, so wäre ich dennoch nicht in der Lage mich kritisch gegen eine Karriere zu stellen, ergo aus der professionellen Hierarchie der Konkurrenten auszubrechen. Ich bleibe ein Dilettant, weil ich draußen gehalten werde, u nd weil ich nicht mitmachen will. Es ist, als räche sich die Klasse, von der die unabhängigen Intellektuellen desertiert sind, indem zwanghaft ihre Forderungen dort sich durchsetzen, wo der Deserteur Zuflucht sucht. [Für Marcel Proust. – 1/15] Die asketischen Ideale schließen heute (1944, Anm. d. Autors) ein grösseres Maß an Widerstand gegen den Wahnsinn der Profitökonomie ein als vor sechzig Jahren ein sich Ausleben gegen die liberale Repression. [Ein Wort für die Moral. –  60/122]

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1 Eigene Überschriften und Ztate kursiv, Quellenangabe jeweils am Ende des Abschnitt; originale Numerierung/ der Aphorismen; /Seitenzahlen beziehen sich auf Minima Moralia – Reflektionen aus einem beschädigten Leben (Bibliothek Suhrkamp1969)

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(1) Die dumme Beschäftigung mit geistigen Dingen ist teilbar… Es gibt Dumme, die sich mit geistigen Dingen beschäftigen, und auch geistige Dinge, die sich mit den Dummheiten beschäftigen.

(2) Warum ich denke, rede und schreibe… Die Reihenfolge von Wichtigkeiten folgt umgekehrt dem organischen Tod bei Unterkühlung… bis zuletzt denke ich dann, daß es eine unpraktische Zeit war… meine Zeit… nun ja.

(3) Ist Widerstand nötig?  … Wie im stumpfsinnigen Leben die teuer erkaufte Heiterkeit zur schärfsten Waffe wird, so wehrt sich der normale Menschenverstand mit seinem kleinen hölzernen Spielzeugschwert verbissen gegen die Winzigkeit dieser seiner einzigen Waffe.

(4) Asyl für die Seele. – Die Paradoxie vom vernünftigen Besitz ist eine der Klammern, die das kapitalistische System zusammenhält. Es hat sich als falsch und zugleich als äußerst dumm herausgestellt, daß jemand denkt, er könne durch sein eigenes Armutsgelübde die Bestialität der herrschenden Verhältnisse auch nur ein wenig ändern. Gerade bei den berühmten und erfolgreichen Revolutionären und Lebenskünstlern, denen man irrtümlich stets Askesebereitschaft und Desinteresse am schnöden Geld unterstellt hat, hat es sich in Wirklichkeit herumgesprochen, daß nur ein ordentliches Einkommen (Besitz) jemanden vor der sprichwörtlichen Gosse (sprich Siechenheim) bewahren kann. In der Tat benötigt in dieser Welt jemand schon deshalb ein gewisses Eigentum, weil Almosen als unsichere Perspektive, zuletzt auch als systemimmanent gelten, man tut also gut daran etwas vorzuhalten, wenn man nicht in jene Abhängigkeit und Not geraten will, die dem blinden Fortbestand der Besitzverhältnisse zugute kommt.

    Erklärter Verzicht auf Besitz führt schnell zur Nichtachtung der menschlichen Bedürfnisse überhaupt, und sowie jemand nur ein wenig vernünftigen Besitz (Lohn) für jedermanns Versorgung einfordert, begründet sich damit eine Idiologie für die, welche mit schlechtem Gewissen das ihre behalten wollen. Es gibt kein richtiges Leben im falschen. [Asyl für Obdachlose. – 18/ 42] Selbst Max Horkheimer sagt sich am Ende vom „revolutionären“ Marxismus, so der Studentenrevolte, los: „Mein auf Analyse der Gesellschaft

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damals bauender Glaube an fortschrittliche Aktivität schlägt in Angst vor neuem Unheil, vor der Herrschaft allumfassende Verwaltung um.“ Das ist kein Schopenhauerscher Pessimismus, das ist definierter Antisozialismus, im Bewusstsein Horkheimers zuletzt also wieder die nackte Liberalität des aufklärerischen Bürgertums. Zum Marxismus hat Horkheimer schließlich ein rein theoretisches historisches Verhältnis, wie soll es auch anders sein. Seine neue Überzeugung wird, immer noch der kritischen Theorie angehörend, ganz schlicht erklärt: „In der Kritik der Gesellschaft, da gehe ich weitgehend mit ihm (mit Marx); aber ich zweifle, ob etwa in der gegenwärtigen Situation eine Revolution nicht auch wieder ein totalitäres System erzeugen müßte.“ Marx hätte zudem die richtige Gesellschaft niemals beschrieben, da man das absolut Gute nicht beschreiben kann. Was bleibt, und in diesen Chor stimmt Adorno mit ein, ist die Sehnsucht nach dem Anderen. … eine Sehnsucht danach, daß es bei dem gegenwärtigen gesellschaftlichen Unrecht nicht bleiben darf, daß dieses Unrecht nicht das letzte Wort sein möge. Auf die Frage, was bleibt, antwortete Horkheimer: „Es bleibt die Sehnsucht – nicht nach dem Himmel, aber doch die Sehnsucht, daß diese grauenvolle Welt nicht die einzig Wahre sei, die Sehnsucht nach Gerechtigkeit, nicht das Dogma, daß es einen Gott gibt, der sie vollzieht.“ (Schmidt 1974)

(5) Wie der Fisch im Wasser. – Sein Besuch in Vietnam verlief sehr enttäuschend. Hatte er wirklich vorher geglaubt, daß alle Opfer, alle Leiden der Menschen es einer Sache wert sind. Im einst schier aussichtlosen Kampf des vietnamesischen Volkes, im zäh geführten amerikanischen Krieg (so wie der Vietnamkrieg hierzulande genannt wird), unterlag der mächtige US-Imperialismus und mit ihm das ganze bestialisch agierende kapitalistische System einem Volk von Reisbauern. Wenigstens in einen erstarkendenden Sozialismus mit einem menschlichen Gesicht hätte die Idee münden sollen. Es war nicht der Fall. Alle scheinen gegeneinander Handel zu treiben, jeder Händler giert nach dem besten Preis, und wer nicht wenigstens ein kleines Bike fährt, der gehört zu den wohlhabenden Kadern und fährt einen SUV-Jeep, der mit Dollar bezahlt werden muss. Keine amerikanischen Autos sah er in Vietnam, dafür der breit reifte allgegenwärtigen TOYOTA-Pickup, der

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totalen Werbung folgend … Die drei Schimpansen rufen: Toyota! Toyota!

(6) Tisch und Bett. – Die meisten Menschen neigen beim unersättlichen Konsum und in Liebesdingen zu unüberlegten und unvernünftigen  Entschlüssen, weil die Gesellschaft die Folgen zu tragen scheint. Dem ist nicht so. Das Bankkonto ist unverhofft leer, oder die dümmlichste Ehe wird istitutionell geheiligt und bei der Trennung von Tisch und Bett, bei der Scheidung wird der Mensch allein gelassen. Eine rechte Mischung müsste her, um dem faden Leben Geschmack, Sinn und Beständigkeit, Wert und ein passables Aussehen zu verleihen. Fragt man sich, weshalb manche Leute sich Milch in ihren Kaffee gießen, so ist es eben die für sie richtige Mischung, auf die sie hinaus sind. Im Gesicht meiner Geliebten erheische ich die Schönheit der Kinderseele und hoffe bei der Kopulation auf eine uns gnädig gesinnte Evolution. Was manche eine Melange nennen, das ist bei mir Milch im Kaffee. Was manche Multikulti nennen, das ist bei mir das bestialischste aus den Kulturen, das überlebt alle Prostitutionen und heißt sich moderne Zivilisatioen – nichts als Globalisierung also, die sich ihr Feindesland erobert!

(7) Tough wie die Mädchen. – Jeder trägt in seiner adulten Seele ein Märchen mit sich herum. Bei mir ist es weder Rumpelstilzchen noch der Froschkönig, weder Rotkäppchen noch Dornröschen. Ich fresse keinen kleinen Kinder und wünsche mir stattdessen den Knüppel aus dem Sack für die Schuldigen. Ich erwarte von einer Prinzessin nichts anderes, als was mir ein anderes Weib ebenso geben könnte. Mit sehnÜchtigen Augen blickt der Froschkönig, ein unverbesserlicher Snob, zur Prinzessin auf und kann von der Hoffnung nicht ablassen, daß sie ihn erlöse (adorno 1969. Woher der Storch die Kinder bringt.). Und wie ich so darüber nachdenke, weshalb ich so verknöchert bin, so denke ich an das Mädchen mit den Sterntalern. Keine entkleidet sich bei der Liebe so kindlich schamlos . . . (adorno ebenda).

(8) Payday. –  Immerzu verschwindet vieles, ohne daß wir lernen könnten, etwas dauerhaft inne zu haben. Immer ist es zu wenig, was wir sein können, wie wir in Wirklichkeit sind, weil wir als

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Kinder eben nur das waren … die Erinnerung an die Kindheit ist deshalb begleitet von Gefühlen, bei manchen sind es die Spielsachen, die das Kind besaß. Das macht den Unterschied im Charakter aus. Die Wahrheit bleibt deshalb arm! Die Lüge hingegen besitzt alles, was sie natürlich abstreitet.

                        Etwas ist immer

                                                    Tröste dich

                        Jedes Glück hat einen kleinen Stich.

                        Wir möchten so viel: Haben. Sein. Und gelten.

                        Daß einer alles hat:

                                                    das ist selten.

(Theobald Tiger. Berliner Illustrirte Zeitung, 31.07.1927, Nr. 31, S. 1256.)

(9) Die Kuh auf dem Eis … Atomkraft for ever! Es wird niemals schmelzen, das ist sicher! !                                   (26. April 2016)

(10) Zwergobst. – Wie gern würde der mündige Mensch sein eigenes Schicksal in die Hand nehmen können. Er kann herumhampelt wie er will. Mehr als die Hälfte der Deutschen sterben zuletzt in ganz normalen Krankenhäusern. Das liegt vermutlich daran, daß es in diesem Land ansonsten noch mehr leere Krankenhauszimmer geben würde.

(11) Das Ganze ist das Unwahre … Je fetter die Menschen werden, desto weniger Selbstbewußtsein haben sie. Der Schutz, der uns anheim gestellt wird, taugt bloß als Schutz vor unseren Meinungen, vor unseren künftigen Taten. Der Wohlstand kostet uns mehr als den Kaufpreis, und der ist angeblich einkalkuliert. Eine istallierte Postökologische Kunstlandschaft wird uns als Kunst (?) angeboten (HR2-Kultur, 14.04.2016), so weit mußte es kommen. Die Bäume sehnen sich bekanntlich danach mit ihrer Substanz an Synthesizer einer Performance-Tussie angeschlossen zu werden. Hoffentlich guckt wieder kein Schwein! „Fortschritt und Barbarei sind heute als Massenkultur so verfilzt, daß einzig barbarische Askese gegen diese und den Fortschritt der Mittel das Unbarbarische wieder herzustellen vermöchte erlöse.“ (adorno 1969. Pro domo nostra).

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(12) Die Knechte der Angst. – Was ein Bürger von der Sicherheitspolitik zu erwarten hat? Daß jeder andere Staat eben diese Politik ebenso betreibt. Alles wird teuer erkauft: durch Bespitzelung und Angst, Willkür und Ungerechtigkeit, durch Überwachung und Psychosen der Regierenden, durch Massenarbeitslosigkeit, Niedriglohnsklaverei, Wohnungsnot – Pflegenotstand, was das geringste der Übel wäre, denn wenigstens von den ans Bett gefesselten Alten in den Folteranstalten des DRK (sic) geht keine Gefahr mehr aus.

(13) Gegen allgemeine Zuckersucht. – Die natürlichen Wege ins Gehirn erinnern an Luftaufnahmen verästelter Flüsse. Da ist zuletzt ein Ozean in stetiger Bewegung, der alles hineinfliessende in sich aufnimmt. Wer sich aber gegen eine zu bedeutsame Gewichtung von Fakten und Handlungsanleitungen schützen muss, der erfindet andere Sachen, die ein Mensch sich leicht merken kann: „Noodle up! Die weltweit verwendete Pastasauce befriedigt deine krankhafte Zuckersucht! Natürlich von Nestlé!“

(14) Warum geschieht etwas? – Ganz sicher erscheint, daß große gesellschaftliche Umwälzungen niemals allein von Schriftstellern, von Literaten, Dichtern, Wissenschaftlern und ihrer Literatur, noch von einigen anderen kulturtragenden Büchern veranlasst sind. Vielmehr verhält es sich so, dass solche Werke die kulturellen Wertvorstellungen genau dann in Frage stellen, wenn sich solche Wandlungen längst anbahnen oder sich bereits konkret vollziehen. Es geschieht sowieso! Darauf wird manchmal sogar gewettet?

Damals Sklavenhandel, heute Sklavenhandel. Damals Kolonialhandel, heute Kolonialhandel. Damals Krieg und Elend, heute Krieg und Elend. Allein deshalb, und weil sich die Geldgier der reichsten Menschen nach mehr als fünfhundert Jahren Kolonialismus und Erniedrigung kaum noch steigern läßt, bekommen die weniger reichen Menschen ein Flüchtlingsproblem an ihren angestammten Schlafplätzen. Darüber kann in mannigfaltiger Form berichtet werden. Die Hoffnung der allermeisten Sachbücher, wenigsten und überhaupt zu einem Bestseller zu werden, leitet sich (wie die meisten Produkte der kapitalistischen Warenproduktion) aus ihrer grundsätzlichen Überflüssigkeit hinsichtlich des klassischen Gebrauchswertes ab. Wir wissen, daß wir von Politikern belogen werden, wir wissen, daß das Tabakrauchen schädlich ist, wir wissen, daß in Memoiren seniler Persönlichkeiten ein kleines Fünkchen Wahrheit steckt: Sie sind von jemandem aus Fleisch und Blut geschrieben worden, zumindest von einem Ghostwriter!

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Bestseller gibt es unter den Boden-Luft-Raketen gewisser Kühlschrankhersteller und bei Sturmgewehren aus dem Schwarzwald, unter Puddingsorten wie bei Opernkarten. Was sich der eine zum Nachtisch servieren läßt, das kann für den anderen unpassend oder sogar unmöglich sein, weil er ein sättigendes Hauptgericht schon lange nicht mehr hatte – er hungert nämlich.

(15) Die Mehrheit regiert. – In diesen Tagen wird der stets frisch geschminkte erotisch maskierte Parlamentarismus mit seinen „abendländisch-jüdischen Wurzeln“ entlarvt. Die Freiheit des Kapitalismus, das schwarzhaarig-südländische Patriarchat, und die Demokratie (?) als die ungerechteste und mächtigste Staatsform seit Beginn der Menschheit hat längst ihre Unschuld verloren – jetzt aber blutet sie wenigstens nicht mehr. Tagtäglich wird irrsinniges gemeldet, dem raschen Vergessen preisgegeben: In Brasilien, dem größten Land Südamerikas, sind mehr als 60 Prozent der Abgeordneten des parlamentarischen Unterhauses entweder der Korruption oder anderer Verbrechen bis hin zum Mord, strafrechtlich angeklagt. (sic: ARD-Nachrichten 19. 04. 2016)

(16) Intermezzo. – Wenn die bürgerliche Skepsis die Fratze des Pantheismus ist, so wird das Nichts oder das scheinbar fast leere Universum zum alles Integrierenden. Dort wo Porzellantoiletten wie Taufbecken benutzt werden, dort erfahren die Träume der Kindheit immerzu neue, unüberwindbare Grenzen. Im Übergang in die totaliär überwachte und verwaltete Welt setzt das Grauen sich fort, die herbeigeführten Konflikte als Forunkel des anwachsenen Totalitarismus. Sie machen mit ihren stinkenden Eitergeschwüren überall deutlich, daß längst der ganze Körper der Zivilisation befallen ist, befallen vom degenerierten Antivirus gegen jedweden vernünftigen menschlichen Widerstand. Gegen: „Kritisches Denken, das auch vor dem Fortschritt nicht innehält, verlangt heute Parteinahme für die Residuen von Freiheit, für Tendenzen zur realen Humanität, selbst wenn sie angesichts des großen historischen Zuges ohnmächtig scheinen (…) Daß es heute [1944 resp. Neuausgabe 1969: Anmerkung d. Autors] mehr darauf ankommt, Freiheit zu bewahren, sie auszubreiten und zu entfalten, anstatt, wie immer mittelbar, den Lauf der verwalteten Welt zu beschleunigen, haben wir auch in unseren späteren Schriften ausgedrückt . . . (Horkheimer & Adorno 2003).

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(17) Die Beliebtheit bei den Bürgern hat Grenzen. – Wenn diese aalglatten Politiker sich zu einem problematischen Zustand äußern, welchen sie ziemlich eindeutig selbst mit verschuldet haben und ganz sicher nicht annähernd ändert werden, so bleibt alle Öffentlichkeit, die sich dieses System leistet, durch und durch belogen und mit Sicherheit herrscht über sie die bewährte Lackmeierei! Der bekennende schwule Bürgermeister Berlins Klaus Wowereit über Berliner Armenviertel: Hätte er Kinder, so verriet er dem Volk, er würde sie nicht auf eine Kreuzberger Schule schicken (Wieczorek 2009). Immer sind es die selbst beweihräucherten Interessen der Produzenten und Ordensträger, die im Munde der Politiker zu deren Hauptlügen werden: Die Bedrohung durch Saddam Hussein und seine Massenvernichtungswaffen ist real, sagte Angela Merkel am 8. Februar 2003 dem deutschen Volk.

(18) Burn out. – Wer gelegentlich nachts davon träumt, daß er ein gestreßter, dauergeiler Menschenaffe wäre und von höheren Wesen zu Arbeit und Dauerkonsum gezwungen wird, der sollte sich über seine behaarten Hände nicht wundern, die fortwährend irgendwelche Tasten drücken müssen. Solche lichte Momente der Erkenntnis gelingen dem zurechtmodellierten Jetztmenschen nur sehr selten. Die einst vernunftbegabten Wesen, wie Aristoteles die niedersten Schichten nannte, haben sich längst zu Sklavenbürgern adeln lassen. Unter diesen modernen Sklaven ergeht es den Weibchen nicht anders, nur daß sich sich zudem nach dem goldenen Nasenring und einem wohlduftenden, rosafarbenen Fell sehnen.

(19) Ich habe meinen Schirm vergessen. – Nietzsche wanderte im Engadin, er machte immer wieder Urlaub von den Idiotien seines Überlegenheitsgefühls – dieses Würstchen von Mann in Wanderschuhen? Mit seiner nichtsnutzigen lustigen Wissenschaft im Vespergepäck! Wir aber, die in diese Welt Geworfenenen, wir müssen nicht lange auf‘s längst überfällige Thema unserer geheiligten Konsumwelt warten, da ist‘s auch schon! Sexualität im Alter! das wird zunehmend chic geredet, denn die noch lebendgeschminkten Nichtsnutze und lackierten Persönlichkeiten der öffentlichen Unterhaltungsindustrie sind längst im passenden Alter der neuen nichtsnutzigen Glaubwürdigkeiten. Das Sakrileg der bedrohten Potenz (!) und VW zahlt dafür angeblich Milliarden an die Herren der Farbigen, als die Negernachfolger.

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(20) Neues aus der Anstalt. – Und heute kostet diese psychiatrische Dauerbehandlung durch lustige Fernsehshows eine allgemeine Haushaltsabgabe. Keine Fernsehgebühr mehr für diese gesetzlich herbeigeführte SENDEANSTALTEN– welch ein Fortschritt im lukrativen Heilungsprozess dieser Idiotien! Von der ARD zu TTIP führt ein schnurgerader Weg in den Irrsinn der totalen Abhängigkeiten von den banalen Bedrohungen der postmodernen Freiheit. Was ist euch Neoliberalen lieber: Petronenhülsen oder Worthülsen? Und in welcher Reihenfolge. Ein soziologischer Vorteil auch, ein großer Sieg des Humanismus, daß Fotos von Folteropfern (bei CIA, anderen Faschisten und Khmer Rouge) nicht mehr geschossen werden – denn die Realitäten, die sie einst ermorden halfen, sind längst mausetot gemacht. Dafür wird der Computer angemacht, dann wird ein Foto gemacht, das selbst gelernte Retuscheure früherer Dienstherren später nicht wiedererkennen würden. Wer sich heute die Tagesschau anschaut, ist entweder begeistert oder er leidet wenigstens unter dem Borderline-Syndrom. Bilder und Sprache sind zum mythischen Hochglanz eines undurchdringlichen Kristallspiegels poliert, zur Panzerung der sprachlichen Arroganz geschmiedet. Aktuelle Mutmaßlichkeiten werden zur staatspolitischen Verpflichtung, zum verschleierten aktuellen Völkermord: . . . die israelische Luftwaffe griff einzelne strategische Ziele im Gazastreifen an . . . die Kursgewinne an den Finanzmärkten blieben modeart . . . alles ist zum Vergessen in Minutenfrist organisiert. Nur die Nachrichten im Rundfunk sind noch etwas toxischer gemixt, denn ihre altmodisch, strahlentherapeutische Wirkung soll in nur drei Minuten erfolgen. Den abscheulich, widerwärtigen Anblick einer Burka aber, die verschlagenen Augen darin, die können uns in Nahaufnahme nur das Fernsehen und die Printmedien zeigen.

(21) Vom Reichstagsbrand übers Kuckucknest. – Wer hat kürzlich erneut herausgefunden und verlautbaren lassen, daß bereits allererste Fernsehshows der öffentlich rechtlichen Sendeanstalten den infantilen Tagesprogrammen von Irrenhäusern nachempfunden waren? Hat sich daran bis heute etwas geändert? Ja! Intern: In den Irrenhäusern gibt es heute weniger Gruppenspiele aber mehr Medikamente. Extern: Zu dem einst einzigen, zu den zwei, dann drei Fernsehprogrammen in Deutschland sind zahlreiche besonders auf hirntote Konsumenten spezialisierte private Versender von geistigen Brandbeschleunigern und elektronisch hergestellten Verblödungspillen hinzugekommen!

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Die allermeisten staatlich geförderten Unterhaltungsshows des deutschen postnazistischen Nachkriegsfernsehens haben sich ganz sicher bis heute – da sie sich in Machart und Sinngebung niemals gewandelt haben – hervorragend bewährt. Es kam zu keinen Massenstreiks, zu keinen Palastrevolutionen, zu keiner ernsthaften offiziellen Definition der herrschenden Idiologie der weltweiten Ausbeutung. Brot und Spiele, ein prekäres Sozialsystem, Kristentum und Sport, öffentlich beweihräucherte, etablierte Unterhaltung, die exakt den primitiven aber lustigen Spielen entspricht, die man zwecks Auflockerung des tristen Alltags, zur fragwürdigen Evaluierung von Heilungserfolgen, in geschlossenen psychiatrischen Anstalten der USA, besonders nach der sittsam vereinheitlichenden McCarthy-Aera, sterilpuritanisch für eine infantil erzogene Bevölkerung eingeführt hatte. Inzwischen haben die profitablen Masseninhaftierungsanstalten der USA, mit weltweit 25% der Gefängnisinsassen –sic- eine regulierende Funktion übernommen. In Deutschland ging es um die möglichst konforme Auffüllung der kaum leergeblasenen Nazigehirne mit den ungefährlichen Wohlstandsalbernheiten des Wirtschaftswunders. Was Springer-BILD und der Kristen-KLERUS, Wirtschaftsgiganten und die CDU an ihrem konservativen Rückschritt in eine reine DM (D-Mark und Westdeutsche Massengesellschaft nach dem Amimuster ohne Wert) allein nicht schafften, das ruderten Gewerkschaften und die hinterfotzige Sozialdemokratie freiwillig zurück. Einer in der freien Welt nie dagewesenen Selbstzensur ist es zu verdanken, das die Medien bis heute weitgehend und weiterhin erlaubt sind. In den mit diesem nunmehr wiedervereinigten Deutschland gut befreundeten Ländern, in denen die öffentliche Meinung zusammengeschlagen, die Pressefreiheit mundtot gemacht, gefoltert, ermordet wird, gibt es freilich auch keine perfekt funktionierende Selbstzensur wie sie in Deutschland eine traurige Bilanz vorzeigt. Hans-Joachim Kulenkampf und Peter Frankenfeld als geduldig grinsende Nervenärzte der Nation? Robert Lemke als ziviler, idiologiefreier Ernst Jünger. Lou van Burg und Rudi Carell als korrumpierte, leidlich deutschsprechende Rache der von Nazideutschland besetzten Beneluxländer? Nur ein Til Eulenspiegel und das Genie eines Frankenstein hätten das besser machen können! Was weißbärtige Philosophen einst auf der Augora dem Publikum anvertraute, sagen dümmste Gladiatoren als Karikaturen auf Sendeplätzen des heutigen Systems. Mehmet Scholl, dem sprücheklopfenden deutschen Fußfan in die Sprechblase gelegt: „Hängt die Grünen, solange es noch Bäume gibt.“ Wozu brauchen wir demnächst noch Brandstifter wenn’s bald nur noch Idioten und überlebende „Ausländer“ gibt?

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Bericht an eine Kommission (3)

„Zurück mit den Tatzen! – oder ihr sollt – hungern./ (Dies allein schreckt sie.)“ ARTHUR SCHOPENHAUER. Gegen die Sprachverhunzer.

Was ich alles nicht vermisse würde, wenn ich wirklich arm wäre. Oder das Glück eines einzigen Tages.

Felix K., Jahrgang 1948, Rentenhöhe insgesamt ca. 450 Euro; sonstige regelmäßigen Einkünfte vorerst keine; er weigert sich wegen seiner Grundsicherung zum Amt zu gehen, und er weiß, weshalb er das so macht.

Was sich wie eine Packliste oder als ein Wunschzettel eines Wirtschaftsflüchtlings liest, garnicht zur Auswanderung in einen neuen Kontinent geeignet erscheint, das ist durch alltägliche Handlungen lange Jahre bereits erprobt und dennoch seinen Wunschgedanken entsprungen. Neben dem gesellschaftlichen Wohlstand gibt es zugleich ein leicht zu definierendes anwachsendes, individuelles Mangelbedürfnis. Volkswirtschaftlich wird dieses den Wachstumsbereichen zugeordnet, was erneut den rein theoretischen Grundcharakter der Volkswirtschaftslehre und der im staatlichen Auftrag verfassten Statistiken beweist. Vergleichsweise bloß ein klein wenig mehr Geld als das statistisches Mindesteinkommen zu haben, das nützt der volkswirtschaftlichen Allgemeinheit und dem am Mangel Leidenden gleichermaßen. Das ist in den niedersten Seitenzahlen der dicken Wirtschafts- und Sozialtheorien und natürlich irgendwo anders längst praktisch und verständlich erläutert worden. Leicht zugängliche Statistiken und verbale Aussagen müssen freilich so lange redigiert werden, bis sie von den allermeisten der Betroffenen nicht mehr verstanden werden können. Das gilt nicht nur für einen politisch begründeten Bericht sondern für alle öffentlich erhältlichen Aufsätze, was die an blutjunge glatzköpfige Fachleute deligierte Korrekturarbeiten an ihnen wesentlich erleichtert. Der Rest der Geschichten wird von Märchenerzählern und seriös wirkenden Journalisten dazuerfunden.

Die selbst gezimmerte Philosophie der Armut und Entmutigungen der handwerklich eher ungeschickten Intellektuellen und der nur sprachlich künstlerischen Avantgarde wäre allein schon beängstigend. Gerade weil sie längst keine bloße modische Furcht mehr ist sondern bei fast der Hälfte der Bevölkerungen die berühmte German-Angst auslöst, ist alles wieder wie einst im Schützengraben. Exkurs. – Zuerst wurde die kostenlose heiße Milch, der Kakao für

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Schulkinder abgeschafft, dann kostete auch ein Postscheckkonto Gebühren, wer ein Auto besaß, dem wurde es wegen einer fehlenden winzigen Plakette an der Scheibe weggenommen . . . all diese an sich schleichenden Entwicklungen gehen spätestens seit der WiederEinVereinSein und dem Einsinken des OstBlockes in den auftauenden Permafrostboden der Perestroika dermaßen rasant voran, daß sich die immense Geldumverteilung an der sich schwach sträubenden Gerechtigkeit aufstaut, und wer nicht gleich im versprochenen Reichtum der blühenden Landschaften ertrinkt, der wird versuchen, den lieben Gott zu bemühen, um sich mit dessen Hilfe an den eigenen Haaren aus dem riesigen Sumpf zu ziehen.

Allein das Werbefernsehen verspricht uns viel. Sogar über uralte, längst richtig braune Moorleichen, verschrumpelte Gletschermumien und noch seltener bekannte Massengräber werden täglich Hunderte von Erwähnungen verlautbart und immer die gleichen neuen Dokumentarfilmchen gezeigt. Der Buchmarkt strotzt vor den guten Erinnerungen glücklicher Überlebender. Sie erzählen, wie sie es gemacht haben, und sie hätten dabei eigentlich bloß mordsmäßig Glück weil keine Lehre daraus gezogen, aber der Krupperbe von Bohlen-Halbach erzählte uns neulich…

    Ich beschäftige mich gern mit praktischeren Dingen. Wenn ich außerhalb eines History-Channels vom täglich neuen Bericht über voll besetzte Rettungsboote höre (nicht also Titanic, Pamir), so denke ich, daß die das doch wenigsten richtig gemacht haben und nicht in fast menschenleeren Rettungsmitteln herumtreiben, dann sorge ich mich aber gleich um meine Regenwasserzisterne. Ja, das Trinken ist bei solchen Notfällen das allerwichtigste … das Essen kommt dabei erst an zweiter Stelle, das können sie mir getrost glauben . . .

    Trotzdem ist das Essen ziemlich wichtig. Auch wenn man nur etwa die Hälfte des Geldes hat, mit dem sich zur Zeit die deutsche Armutsgrenze definiert, nämlich 980 Euro monatlich für eine Einzelperson, ist man versucht viel mehr für Essen auszugeben als rein theoretisch für ein paar gute neue Wanderschuhe, die hoffentlich wieder zwanzig Jahre standhalten würden. Essen sollte zudem einigermaßen gut aussehen und dann auch wohl schmecken, allein wegen der für die gesunde Verdauung wichtigen Speichelbildung. Mit gutem Essen ist es vermutlich wie mit gutem Sex, und das hat

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besonders bei alten Männern viel miteinander zu tun. Nichts also gegen ein ganz einfaches aber saftiges und großes Stück Fleisch, das man nach Art vollbärtiger Trapper ohne viel unnütze Zutaten wie es sich gehört verschlingt. Hierzulande wird das spätestens mit der Gründung der Vereinten Nationen und der Welthungerhilfe T-Bone-Steak genannt, unter Schutzatmosphäre ist es verpackt, ist meist um den halben Erdball gereist, hat ein paar Zentner Getreide und Kubikmeterweise kostbares Trinkwasser verbraucht, was der Nestlé-Konzern anschließend in seinen Kolonien als Pur Aqua in Plastikflaschen teuer verkauft, und da fangen die heimlichen Probleme dieser vermutlich vollkommen hilf- und machtlosen Kommissionen schon an. Wenn es nicht so wäre, würden sie sonst von jedem Bürger kostenlose Berichte einfordern?

     Ein bezahlbares wohlschmeckendes Brot, welches nicht wie Pappe schmeckt, welches nicht mit diffuser Chemie aus einer billigländischen Industriemischung und dann sogar aus einem Backautomaten kommt… meine Suche danach dauert bereits viele Jahre, und wenn ich irgendwo weit weg in der Fremde tatsächlich ein solches Brot gefunden habe, muß ich mit einem solchen richtigen Brot in den Packtaschen leider weiterfahren.

    Gelegentlich ein Fleisch, welches nicht aus den Schweine-KZ einer (identifizierten) Mafia stammt… das gilt auch für die längst richtig ekelhaft gewordene billige Wurst … wie gern äße ich etwas Lamm. Wer hat schon einmal die sogenannten „Würstchen“ probiert (kalt wäre dann die unvergeßliche Steigerung), die sich in den Erbseneintöpfen von Aldi oder Lidl befinden?

    Wie schmeckte heutige normale Milch von glücklichen Kühen wirklich? Ich erinnere mich genau an den Geschmack von Milch, als Milch noch keine fettarmes H-Milch-Produkt in Papptüten war… Das Problem dabei, daß „frische“ Milch inzwischen genau so wie H-Milch schmeckt, nur wesentlich teurer ist (s. oben).

    Schön wäre ein uriger Handkäse für die Musik, der innen nicht ewig weiß bleibt sondern richtig reift und den man auch riecht… einfach ein stinknormaler Handkäse, so wie früher. Da dieser Bericht in die Statistik der schreibenden Bürger, nicht in die der nur ankreuzenden Zeitgenossen eingeht, kann ich an dieser Stelle auf das Ausziehen meiner Socken verzichten, um meine ehrliche Meinung kundzutun.

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Die Traurigkeit, nicht wenigstens gelegentlich gut essen zu können, niemals in berühmten Restaurants sitzen, niemals auf fernen Reisen, so wie man das in jedem der verdammten Reiseführer liest, in der Landesküche schwelgen, weil alle kurzen und weiten Reisen von 1960 bis heute unter sehr knappem Etat gemacht wurden, all das lähmt die Lebenslust in gewisser Weise, was zumindest von Stimmungen abhängig ist. Keine bewährten Rezeptideen, die nicht wenigstens einen Gang zum teuren Metzgerladen, den Einkauf einiger spezieller Lebensmittel (z.B. vielseitiger Innereien, Seafood) erforderlich machen würden … die aller einfachste Sehnsucht nach einem guten Brot… und alles wiederholt sich fast jeden Tag, denn seit Urzeiten bekommen wir auch nach den allerbesten Mahlzeiten sehr bald wieder einen mords Hunger.

    Genauso wie ich offenbar nicht in der Lage bin, wenigsten gelegentlich Fünfe einfach gerade sein zu lassen, dann teuer und üppig einzukaufen, zu kochen und zu essen, so verzichte ich auch wie ich meine konsequent auf die Vorteile bei der allgemeinen Anpassung an herrschende Meinungen und Moden. Vor Jahren bereits ist es mir gelungen, mein jahrzehntelanges Rauchen aufzugeben. Daher weiß ich, wie schwer es ist, aus schlechten Gewohnheiten wieder heraus zu finden. Und wenn ich ganz ehrlich bin, wie könnte ich mir nur eine gelegentliche Motorradtour leisten, wenn ich mir das Benzin und die anderen Kosten nicht buchstäblich vom Munde absparen würde.

     Fahrend die Welt begreifen und liegend genießen…

    Der Sehnsucht nach einem guten Essen, im Sinne von regionaler Hausmannskost und landestypischer Küche, hat sich trotz allen Bemühungen meiner Umwelt nicht in eine Sucht verwandelt, vergleichbar etwa dem Gieren nach Süßigkeiten und der Ersatzbefriedigung durch gängige orale Tätigkeiten. Trotzdem würde es die professionelle Traumdeutung bei mir schwer haben, nämlich durch ihren medialen Einsatz mir eine marktgängige Kompensation zu erfinden, denn ich träume, wenn ich denn einmal träume, nicht oder nur sehr selten allein vom Essen, eher von den ihm eindeutig ähnlichen Bedürfnissen.

Im Übrigen bin ich der Meinung, daß Nestlé zerstört werden muß!

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Die Anschaffung einer Arbeitsbrille für den Schreibtisch (die vor einem Jahr noch vorhandene ist kaputt), die es mir ermöglicht, handwerkliche Arbeiten ohne Gefahr zu verrichten, die meine Tätigkeit am Schreibtisch nicht wegen der Billiglesebrille zur Qual macht…

Die persönliche Ausstattung und die täglichen Nachrichten sollten etwas verschieden sein . – Während die Welt um mich herum immerzu eine gute Weile mit einer ganz bestimmten Sache ausschließlich und gänzlich beschäftigt ist (wo sind nach den plötzlichen Terrorakten von Paris die täglichen Massen der Flüchtlinge aus dem Nahen Osten und vom Balkan geblieben?), könnte ich ein paar neue und feste Wanderschuhe gebrauchen, die die uralten ersetzen, die nach zwanzig Jahren eine brettharte, rutschige Sohle bekommen haben… überhaupt Schuhe, nicht solche mit arschglatten, rutschigen Sohlen, solche die nicht viel älter als zwanzig Jahr sind … und oder auch einen gescheiten Anorak, keine „Plastikjacke“, in dem man wegen der modernsten Mikrotechnik im Inneren wie im gelben Friesennerz einst total naßgeschwitzt wird.

     Dennoch war das damals irgendwie ein gesunder Schweiß im schafswollenen Norwegerpullover. Eine gute Sonnenbrille für die durch die Billiglesebrillen geschädigten Augen brauche ich natürlich nicht, denn ich gehe schon lange nicht mehr vor die Tür. So hätte man es in den Berichten gern, ich berichte es deshalb trotzdem. Die Wohnung wäre mit einer Hausratsversicherung viel besser ausgestattet, zumindest eine gegen Wasserschäden. Deshalb verbrenne ich den Buchbestand meiner Bibliothek vorsorglich (ich liebe diese Tautologien immer noch). Weil das Haus neben dem Grundeinkommen die wichtigste Existenzbasis ist, kann es spartanisch möbliert bleiben. Dennoch: eine Mischbatterie mit Thermostat für Dusche und Handwaschbecken wäre schön, um noch mehr Leitungswasser zu sparen, und sich nicht zu verbrühen wenn die Legionellenschaltung es plötzlich und aus heiterem Himmel kochend heiß mag… Beim Besuch der Freunde neulich, haben sie ihn gefragt, weshalb er keinen Thermostat an der Dusche hätte. Er hat ihnen erklärt weshalb er das uralte Teil montiert hätte. Endlich ein Vollholz Bücherregal, welches nicht von IKEA stammt und die Fichte-Tanne-Rustikale der letzten vierzig Jahre unterbricht.

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Solche Wünsche gehören eindeutig der innenarchitektonischen Luxuskategorie an. So haben meine beiden freischwingenden Ledersessel dunkle, speckige Kopfabdrücke, garnicht wie in der Business-Class irgendwann in einem fernen vergangenen Leben… er drapierte irgendwann gehäkelte bunte Shawls darüber, was alles viel heimeliger macht, und fast für eine literarische Beschreibung taugt. Nach wie vor kotzen mich Zitate an, sie schaffen aber immerhin eine magische Verbindung zwischen meinen eigenen Empfindungen und den Destillaten des Buchmarktes. Das Prinzip, seine eigenen Empfindungen als fiktiv zu verbrämen und fremdartige Einfälle ins Tagebuch zu schreiben, gehört zu den notwendigen Täuschungsmanövern, die zum Überleben notwendig zu sein scheinen. Ich werde hier bleiben müssen. Ich erinnere mich genau, daß zwischen Bad Betteldorf und Taunusstein ein Verkehrsübungsgelände war. Wenn ich mich also recht und an alles mögliche erinnere, brauche ich nicht mehr aus dem Haus zu gehen. Den Rest besorgt dann die Phantasie. Eine Busverbindung zur nahen Landeshauptstadt kostet hin und zurück mindestens 12 Euro (?). Ich bin mobil. Es gibt Leute die tuscheln hinter meinem Rücken, was will der eigentlich mit dem Auto, das steht doch immer nur herum, aber wenn der sein Motorrad nicht hätte… Hin und wieder bessere Reifen, was heißt, daß harte alte Pneus den Bremsweg verlängern… Unfallgefahr … daraus immense Kosten.

     Wer die Möglichkeit, mit seinem persönlichen Bericht ein Teil der nationalen Statistik zu werden, wissentlich mißbraucht, dem wird künftig die Fähigkeit zu Assoziationen entzogen. Ich weiß, was auf diesem Pappschild geschrieben steht, meine Herren, und deshalb bleibe ich beim mir vorgegebenen Thema, nämlich einen leicht analysierbaren Spontantext vorzulegen. Sie wissen auch, daß ich heute morgen vergeblich versucht habe, den durchaus angenehmen feuchten Traum von gestern wieder zu erhaschen.

    Die Idiotie einer gigantischen Steuerbehörde zur Veranlagung von allerlei Steuern und Abgaben, allein im Zusammenhang mit der Benutzung von Verbrennungsmotoren, ist in einem kompliziert verlaufenen historischen Prozess, vom absoluten Verbot von Jagd und Fischfang auf den Länderein und in den Gewässern der feudalen Herrschaften (Todesstrafe für Wilddiebe etc.), zur schlichten, dazu unwidersprochenen Abzocke des Steuersystems geworden.

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So wird die freiheitliche Mobilität, die eines der gerade gültigen Grundgesetze garantiert, in Wirklichkeit für große Teile der Bevölkerungen erheblich eingeschränkt. Sie werden deshalb zur persönlichen Mobilität gezwungen. Allein fast 500 Euro Versicherungsprämie für Kfz und Motorrad. Für das Auto TÜV im Januar. Was ist eigentlich mit dem vielleicht längst fälligen Zahnriemen? Was würde das wieder kosten? Was kostet dagegen ein totaler Motorschaden? Wäre es nicht viel billiger, all die wenigen Fahrten, wie den zweiwöchentlichen Großeinkauf, künftig mit einem Taxi zu machen? Hobby und Freizeit kommen eindeutig zu kurz… einfach mal in der Fußgängerzone herumschlendern, auch mal ein neues Buch kaufen können, allein weil es erst kürzlich in die Welt gekommen ist und noch nicht nach fremdem Tabakrauch oder nach sporigem Schimmel riecht. Beruflich brauche ich wenig Werkzeuge, einen etwas moderneren Rechner oder Laptop mit passendem Drucker, die benutzten sind mehr als 15 Jahre alt.

Gabe

Der Tag war glücklich.

Der Nebel fiel früh herab, ich hatte im Garten zu schaffen.

Die Kolibris rasten an der Blüte des Kaprifoliums1).

Es gab in der Welt kein Ding, das ich hätte haben wollen.

Ich kannte niemanden, den ich beneiden müßte.

Was Böses geschehen war, hab ich vergessen.

Ich schämte mich nicht zu denken, ich sei, wer ich bin.

Ich spürte keinerlei Schmerz im Leibe.

Aufgerichtet sah ich das blaue Meer und die Segel.

                                                                                             Czeslaw Milosz

…. scharfe Messer in der Küche, das ist erlaubt. Die liebe kleine Staffordshire-Hündin werde ich nicht bezahlen können, also doch sämtliche Fahrzeuge abschaffen? Die Drucker sind kaputt, der uralte Rechner verliert allmählich seine riesigen Dateien. Ich sollte endlich wieder mit Bleistift auf Schmierpapier schreiben und dann sogar die Stromkosten sparen. Jetzt hätte ich Lust auf etwas Süßes.

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Erstaunlich ist immer wieder, wie lange bei den armen Männern die Lust auf schöne, runde Brüste anhält.

    Andererseits vermisse ich nichts, was mir die Empfänger diese Berichte nicht immer wieder vergaukeln könnten, und weil ich das weiß, vermisse ich nichts. Im Gegenteil. Ich verberge mehr, als ich auf dieser glatten Oberfläche finde würde, und die Wahrheit ist eines der faulenden Holzstücke irgendwo in meinem Garten.

    Der große Verleger Siegfried Unseld wies einmal auf Alexander Mitscherlich hin, der gegenüber der Computermächte die Ich-Kräfte zu stärken forderte, zugleich eine neue Kultivierung der menschlichen Grundrechte, und Max Frischs bedrohliche und zugleich hoffnungsfrohe Aussage aus dem Jahr 1945 ist längst wieder aktuell geworden: „Es kommt auf den Menschen an . . . die Sintflut ist herstellbar.“ Der Mensch sollte ohne Leitbild auskommen, das wünschte sich Adorno, und ich kann mir denken, daß dabei alles auf den altmodisch wirkenden Widerstand hinausläuft, wenn es denn gilt, die eigene Identität zu finden und zu bewahren. Aus solcherart Literaturen erschafft sich vielleicht eine neue (literarische) Welt, aber nur dann, wenn vorher und immerzu bekennend gegen sie geschrieben wurde. Was bleibt: Das fortgesetzte Unbehagen an der Kultur.

Im Übrigen bin ich der Meinung, daß Nestlé zerstört werden muß!

Eine Adresse für die Zukunft und weitere Hinweise auf meine Aktivitäten möchte ich Ihnen nicht hinterlassen. Immerhin sind wir berichtpflichtigen Erstatter künftig noch leichter auffindbar seit die freie Welt gesetzlich in 30-Kilometer-Sicherheitszonen aufgeteilt wurde. Als ehemaliger professioneller Umweltschützer ziehe ich es praktischerweise vor, die touristisch erschlossenen Radieschen im „Radioökologischen Naturreservat“ von Tschernobyl beizeiten von unten zu betrachten . . . vorerst jedoch arbeite ich an einem vollkommen kleingedruckten manuskript über die „illegale migration“ solcher personen des öffentlichen interesses, die unbedingt ein villengrundstück im roten australischen busch bei woomera oder an der blauen lagune des bikiniatolls besitzen möchten. Ex ovo omnia. – Erst kam der Mensch, dann das Plutonium! Von euren devoten Schultern schmeißt ihr euren eigenen Kinder in den dreigestreiften Kot, in den Leichenmist, wieder einmal also: schwarzrotgoldner Lorbeer stinkt! (vgl. Prévert. Es ist aus).

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Aus einem Merkblatt für Scheidungswillige

Sarkastisches von einem der auszog, das Fürchten zu lernen

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Eine Ehe ist in gewisser Weise durchaus erträglich, wenn Sie alles heiter nehmen und nicht zuviel davon erwarten. Aber, darüber nachdenken, das verträgt sich nicht (…) Wenn Sie erstmal mit Argumenten beginnen, dann heiraten Sie nie. Nur zu, lassen Sie sich trauen! Hinterher werden Sie genug zu diskutieren haben. Das können Sie mir glauben. […] Bernard Shaw. Heiraten1)

I Want Into Mary’s Twat2)

Ein Mann  wie Bernard Shaw muß einen seiner üblichen Hintergedanken gehabt haben, als er sich ein nachhaltig aufsehenerregendes Theaterstück erdachte, in dem letztlich die sexuelle Sklaverei der Ehe – fast in einem freud’schen Sinn vorweggenommen – ganz wie die Lohnsklaverei in einem allein auf monitären Profit und gesellschaftlichen Vorteil gerichteten bourgoisen Wirtschaftssystem zur Grundlage einer permanenten oft genug üblen Abhängigkeit wird. Wie wir heute wissen, hat sein ausführliches, einhundert Seiten langes Vorwort mit seiner klaren Kritik an den damaligen sozialpolitischen Zuständen, wie sie aus vorherrschenden bürgerlichen Wertvorstellungen und ihren Konventionen erwachsen, womöglich mehr Aufsehen erregt, als die DEBATTE auf der Bühne,  und das gilt im wesentlichen bis heute. Dort, wo primitivste militärische Heerscharen, ihre auf Unterdrückung spezialisierte Gattungen und von Politikern, Juristen, Geheimdienstler, modernste Schnüffler und kaserniert gehaltene, schlagfertige Polizisten zur Durchsetzung der bestehenden Normalität sorgen, dort sorgen zugleich dienstsiegelführende Verwaltungsmonster, Standes- und Finanzämter, die gesamten Priesterschaften, die Liebesfilmindustrie, zuletzt üppig verdienende Advokatensyndikate, wie ein göttergleiches Relikt aus glorreichen Zeiten, für die Durchsetzung einer fast lächerlich wirkenden Einmaligkeit: der grenzenlosen Dummheit

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1) Bernard Shaw 1991

2) Bigbob 2012

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eine dieser nahezu vorgeschriebenen bürgerlichen Ehen einzugehen. In ihr manifestiert sich die Unterwerfung in doppelter Hinsicht, und muß am Ende einer Affäre meist teuer bezahlt werden, mit Geld, erbärmlicher Lieblosigkeit oder grenzenloser Langeweile. Die allerdümmsten Menschen können diesen durchaus üblichen Ausgang nicht vorhersehen, sie kleben auf überall ausgelegten primitivsten Leimruten, die tierische Relikte nennen, archaische Instinkte wie sexuelle Begierde, Verhaltensmethoden zum Überleben und zur Vermehrung, die Konvention der Zivilisation, kitschigromantische Abziehbilder der geschlechtsspezifischen Erziehung, und schließlich lauert da die Bequemlichkeit alles zugleich täglich ohne große Mühe und angeblich sicher und billig zu bekommen.

Der wahre Charakter bleibt lange verborgen1)

Wer muß heutzutage in seinem Freundes- und Bekanntenkreis nicht die griesgrämigen oder mitmalg gar kindisch euphorischen Zeitgenossen ertragen, die sich, aus welchen Gründen auch immer, zur Trennung von ihrem Partner entschließen mußten oder dies in Erwartung eines unbeschreibbar rührseligen, endlichen Glücks demnächst vorhaben. Bei der Trennung der Partnerschaft, sogar eines ehelichen Verhältnisses, und nur hier spricht man im gesetzlichen Kontext von einer ordentlichen Scheidung, kommen oft genug, meist wie aus heiterem Himmel, die unangenehmsten menschliche Charaktereigenschaften zum Vorschein, auf die genialerweise weder auf dem kommunalen Standesamt noch bei einer liturgisch einwandfreien kirchlichen Vermählung, beim für die Ewigkeit gültigen Eheversprechen sozusagen, hingewiesen wurde. Ich selber bin nach wie vor glücklich geschieden, was darauf hindeutet, daß ich seinerzeit voller Harmonie zu meinem bis heute andauernden Singledasein gekommen bin. Aber ein guter Freund, dessen dramatische Ehescheidung mir erneut mein Glück vor Augen und mich im nachhinein zu diesem Exzerpt geführt hat, dieser besagte Freund äußerte neulich, man müsse sich im Leben mehrmals scheiden lassen, erst dann begreife man die ungeahnten Höhen und Tiefen der menschlichen Seele ein wenig besser.

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1) vgl. Goethe: Wahlverwandtschaften

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Lieber eine gute Vorrede als eine üble Nachrede

Soll ich bereits in der Vorrede auf die wichtige Funktion hinweisen, die Scheidungsanwälte im Vorhof der Hölle einzunehmen bereit sind? Diese Spezies ist trotz ihrer erwarteten Parteilichkeit für ihre Mandantin oder ihres Mandanten jederzeit bereit, maßlose, meist sind es versuchte finanzielle Übervorteilungen gegen das gegnerische Klientel und adäquat ihre versuchte Abwehr, gegen ihr nur mäßiges juritisches Geschick abzuwägen; meist ist es ein unglaubliche teures Ungeschick, welches Scheidungsanwälte über ihre Mandanten schütten, so berichtete mir kürzlich mein armer Freund… dabei seien die verschleppende Fortsetzung eines Scheidungsvorgangs unter Einbeziehung letztlich aussichtloser juristischer Finessen allein für das an die Anwälte zu zahlende Honorar sinnvoll. Ohne zwei Anwälte geht es auch: Eckig, praktisch, gut!

Gesellschaftliches Unrecht ist natürlich

Allein die Männer (was bleibt dann noch?) scheinen bei Scheidungen weiterhin die hauptsächlich Benachteiligten zu sein, was leicht eine Tautologiediskussion auslösen würde. Zumindest erscheint das Konstrukt der kirchlich abgesegneten bürgerlichen Ehe auf allen TV-Kanälen, in Hollywoodschnulzen, Dorisdaysongs, bei Stars, Sternchen und ihrer Politprominenz, sowie in der bellestristischen, aus dem Amerikanischen übersetzten Regenbogenpresse (Random House: von C. Bertelsmann bis Edition Elke Heidenreich, Heyne Hardcore) alternativlos zu sein. Fehlen noch die schizophren Naivitäten fast aller ihrer Karriere verpflichteten Wissenschaftler, die demokratischen Sinn und allerlei Zweck etablierter Abhängigkeiten in jede bezahlte Richtung nachweisen. Sowie sie ihren Elfenbeinturm verlassen hatten sich nach einem ordentlich tragfähigen Diskurs umschauten (heute TV-Talkshows), trennte sich die Spreu vom Hafer, das Kursbuch wurde fortan heimlich gelesen. Als Pädagoge, eingeschüchtert durch Berufsverbote (SPD-Radikalenerlaß) und nach dem letzten Staatsexamen endliche Eheschließung mit frommem Kinderwunsch, weil es sonst zu spät gewesen wäre. Jetzt, noch vor dem verflixten siebten Jahr (Kreuz?), ist jedwede versuchte Aufmüpfigkeiten streng zu benoten, inmitten der Kohlkopfmonokultur Geschichtsunterricht „Gnade der späten

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Geburt“ abzuhalten. Dann inmitten ökonomischer Perspektiven blühender Landschaften, heißt viele Milliarden Euro-Blüten für Herren mit der weißen Weste, noch immer gut und glücklich verheiratet, dann aber kurz vor dem Oberstudienrat droht die Scheidung. Zum Glück hat die Lehrerehefrau ebenfalls Beamtenstatus, was vieles erleichtert. TV-Richter Holt inzwischen in einem Wiesbadener Luxus-Seniorenheim, dort wird alles geglaubt, was die in ihrer eigenen Meinungsvielfalt herum springende Journaille feuilletonistisch herunterbetet. Freiwillige Selbstzensur? Das ist nun einmal so, werden sie sagen, dann muß man auch für die Konsequenzen bereit sein.

                                                                Nicht jeder geht aufrecht

                                                                durch die Furt der Zeiten.

                                                                Vielen reißt das Wasser

                                                                Die Steine unter den Füßen fort.

                                                                        Peter Huchel. Das Gericht

    Was Theodor W. Adorno aphoristisch kurz und knapp seiner Moral des Denkens unterlegt, eben das gilt mir, bevorzugt für Nichtkatholiken, auch für die bürgerliche Ehe, die im Gegensatz zum nun einmal herrschenden gesellschaftlichen Zustand beizeiten wenigstens geschieden und aufgehoben werden kann: Sie dient allem Schlechten, von der Verstockheit des privaten Nun-einmal-so-Seins bis zur Rechtfertigung des gesellschaftlichen Unrechts als Natur (Minima Moralia 46, S. 90). An dieser späten Stelle ein weiterer wichtiger Hinweis zur vom Autor gedachten Lesart.

Hier stehe ich und kann nicht anders…

So oder ähnlich soll Martin Luther sein eigentlich konstruktives, formal aber ketzerisches Denken und Verhalten auf dem anklagenden Reichstag zu Worms seinem gnädigen Gott (nicht also sofort einem Scheidungsrichter) in die gütigen Hände gelegt haben. Ebenso wie es der anfangs vernünftig denkende Scheidungswillige zunächst gütlich einigend versucht, dann die erbarmungswürdige Sache aber über einen Advokaten ausmachen muß… Gott helfe ihm, Amen. Auf was ich unbedingt hinweisen möchte ist, daß ich um etwas Nachsicht bei der Übertragung dieser Erläuterungen auf die weibliche Situation und ihre andersartigen Empfindungen bitte, denn ich bin nun einmal, ganz besonders bei diesem begonnenen Thema, psychologisch ein bekennender Mann und kann

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beim besten Willen nicht aus meiner Haut heraus, zumal ich viele der beschriebenen oder angedeuteten schmerzhaften Erfahrungen selber nicht habe machen müssen und ich mich rhetorisch im fiktiven Teil eines beliebigen Textes bewegen möchte. Und wenn mir gerade Bekenntnisse zur einen oder anderen Ehescheidung und ihrem enervierenden Fortgang eröffnet werden, so muß ich feststellen, daß ich selber noch nicht einmal ein blaues Auge davongetragen habe, ich mich vielmehr stets als ein glücklich Geschiedener bezeichnen konnte. Freilich habe ich damals und später zu allem Ja und Amen gesagt, und das soll, ganz besonders wegen unserer durchaus wohlgeratenen Tochter, Zeit unseres Lebens so bleiben. Ich stehe also weiterhin zu meinem unproblematischen Umgang mit dem menschlichen Disaster, seine eigene Familie verlieren zu müssen, gerade dann, wenn man sich glücklich fühlt und eigentlich gerade nur wenig an seinem Leben ändern möchte. Spätere massive Depressionen, ein unnützes Dasein, weil man sich in Wirklichkeit später niemals mehr neu erfinden kann, haben deshalb wenig damit, schon garnichts mit dem Verlust der beruflichen Identifikation zu schaffen, der Aufgabe des regionalen Freundeskreises, dem plötzlichen Verlodern des gesamten Lebensplanes (und letztlich seiner Finanzierung) im berühmten biblischen Feuerofen.

Ohne Heirat auch keine Scheidung!

Wer rechtzeitig über diese äußerst simple Aussage nachgedacht hat und einer Heirat bislang erfolgreich aus dem Weg gegangen ist, der müßte eigentlich nicht mehr weiterlesen, es sei denn, er möchte ein wenig über den mißratenen Zustand der Gesellschaft und das wahre Glück schmunzeln. Er ist dem unglaublich heftigen, nur komplex erfühlbaren Drang, dem sozialen Druck seiner Gruppe, (dem Tribe) zur offizieller Vermählung mit heiler Haut entgangen. Er ist dem Trieb entronnen, der uns mit archaischen Wurzeln umfaßt, der sich leider meist in plumper Geschlechtlichkeit äußert, die wiederum in recht primitiver Lust und Hoffen ein reliktbetontes, viehisch zu nennendes Verhalten steuert, gegen das sich beizeiten kaum jemand, sogar Respekts- und Vertrauenspersonen nicht, so recht erwehren. Das beweisen uns grausame, alltäglich Kriegsszenarien, bedrängte und mißbrauchte Meßdiener

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und Sängerknaben, Dienstmädchen und Mägde, dann Mata Hari und Christine Keeler, denen alte, dicke Männer, die es eigentlich hätten besser wissen können, auf den Leim gingen – Kolateralschäden um die begehrte Vagina des Verteidigungsministeriums herum sind allerdings nicht zu befürchten. Aber selbst Huritänze vor der männlich besetzten Rüstungsindustrie, als Synonym bewährter Fortschrittlichkeiten zur Vorbeugung der Erektionsmüdigkeit bei der gegen Frauen und Kinder kämpfenden Truppe, sind nicht nötig. Der Soldat als einer der Ehemänner des Staates kann seinen Job kündigen. Nur sind bei manchen die Depressionen doppelt schlimm, denn welche vernünftige Frau würde sich nicht von einem kindermordenden Vergewaltiger scheiden wollen? Über all das läßt sich ein entschlossen wirkender Jürgen Todenhöfer interviewen, der seine diesjährige Tour in das Land der atomwaffengeilen Ziegenhirten, ihrer verschleierten Schönheiten und der bestialischen Scharfrichter wieder einmal überlebt hat. Liegt das daran, daß Todenhöfer in einer glücklichen und dazu noch mutigen Familie lebt und, was mir wichtiger erscheint, trotz seiner aktiven CDU-Mitgliedschaft ganz wirklich nicht zur selbstzensierenden deutschen Journallie gerechnet werden darf. Es hat nicht nur den Anschein, es scheint nachweislich täglich neu einzutreten, daß die allerschlimmsten Erscheinungen der Weltgeschichte sich in ihrer Brutalität zu steigern vermögen. Während ein global agierender, skrupelloser Finanzmarkt die Welt ausblutet und dabei das winzige Lebensglück eines jedes kleinen Würstchens in einer soziologisch makabren Falle kollektiver Schuldgefühle erstickt, sinken die Bevölkerungszahlen der westlichen Topkonsumländer und bedrohen dabei die kristlichen Vorherrschaften und dies trotz steigender Scheidungsraten in den katholischen Gummiverbotszonen. Jedwede Dialektik versagt im Vatikan – deshalb wird hier gebetet!

Mit einem lieben Gruß vom Höhlenmenschen

Wenn es denn tröstet: die Spezies Mensch ist geologisch oder paläontologisch betrachtet erst wenige Minuten auf der Welt, wenn wir denn ihre entwicklungsgeschichtliche Genese in einem 24h-Maßstab betrachten würden.

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Das bedeutet, daß sich der heutige Mensch mit all den spezifischen Hochtechnologien und seinen analytisch zu nennenden Existenzbedingungen dem spezifisch definierten Tierreich kaum weit entfernt hat. Er verhält sich als modernster Homo sapiens mitsamt seiner Zivilisation ganz wie das unerzogene, sich selbst noch unbewußte Kind, welches sich heimlich aus dem Kindergarten schleicht, um noch vor Mittag heim zur Mama zu laufen, um dann abends vom strafenden Vater verprügelt zu werden. Der Mensch ist seiner viel zu schnell abgelaufenen Evolution geradezu entsprungen, allein weil sein Gehirnvolumen schneller gewachsen ist, als seine moralische Fähigkeit zur minimalen humanistischen Verantwortung, die sich aus seiner zivilisierten Stellung in der Natur eigentlich ableiten sollte. Das bloße Es als Vernunft des Menschen zu nutzen, mag weiterhin Wunschtraum der Moderne sein. Es wird aber niemals zum erkennenden Ich generieren, wenn damit die Verhältnisse in Frage gestellt werden. Wie lange wird die Persönlichkeitsentwicklung zum Gutmenschen noch andauern, wenn es dem realen Menschen in Wirklichkeit kaum um dauerhafte Partnerschaften, stattdessen jeweils bloß um maxipotente Männchen und gigafruchtbare Weibchen geht. Die Sexualität ist dabei das alles antreibende Motiv! Im Alterungsprozeß der meisten Politiker, Topmanager, ihrer Rottenknechte und Chargen, wirkt die bloße Erinnerung daran wie ein unrund laufender, schlecht geschmierter Motor, der dennoch weiterhin einzigen Transmission zu den Potenten und den Jüngeren ist. Ebenso wie der auf genialste Weise niemals angewandte, aber theoretisch sehr bedeutsame kategorische Imperativ ein durchaus simples aber tragfähiges Produkt der abendländisch-idealistischen Philosophie ist, ebenso ist das auf den ersten Blick primitiv wirkende stringente SCHEIDUNGSRECHT eine Farce. Es ist einer erst nachträglich wirksamen Möglichkeit des amtsrichterlichen Kirchenaustrittes ähnlich, nachdem unschuldige, nicht steuerpflichtige Kinder schlichtweg in steuererheischende Konkordatskirchen hineingeboren werden, im normalen Falle also niemals im bürgerrechtsfähigen Alter ein selbsterklärtes Mitglied und somit Kirchsteuerzahler geworden sind. Nur in Verbindung mit einem Familienrecht, dem Kinder- und Tierschutz, der Finanzgesetzgebung, den berüchtigten Steuergesetzen

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(mit dem Fluchthelfer-Entschädigungsgesetz) und anderer verbürgter und vererbter Unrechtsnormen, ist zu erkennen, daß die bürgerliche Ehe in dieses gesellschaftliche Geflecht wie in einen dicken, schwarzhaarigen Schneewittchenzopf geflochten ist. In der Praxis wird nicht die Ehelichung sondern nur die Scheidung der lukrativen Fakultät der Jurisprudenz zugeschanzt, inzwischen auf gemeine Untreue, Unzucht mit Minderjährigen (Hygienevorschriften der Gewerbeämter), Steuerhinterziehung, Liebesentzug trotz Bordellbesuchen oder fortgesetzten Kindsmord spezialisiert. Nach den tumben Scheidungsanwälten, wenn es denn wegen der unerträglichen Lügen und Verleumdungen der veruntreuten Ehefrau (vgl. Einseitigkeitserklärung des Autors aus rhetorischen Gründen; S. 74) endlich einmal zum klassischen Mord käme, wird die wahre Elite, die der Strafverteidiger aktiv, was uns ein genialer Charles Laughton mit seiner unübertroffenen Spielart im Filmklassiker Zeugin der Anklage bewiesen hat.

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[…] In Teilen nach Überschriften der Inhaltsangabe zur Vorrede in Heiraten – eine Debatte von Bernard ShawJ:

Der Aufstand gegen die Ehe (11)… Weil unsere Ehegesetzgebung so unmenschlich und widersinnig ist, daß man sie geradezu verabscheuen muß, gehen die kühneren und rebellischen Geister illegitime Verhältnisse ein und versenden herausfordernde Anzeigen an ihre Freunde, in denen sie verkünden, was sie getan haben. Wer sich nun dem üblichen Standard, dem der gesellschaftlichen Legitimierung beugt, und eine Ehe eingeht, dies obwohl er von einem anarchischen Geist durchströmt wird, der mag seinen individuellen Vorteil in einem dieser freizügigen Eheverträge sehen, in denen zumindest eine sexuelle Selbstbestimmung bis hin zur handfesten Promiskuität vereinbart wird. Die Praxis führt (angeblich) meist dennoch zur üblichen Monogamie mit all den ihr anhaftenden Vor- und Nachteilen für den verheirateten Philosophen, der nach Nietzsche eine lächerliche Figur ist.

Heute vollziehen sich parallel zu nach wie vor mächtig wirkenden ultrakonservativen Kirchengesetzen, ihren unbarmherzigen

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Institutionen und denen der schwärzesten Parteipolitiker, soziogesellschaftliche Entwicklungen hin zur komplexeren generellen Gleichstellung der Geschlechter. Beim Gender Mainstreaming1) handelt es sich längst nicht mehr um eine überlieferte explizite Frauenpolitik sondern um eine Einbeziehung beider Geschlechter. Das erscheint vollkommen neu, und es betrifft ganz besonders auch den Charakter und die reale Bedeutung der Ehe.

Die Pille machte es möglich. – Die soziologischen Notwendigkeiten einer Neubewertung der Geschlechterrollen im liberalisierten Kapitalismus haben ihre Anfänge eindeutig im linken Lager. Ein roter Faden zieht sich von den Anfängen des Marxismus-Leninismus, über verschiedenste linke Strömungen und Theorieauffassungen, besonders über den Feminismus und die 68er Jugendbewegung, bis in die „sexuelle Revolution“ hinein. Sogar die politische Penetration der Schwarzen nennt man nun einen Diskurs.

Die Ehe trotzdem unvermeidlich (12)… Das Ehegesetz ist grausam und hart gegen jeden, der sich dagegen stemmt, deshalb nützt es jenen am meisten, die vorgeben verheiratet zu sein, es aber nicht sind. Unvermeidlich ist die Ehe wegen ihrer Bequemlichkeit in allen Dingen des Lebens. Nur wer auch in diesen Dingen eine Sonderrolle einnehmen möchte, wird sein Junggesellenleben fortsetzen oder heiraten und sich entsprechend arrangieren müssen. Einen gewissen Zwang übt die zivilisierte Gesellschaft immer aus, sie könnte sonst nicht existieren und noch weniger funktionieren.

Was bedeutet das Wort: Ehe? (13)… Jeder kann sich leicht vorstellen, daß Menschen untereinander sich in Reich und Arm unterscheiden müssen, denn das eine bedingt schließlich das andere. Nun kann bei Unterscheidungen des Familienstandes aus der fortgeschrittenen kritischen Sicht eines sicher festgestellt werden:

Neben verheiratet, oder verwitwet vermittelt geschieden, daß der Träger dieses Standes, ganz wie ein zurückgekehrter heldenhafter Frontkämpfer in Wahrheit in einen Stellungskrieg der Schlauen gegen die Dummen verschleppt wurde.

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1) Rosenkranz, Barbara (2008): „MenschInnen“ Gender Main-streaming – Auf dem Weg zum geschlechtslosen Menschen.

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Er hat die sinnlosen Grausamkeiten amtlich inszenierter Ermüdungsschlachten zwischen den Geschlechtern durch eigene Härte, Duldsamkeit aber auch glückliches Geschick überlebt, es meist in seinen psychischen und finanziellen Nachwirkungen aber nicht ganz heil überstanden. Das Posttraumatische Schleudertrauma, manifestiert sich bestenfalls als ordinärer Liebesentzug, das gilt dabei als die mildeste Form und ist am Ende der Ehe in mancher Scheidung zudem billig zu haben.

Überreste der sexuellen Sklaverei (15)… Fern jeder Glückseligkeit des Ehelebens wird das Weib wie Ochs und Esel als bewegliche Habe eines kristlichen Mannes betrachtet. Männlicher Ehebruch ist tolerierbar… an solchen Fakten hat sich einiges geändert, denn wir beziehen uns hier auf mitteleuropäische Verhältnisse. Auch hat die physische und wirtschaftliche Abhängigkeit der Frauen deutlich abgenommen. Shaw weist auf moralische Lächerlichkeiten hin: Der sozialkritische Percy Shelley lebte als linker Schriftsteller und Dichter tadellos mit seiner Familie, griff ausdrücklich die Zustände der kapitalistischen Ausbeutung und die verkommene und verlogene Institution der Ehe an, galt somit in England als „Enfant terrible“, quasi als ein Teufel in menschlicher Gestalt, wogegen Lord Nelson, der mit Sir William und Lady Hamilton eine „Menáge à trois“ bildete, bis heute als der britische Nationalheld vergöttert wird.

Ein gebildeter unverheirateter Mann hätte, wenn er denn nur gewollt hätte, als ein noch kühnerer Künstler und Freidenker agierend, als das der zwar sittsam lebende aber kritische und politökonomisch klassenbewußt schreibende Shelley jemals war, als arger Wüstling, ohne moralische Probleme mit der spießigen Bourgeoisie zu bekommen, ein wildes (unpolitisches) Abenteuerleben in jeglicher Hinsicht führen können. Nicht so einst die herrenlos gebliebenen Frauen, die vielleicht gern ein freies nicht weniger wildes Vagabundenleben gegenüber ihrer tabuisierten und stummen gesellschaftlichen Strafe von grauer Jungfernschaft, ihrem Gouvernantentum, ihrem Zölibat dazu, getauscht hätten.

Der neue Angriff auf die Ehe (18)… Die Funktion der Ehe, für ausreichend Nachwuchs zu sorgen, ist im Kapitalismus mit seiner flexiblen Industriegesellschaft zunehmend in Frage gestellt. Der religiöse Aufstand gegen die Ehe ist dabei sehr alt, Unkeuschheit

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kann nicht zu einem höheren Leben führen, behauptet bis heute der Katholizismus. Daraus resultiert, daß innerhalb der Ehe ebensolche Vorschriften einzuhalten sind, die allein der Moral und dem Staat durch ausreichendden Nachwuchs für die Fabriken etc. nützen. Ein stummer Schrei nach Gerechtigkeit wäre hier albern und zugleich unnütz, denn die sexuelle Versklavung durch die Lust, welche zwei Menschen dazu bringt, gegenseitige Sklaverei auf sich zu nehmen, ist bis zum heutigen Tag eine aktive Kraft in der Welt geblieben und wirkt derzeit beunruhigender denn je. Eine grundsätzliche Kritik an der ungerechten Gesellschaft sollte an ihren wahren Wurzeln ansetzen. Aber es hat den Anschein, daß die theologisch motivierten paulinischen Ehelosen heute eher unbedeutend sind, vielmehr für entspannende Kinderlosigkeit und mehr versüßenden Konsum der rein egoistischen meist doppelt verdienenden Ehegegner sorgen, deren Einwand gegen die Ehe die unerträgliche Würdelosigkeit ist, die darin besteht, daß man das Eheleben so wünschen oder leben solle, wie es normalerweise aufgefaßt wird.

Eine vergessenen Konferenz verheirateter Männer (20)… Viele der Ansichten über die bürgerliche Schreckenskammer, dem ehelichen Schlafzimmer, einst von würdigen Sittenwächtern geäußert, waren zu nichts gut, außer die herrschenden Zustände so zu belassen, wie sie nun einmal sind, und für die gesellschaftlichen Institutionen eine schwarzberockte Armee des Unglücks gegenüber jeglichem kleinen, allem nur denkbaren Fortschritt zu rekrutieren. Und sie taugen für keinen einzigen sterblichen Zweck als für die Fortsetzung dieser Lebensweise. Die spezifische Lebensweise der heutigen Middle Class, die mit ihren testosterongeschwängerten Hodengehirnen und SUV-Autos auf der Überholspur unterwegs ist, entspricht absolut der Funktion viktorianischer oder preußischer Kritiklosigkeit. Mit der Zweitausfertigung des Breitreifenvans, dem hochglanzverchromten Bullbar tragenden Minipanzers, wird die Brut von der karrierebewußten Mama während ihres Erziehungsurlaubs zum Pferdehof, zur Tennis- oder Balletstunde, zum Kindergeburtstag in der Kruga-Halle gefahren.

Alles etablierte Neue, alles an schleichender Liberalität, die sozialen Errungenschaften dienten vordergründig der aufkommenden Industrialisierung, wie es heute dem grassen Sozialabbau, der Armutsbildung und ihrer Vermehrung sowie der

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Kaschierung erbärmlichster ungerechter Dauerzustände dient. Der Eckpfeiler dieses Systems war die Familie und die Institution der Ehe, wie wir sie heute (…) haben. DieNeueHeimat und das Vaterland der Duckmäuser und Wendehälse!

Herd und Heim (24)… Das häusliche Familienleben hat in der Vergangenheit oft eine Erhöhung erfahren, die man ihm ganz wie andere Bereiche wegen der religiösen Scheinheiligkeit und staatspropagandistischen Zentralität, nicht zugestehen sollte. Nun hat sich die totale Verherrlichung und Verkitschung des Idylls fast in ihr Gegenteil verwandelt. Weil gerade konservative Dumpfbacken ihr Frau-und-Mutter-gehört-an-den-Herd-Postulat weiter durchsetzen wollen, denken wir gleich an bajuwarische Politikertypen, an verhärmte Familienministerinnen (schon längst ist der Goldene Mutterschaftsorden fällig; als Kriegsministerin post mortum das Ritterkreuz mit goldenem Eichenlaub, Schwertern und Brillianten?), oder wir denken an puritanisch vermittelalterlichte Republikaneridioten in USA. Well, Reagans Krieg der Sterne allein wegen seiner flachen Unterhose? Das sehen die NASA, Lockheed Martin und Siemens aber anders.

    Die Mariafunktion, die sexuelle, die materielle Ausbeutung, die Sehnsucht nach dem künftigen Mutterschaftsorden und die Unterwürfigkeit im alltäglichen Gebrauch wird nur unterbrochen in aufregenden Zeiten der Kriegsproduktion, in der die Frauen da und dort eben die Waffen herstellen müssen, mit denen sie selbst und ihresgleichen, ihre Männer, Väter und Kinder ermordet werden. Die Frau trägt Overall, die Mutter wird Rot-Kreuz-Schwester, sie schreibt lange Transportlisten oder schaffnert sogar in Reichsbahnuniform die voll belegten Auschwitzzüge, die leeren auch (Auschwitzlüge?). Herd und Heim unterliegen dann einer logistischen Prüfung; und am Ende war alles ohne Sinn und Zweck, weil ES erneut den mörderischen Kreislauf beginnt. Die Ehe Kristallisationskeim für gemütliche und effektive Nachwuchsaufzucht, Ort für Nahrungsaufnahme, zur Befriedigung sexueller Lust, Sumpf kompensierenden Konsums und die allgemeine Forderung nach eigener Facon selig zu werden. Hier liegt die bildungssprachliche Krux. Wohlfühlsprech?Alter, wat gehtn denn hier grad ab, eh.

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Zuviel des Guten (27) … Internat, Kaserne, Trautes Heim scheinen vergleichbar gemütliche Unterbringungsorte zu sein, doch allein das häusliche Leben heuchelt sich dabei Liebe als Atmospäre vor, unter der alles weitere stattfindet. Da wären einem gesunden Knaben gar das strenge Internat, einem jungen Mann vermutlich die Soldatenbaracke oder das enge Deck eines Schiffes inmitten seiner rauhen Kameraden lieber. Kein gesunder Mensch, kein gesundes Tier beschäftigt sich mit Liebe gleich welcher Art länger als einen kleinen Bruchteil der Zeit, die man der Arbeit widmen muß und den Zeiten der Erholung, die ganz und gar nichts mit Liebe zu tun haben. Die Ehefrau und Mutter, was eindeutig eine Steigerung der Probleme verspricht, die zu Hundert Prozent und ausschließlich mit ihrer Liebe für ihre Familie beschäftigt ist, muß alles Gesunde um sich herum über kurz oder lang krank machen, besonders ihre eigenen Kinder. Ziemlich häufig gehen sie wirklich daran zugrunde – vor allem an den ständigen Versuchen der Mutter, eine frühreife Sentimentalität zu erregen: eine Praxis, die so fragwürdig und möglicherweise so schädlich ist wie die schlimmsten Tricks der schlimmsten Kindermädchen. Diese brachten ihre Schützlinge manchmal um, allein, um den Grund weibischer Einsamkeiten und ihres Heimwehs zu beseitigen1), nur um wieder heimzukommen.

Große und kleine Familien (28)… Es gibt bisweilen gesunde Familien, die solche Tendenzen nicht zulassen. Der gegenseitige Daueraustausch von Geburtstags- oder Weihnachtsgeschenken, wird per definitiver Absprache so gut wie abgeschafft. Allzu lästige Einschränkungen, wie das tägliche Telefonat der Mutter zu Wohnorten der erwachsenen Kinder, eifersüchtige Kontrollanrufe beim Ehemann im Büro, Geschäft, Amt, Lehrerzimmer, in der Taucherglocke, in der Dekontaminierung des Atomkraftwerks (Ehemänner haben manchmal absonderliche Berufe), finden auf kalkulierbarer Grundlage nicht mehr statt. Große Familien stehen aus rein organisatorischen Gründen oft unnötigen Sentimentalitäten fern. Andererseit liefert der heutige Trend zur Kleinfamilie eigentlich viel regelmäßiger Gründe zur Installation eines Puppenheims, was durch die Beteiligungspflicht am unmenschlich agierenden kapitalistischen Lebensstil auch meist nicht ganz vermieden aber der Mode folgend grauweiß, dazu klinisch sauber kompensiert wird.

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1) Karl Jaspers: Heimweh und Verbrechen. Als seine Dissertation.

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Ein wenig Sentimentalität kann zwar sehr gut sein, aber chronische Sentimentalität ist ein Greuel, gefährlicher, weil leichter möglich, als die Erotomanie, die wir alle verdammen, wenn wir sie nicht gerade gedankenlos als Idealzustand der Ehe glorifizieren.

Das Evangelium von Laodicea (30) … Die Steilvorlagen, die über die Prämissen des gutherzigen Kristenmenschen seit frühester Zeit gespielt werden, sind kaum nachzuvollziehen. Es ist auch eine Tatsache, daß das frühe Kristentum radikal mörderisch gegenüber Andersgläubigen auftrat, und das waren anfänglich wohl fast alle. Ein Hauch von Che Guevara, der den hin und wieder unterdrückten Kristengemeinden anhaftet, ist eine schöne aber eine Legende. „Seien wir realistisch, versuchen wir das Unmögliche!“ Das hat nichts mit religiösem Glauben zu tun, das ist eine urtümliche Begeisterung, hier funkelt Entdeckergeist, vielleicht ist es eine durchaus revolutionäre Liebeserklärung an die Genossen. Ein Mensch kann nicht nur ständig daran denken müssen, gut zu sein. Jemand der ernsthaft und kritisch die Heiligkeit nur zitierte und/oder dazu aufrief konsequent Gutes und Vernünftiges zu tun, wurde als vom Teufel besessener Ketzer verbrannt, oder anderweitig kaltgestellt, die wirklichen Bösewichter, natürlich nur die prominenten unter ihnen, kamen mit einem halben Stündchen am Pranger und einer steilen, aber lukrativen Karriere davon. Wenn es sicherlich nötig und praktisch war Savonarola zu verbrennen, denn er war ein ekelhafter Störenfried, so war es doch töricht, Sokrates zu vergiften und die heilige Johanna zu verbrennen.

Die extremen Lebensweisen in dieser und in jener Richtung sind per se für eine funktionierende Gesellschaft unproduktiv. Deshalb werden Verbrecher nur geduldet wenn sie sich reich und mächtig, organisieren und mit dem nützlichen NORMALEN vernetzt sind. Nichtsnutzige Nonnen und Mönche, Künstler und Scharlatane, Langhaarige und Gammler, kritische Philosophen werden geduldet bloß weil sie jederzeit straflos verjagt oder eliminiert werden könnten, sie zur Anschauung zugleich recht nützlich sind bei der Vermittlung der bürgerlichen Normalpflichten, was meist mit der Erziehung zum Normalmenschen mit seinem Mittelmaß beginnt und mit Unterwerfung und Ignoranz zu tun hat. Instinktiv mißtrauen wir den allzuguten wie den sichtbar schlechten Zeitgenosssen.

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Wir brauchen gute und schlechte Menschen sowenig wie Riesen und Zwerge. Was wir wirklich brauchen, ist eine hohe Qualität unserer Normalmenschen, Menschen, die viel anständiger sein können als das, was wir jetzt anständig nennen, und dies ohne Selbstaufopferung. Die volle Hingabe, das mühsame Opfer ist überall und immer nur dann nötig, wenn der Widerstand gegen das Gute so stark ist, das er zum Vorteil des Bösen zu siegen imstande ist und diesen Platz des Sieges zur offenen Stadt erklärt, in der jeder nach seiner Lust herumfuhrwerken könnte, wenn er es denn tasächlich kann. Falls in einer Ehe ein sinnvoller und praktischer Ausgleich der Temperamente und der moralischen Dispositionen erreicht werden kann, so wäre es zugleich wünschenswert, daß alles ohne eine Überanstrengung gelingt.

Auf Gedeih und Verderb (33) … Gerade der in Scheidung befindliche, künstlerisch empfindsame Mensch wird sich nur ungern an seine Verliebtheiten erinnern, an die durchlebte Liebestodesangst, in deren Schwung und Gelassenheit jedwede Kreativität wie ein Kuß der Muse gewesen zu sein schien. „… Selten ist es, daß in einem Manne die Gabe sprühenden Witzes, zersetzender Satire und einer alles zermalmenden Schärfe des Urtheils mit einem Herzen gepaart wäre, welches ein weiches sein muß, um der äußeren Raserei der Liebesleidenschaft fähig zu sein…“ (Karl Kraus, aus einer Swift-Monographie, im Brief an Sidi erstmals 23./24. 09. 1915). In der Trauungsliturgie scheint mit Absicht jedwede Wahrheit in blödsinniger Weise vergessen zu werden, stattdessen wird die religiöse Deckelung versucht, weil es sich eigentlich doch um einen juristisch gültigen Vertrag handelt, der Besitz seine Sklaverei nicht genau regelt aber auf ewig festschreibt. Es wird regelhaft verlangt, zumindest unterstellt, daß ein verliebter Mensch, der nachweislich in einen kurzzeitigen geisteskranken Zustand geraten ist, diesen Zustand ewiglich beibehalten soll. Das tatsächliche Ergebnis ist aber, daß man von zwei Menschen, wenn sie unter dem Einfluß der heftigsten, wahnsinnigsten, täuschendsten und vergänglichsten aller Leidenschaften stehen, den Schwur verlangt, in diesem erregten, abnormalen und erschöpfenden Zustand zu verharren, bis daß der Tod sie scheidet.

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Die Variationen, in denen Eheleute künftig zusammenleben (müssen) sind sehr vielfältig und hängen meist stark vom Einkommen ab. In der Klasse der Müßiggänger gibt es oft überhaupt kein richtiges Familienleben. Die Privilegien wie Hausangestellte, Kindermädchen, Klubbesuche, Sportarten, Bälle und Empfänge, lassen für die einzelnen Eheleute ein separiertes Leben zu.

Anders die arme Arbeiterfamilie (resp. Harzt IV-Familie, Flüchtlingsfamilie), in einer engen Wohnung, gar in einem Zimmer, in der die Ausführung der Eheverpflichtungen an sich leichter zu erfüllen sind. Dennoch wird hier leicht vorstellbar, daß diese Bedingung in der Praxis viel schwerer auszuhalten und viel schädlicher in ihrer Wirkung auf die Beteiligten und damit auf die Gemeinschaft ist als die andere Lösung. Somit sehen wir, daß der Aufstand gegen die Ehe sich keineswegs nur gegen ihre Schändlichkeit als Überrest der sexuellen Sklaverei richtet. Diese Kritik paßt nun am allerbesten in die käufliche Welt der Sachen und Werte. Der Aufstand gilt jedoch auch ihrer Sentimentalität, ihrer Romantik, ihrer Verhimmelung der Verliebtheit, ja sogar ihrem enervierenden Glück.

Nicht unabhängig von den systemnützlichen Bedingungen des bürgerlichen Ehelebens unterliegen die Menschen zugleich dem alltäglichen Einfluß brutalst gefühlmanipulierender Spezialindustrien, wie Journaille, Regenbogenpresse, IK-Technologie, Film und Fernsehen. Fast vergessen wir die metallische Fahrstuhlmusik hinter den akuten Rundfunkmeldungen, die uns zugleich in allen Lebenslagen, sogar in Restaurants (!) berieselt. Auffallend echt spiegeln sich in den Ergüssen der Massenmedien (gibt es eigentlich andere? Welche?) die Interessen eben dieser Industrien und ihrer Surrugate. Die eins zu eins Abbildung von haarsträubend standardisierten, auf ewig wiederholbaren Nutzlosigkeiten aber auch plumpe Szenarien über Gut und Böse, nicht immer in blanken Märchen erzählt aber stets erkennbar ähnlich strukturiert, töten den Geist – dann war‘s das auch schon. Neben täglichen Tierfilmen, Landschaftsluftaufnahmen, Kochsendungen, die fingierten GERICHTSVERHANDLUNGEN, zahllose TATORTE und Kriminalfilme und Seifenoperserien, in denen stets das GUTE gewinnt, wo Andere die große LIEBE finden, sie festhalten und sich am nächsten Tag HEIRATEN, das macht einschließlich der Pressen

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gefühlt bereits 80 % des gesamten Kulturprogramms aus. Unter diesen Bildungsbedingungen noch einen vernünftigen Verstand zu finden, der repräsentativ vieles des Dargebotenen ablehnt und sogar offen boykottiert, das treibt die einsame Seele am Schluß in die offenen Arme von Richard Wagner, den er wegen des mühsamen Lernstoffes zum bloßen Verständnis bislang nie hat ehelichen wollen. Was ist eigentlich mit der Treue? mit der Untreue? Immerhin doch Vertragsbruch und eine verkaufte Braut bei Rheingold1)  – wenigstens ein spannender, realistischer Anfang!

Gesucht: ein unmoralischer Staatsmann (35) … Politiker sitzen bildlich betrachtet auch beim Thema Ehe zwischen zwei Stühlen. Sie müssen die widersprechenden Interessen der Beteiligen kaschieren. Am leichtesten ist die Volksmeinung manipulierbar. Daß zu wenig Kinder geboren werden, liegt in einer vordergründig unmenschlich strukturierten Konsumgesellschaft nicht daran, daß zugleich fast die Hälfte aller Ehen wieder geschieden werden, sondern am Einfluß fremdartiger Zuwanderer oder ist vom internationalen Terrorismus hinterlistig verursacht. Solche und ähnliche Verlautbarungen der Politik haben deshalb direkt mit den Bedingungen der Ehe zu tun. Wenn der Papst als unverheirateter Staatsmann vor den Massen auftritt, so gibt er Eheleuten in der Krise des Ehestreits Ratschläge. Beendet den Tag nicht ohne Frieden geschlossen zu haben (Papst Franziskus auf dem Weltfamilientreffen in Philadelphia USA, 2.10.15) Die Familie ist die Schönste Sache, die Gott geschaffen hat. … Es gibt Fälle, in denen eine Trennung unausweichlich wird… (Bischofssynode Oktober 2015).

Das Problem ist nicht die Scheidung an sich, sondern das Beginnen einer neuen (sexuellen) Beziehung, deshalb weiterhin die Verweigerung der Sakramente für den zumindest weltlich geschiedenen Katholiken. Ein Eigentor bei der Verweigerung der Beichte: der perfekte Geheimdienst des Vatikan bekommt hier kleine Wissenslücken und das schon an der Basis der katholischen Gemeinden, aus denen die örtlichen Priester regelmäßig (zweiwöchentlich?) detailliert Neuigkeiten schriftlich an ihre Vorgesetzten

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1) Rheingold: es geht um das Brechen von Versprechen …

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melden müssen. Über den Bischof etc. gehen geheime Daten bis zum Vatikanstaat mit dem effektivsten Geheimdienst der Welt! (sic).

Hier leitet sich eine zentrale Frage ab, die sich aus der synodalen Theologie (der kristlichen Kirchen) zugleich auf die politischen Bedingungen (des bürgerlichen Staates) übertragen lassen. Soll die Kirche sich nach den Menschen richten (gesellschaftliche Realität), oder die Menschen nach der Kirche (vorgeschriebene Moral)? Die Politik müßte eindeutig realistischen Vorgaben folgen, somit die kristliche Moral zu beugen verstehen. Einzig der Protestantismus (in angloamerikanischer Kultur traditionell der Puritanismus) hat sich in seinem elementaren Verständnis dahin entwickelt, den wirtschaftlichen Erfolg (Berufskarriere, Besitz, Profit, Zinseszins, Reichtum) und bürgerliche Integrität als gottgefällig zu normieren. Ein gutes Beispiel für ein geringes, zumindest sehr spezifisches Maß an Scheinheiligkeit lieferten die erfolgreichen Walfänger von Nantucket … ganz besonders die außerordentlich tüchtige aber auch unterleibsbezogene Moral der auf der von Walöl verpesteten Insel lebenden einsamen Ehefrauen und nicht zuletzt unter ihnen die reichen Witwen der auf See gebliebenen Walfängerkapitäne.1)

Die Grenzen der Demokratie (37) … Immer wieder zeigt es sich, daß eigene Erfahrungen, die bestimmte Lebenseinstellungen (vom intellektuellen Wahn bis zu den gemeinen Depressionen) provoziert haben, nicht auf jedermann übertragbar sind. So ist eine anständige Verantwortung nicht billig, erst recht ist eine intellektuelle Redlichkeit auf dem freien Markt käuflich nicht zu erwerben. So muß es auch im persönlichen Verhalten sein wenn es darum geht eine Partnerschaft aufzukündigen, oder eine erhaltene Kündigung zu akzeptieren. Was für die Ehe gilt, das läßt sich gleichfalls auf das Verhalten des Staates übertragen, der diese Ehe für seine Existenz ebenso benötigt wie der Kapitalist sein Kapital, seine Arbeitssklaven und seine Käufer für seine Waren. Weil die Parteiendemokratien als hierarchische Organisationen nicht zum

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1) vgl. Stephan-Kempf (2006)

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Wohle der allermeisten Menschen etabliert sind, sie vielmehr auf Grund der Fähigkeit zu Opportunismus und Ignoranz seiner Mehrheiten sich behaupten können. So bekommen die allermeisten Vorschriften und Gesetze, die Handelsgeschäfte und alle sich permanent wiederholenden Vorgänge einen ein- oder zweideutigen negativen Charakter. Die bürgerliche Ehe ist ganz wie jede andere Vereinbarung, die amtlich vollzogen wird, nicht einziger Garant für eine gesicherte Versorgung der Beteiligten, aber vielmehr die Begründung einer existenziellen weil finanziellen Abhängigkeit von Dritten. Immerhin ist es beachtlich, daß im Zuge des Frauenwahlrechts (vgl. Shaw: Frauenstimmrecht 69) auch die Möglichkeit zur Ehescheidung eine gewisse Toleranz und Normalität erreicht hat, die lediglich durch die unverständliche Akzeptanz von ständiger Arbeitslosigkeit, zunehmender Ausbeutung in prekärer Weise, Geldentwertung und sozialer Unsicherheiten übertroffen wird. So gibt es für die fiktiven Demokratien niemals eine Grenze, denn sie würde eigentlich erst dort beginnen, wo sie einer strengen realen Prüfung unterzogen werden kann, welche wahre Wirkung sie auf das menschliche Wohlergehen haben.

Wissenschaft und Kunst der Politik (38)… Die Wissenschaften, wen wundert es noch, sind an einer Kritik der Bürgerehe generell nicht interessiert. Obwohl manche ihre Forschungsinteressen ansonsten Verknüpfungen mit dem Gesellschaftlichen schon wegen ihrer Finanzierung erfordern, findet eine elementare Beschäftigung mit komplexen soziologischen Zuständen immer dann nicht statt, wenn sie sich seit den frühen mittelalterlichen Herrschaftsmodellen für Oberschicht und Kirche nicht bewährt oder als schädlich herausgestellt haben.

Besonders die patriachalischen Organisationsformen, und das sind immerhin fast alle, bleiben mit allem anderen in der Welt wie mit festem Weiberhaar verflochten. Politische Wissenschaft bedeutet nichts anderes als die Planung der besten Maßnahmen, den Willen der Welt zu erfüllen… und wenn Shaw jetzt wiederholt, daß diese Arbeit hohe Geschicklichkeit erfordert, so klingt mir das ein wenig, wenn nicht sehr deutlich nach dem späteren Max Weber…

Was nun die Kunst betrifft: an ihr ist nichts wahr als ihre professionellen Übertreibungen. Die bürgerliche Ehe ist keine abstrakte

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Angelegenheit und wird deshalb nahezu mit allen Spielarten und Kunstformen aufrecht erhalten. Man wird sich hüten, dem dumpfen Bedürfnis der ungebildeten Masse nachzugehen … Das wäre wie in einer Demokratie, die nicht den Vorgaben ihrer Auftraggeber und Garanten folgt. Die Freiheit? … wie der Hund eines Blinden, der überall hintrottet, wo der Blinde ihn hinzieht, mit der Begründung, daß beide an denselben Ort gelangen wollen.

Warum Staatsmänner der Ehefrage ausweichen (40)… Im Gegensatz zu Politikern erheben professionelle Kristenmanager die unbedingte Notwendigkeit der Ehe schon aus rein beruflichen Gründen zum Tagesthema. Im Oktober 2015 beschäftigen sich 270 spitzenbesoldete katholischen Bischöfe und ihre Ordonanzen (in Deutschland als Widergutmachung des Säkularisierung mit Geld aus dem öffentlichen Etat bezahl!) mit der Ehe und anderen Familienangelegenheiten. Da sie alle unverheiratet bleiben müssen, sind diese Fachmänner aufgrund ihre WÜRDE absolute Spezialisten für den Neuanstrich solch massiver Eckpfeiler des abendländischen Weltgebäudes, die seit vielen Jahrhunderten allerlei ernsthaften Reformbestrebungen standhalten. Nichtsdestoweniger kann die Reform der Ehe nicht ewig aufgeschoben werden.

Das Bevölkerungsproblem  (41)… Es ist kaum denkbar, daß die insgesamt stark wachsende Menschheit allein wegen dem Zölibat und dem Verhütungsverbot, wegen globalem Massenwachstum und bestialischen Kriegen und Hungerelend aussterben wird. Vielmehr kann sicher vorhergesagt werden, daß sich die Kulturen gegenseitig entweder assimilieren oder sich in eine einzigartige feinmosaikartige Durchmischung begeben. Ein großer Teil der kristlichen Machtpolitik wird also noch lange darauf gerichtet sein, die Gruppe des einfachen Volks wegen der Einzigartigkeit der herrschenden Klasse zahlenmäßig möglichst hoch, ansonsten aber frei von Instrumenten für ihre Befreiung und ihre umfassende Menschenwürde wie in einem goldenen Käfig demokratischer Hühnerfarmen zu halten. Die unglaubliche Zunahme von Schoßhündchen, Meträssen und Geldmilliarden in privater Hand stehen im gleichen Verhältnis zueinander wie Arbeitslosigkeit und Ausbeutung, Flucht oder Zuwanderung von Menschen aus fremdländischen Armuts- und Kriegsgebieten dieser Erde.

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Das Recht auf Mutterschaft (42) … Die romantischen Naturforscher, die im Staat der Bienen Vergleiche für einen Gegenentwurf zum Kapitalismus suchten, haben die Rechnung ohne die Wirtinnen gemacht. Frauen artikulieren ihr Recht auf ihren Bauch, sie wollen abtreiben und zugleich auch gebären dürfen, wann immer sie Lust dazu verspüren. Alles klingt dramatisch nach einer bestimmten Art von Ausschließlichkeit. Natürlich sind diese Probleme ganz andere, wenn sie in parlamentarischen Demokratien grassieren, oder wie gehabt in von Faschisten beherrschen Industrieländern, wo man nahezu die gleichen Dichter liest. Das Recht auf Mutterschaft scheint also ein intellektuelles zu sein, denn die nicht freibestimmte aber katholische Mutterschaftspflicht ist direkt oder indirekt zum normalen Zustand erhoben. Traurig bleibt dann, daß bei der Befruchtung nach Vorschrift die zusätzliche Befingerung der Klitoris ausbleiben muß. Überall, wo kein empathischer Papst für seine zivilisierte Ordnung sorgt, besteht die Gefahr, daß die Klitoris ganz weggeschnitten wird. Hä? Ganz wie beim Völkermorden in Kosovo, Syrien, Sudan etc., auch recht schmerzhaft für die Betroffenen, da schaut selten jemand hin. Wäre ein toller Job für UN-Blauhelme, schändliches Versagen in Ruanda (und andernorts) nur ein wenig gutzumachen. Aber ein Orgasmus bei Präsidentinnen, egal was für einer, ist unnütz bei ihren Weltwirtschafts- und Innere-Sicherheitsgipfeln und wäre reine Geldverschwendung, wieder bloß ein multipler Höhepunkt auf dem Finanzmarkt.

Unterschied zwischen orientalischer und abendländischer Vielweiberei (46)… Angesichts heutiger Flüchtlingströme, oft kommen sie aus arabisch-muslimischen Teilen der Welt, wird es künftig vielleicht zu mehr Mischehen kommen, wobei zuletzt die überwiegende Volksgruppe ihre Art von Rechtsauffassung durchsetzen sollte (Napoleonisches Recht gegen die Scharia des Koran?) … Ganz wie bei der Scheidung greift regelhaft und auf Dauer immer das Recht des Stärkeren welches aus Duldung und Akzeptanz des Schwächeren sich herleitet, wie es bei Steuersparern und Steuerzahlern sich deutlich zeigt. Und was es nun mit dem Recht zur Vielweiberei auf sich hat, das entlarvt sich bei näherem Hinsehen als das, was es selbstverständlich ist. Wie nur ein sehr Reicher zugleich mehrere Luxusautos und viele edle Reitpferde besitzt, der

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andere Reiche dagegen Luxusvillen und viele Reitpferde, so kann es ein normaler Mann nicht leisten, sich mehr als eine Frau und vielleicht Auto und Kinder von seiner Hände Arbeit zu unterhalten. Ebenso ergeht es dem Muslim, der nach dem Gesetz zwar bis zu vier Frauen heiraten darf, diese aber auch unterhalten muß.

Das Recht der alten Jungfer auf Mutterschaft (48)… Natürlich ist unter den nicht verheiraten Frauen eine Vielzahl, die gern Kinder hätten, aber entweder keinen Mann bekommen haben, oder so klug waren, die vielen Nachteile, die eine Ehe mit sich bringen würde, bloß wegen eigener Kinder nicht zu akzeptieren. Die besten Frauen sind nicht diejenigen, die von ihren primitiven Instinkten so versklavt sind, daß sie Kinder gebären, gleichgültig, wie hart die Bedingungen sind, sondern gerade diejenigen, die ihre Dienst sehr hoch bewerten und durchaus bereit sind, alte Jungfern zu werden, wenn der Preis zu hoch bewertet wird, – und die sogar Gott danken, daß sie entwischt sind. Wir selber hatten in der Kindheit und Jugend solche Frauen als Kindergärtnerinnen, als Lehrerinnen, als Erzieherinnen oder Leiterinnen von Institutionen. Diese Jungfern, die sich weiterhin stolz Fräulein nennen ließen, dies in einer Positionierung, die durch Würde und Wertschätzung auszeichnet war, und nicht mit dem Fräuleinwunder für alliierte Siegersoldaten zu verwechseln war. Manches wandelt sich. Sogar eine Ehesynode wird im Oktober 2015 vom katholischen Klerus krampfhaft inszeniert, während täglich Tausende Moslems ins Land strömen – profane, reformistische Rettungsversuche zu etwas Schlechtem beizutragen … und die Folge ist, daß wir schlecht regiert und im großen und ganzen eine häßliche, gemeine, übel erzogene Rasse sind.

Ibsens Kettenstich (50)… Jetzt gibt es mindestens zwei Arten von Frauen, wie es das entsprechend unter den Männern gibt. Immer wird es Überzählige und Freiwillige geben, die in der Ehelosigkeit Unglück erleiden oder ihr Glück zu finden verstehen. Eines steht fest, konformistisch und zugleich gottgefällig kann ihr Leben nicht sein. Sie sind verdammt, ebenso wie die Geschiedenen, wenn man denn vom allerschlimmsten Fall ausgeht, nämlich im potenten oder fruchtbaren Alter stehend, katholisch und entweder noch ehelos oder bereits geschieden zu sein. Für die Dümmsten unter ihnen

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bedeutet das die Hölle auf Erden und für die etwas Klügeren die Hölle, aber vielleicht irgendwann einmal. Schön wäre es, daß aus der Ehe zuletzt ein bloßer Brauch würde, der wenigstens von Armut befreit. Auch vor Altersarmut? Das ließe mich aufhorchen, denn als Atheist könnte ich leicht wieder heiraten, bestenfalls ein altes Mädchen mit einer etwas höheren Rente als das Sozialhilfeniveau vor dreißig Jahren. Um formalen privaten Vertragsinhalten zu genügen, wie es im alten Rom bereits usus war, neben dem Unterhalt überflüssige Verpflichtungen sich zu erlassen, wäre eine Minimalehe praktisch. Aber wozu würde man überhaupt heiraten müssen wenn die Menschen in einem Land wenigstens eine minimale Existenz in Form einer Volksrente, wie in anderen kapitalistischen Ländern hätte? So würde man zunächst (wenn man jung ist) die Vorteile der Ehe genießen, um sich dann scheiden zu lassen, um danach eine optimierende Vernunfts- oder Vertragsehe einzugehen? Die einzige praktisch mögliche Alternative dazu erscheint eine solche Ausdehnung des Scheidungsrechts, daß die Gefahren und Verpflichtungen der Ehe weit genug herabgemindert werden, so daß sie nicht schlimmer sind als diejenigen der Alternativen zur Ehe. Diese Gesellschaft müßte zu diesen Behufe zugleich gerechter und somit stabiler konstruiert werden. Hier wird sofort deutlich, daß weder Staat, Kirche, Militär besonders die wenigen Geldadeligen im Land daran auch nur das kleinste Interesse haben könnten. Ibsens Gleichnis vom maschinengenähten Kettenstich, der beim ersten Zug den ganzen Saum auflöst, wenn ein einziger Stich aufgerissen wird, läßt sich leicht auf den Knoten der Ehe anwenden. Sicher bin ich mir, daß Shaw in seiner Vorrede zur Debatte über die Ehe natürlich an den Gordischen Knoten hat denken müssen, nämlich etwas rigoros zu durchtrennen!

Der Gegensatz zwischen Ideal und Wirklichkeit (52) … Wunschvorstellungen, die einen Mann in eine monogame Ehe treiben, stellen sich in den platonischen Beziehungen bei ihrer Beendigung zwar kostengünstiger, meist aber auch ebenso schmerzhaft hinsichtlich des gespürten Verlustes dar. „Du bist sie, die ich nie gekannt,/die ich nicht nahm, die ich nicht hatte./Du keine Gattin, ich dein Gatte/in einem andern Eheband.“ (Karl Kraus, Brief an Sidi, 26. 8. 1921). Je mehr solcher Briefe ich querlese, desto klarer wird mir, daß Kraus vor nachts (?) auch solch ein Idiot sein wollte. Intellektuelle Euphorie weicht nicht selten einer ernüchternden Erkenntnis,

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gar einer ehehähnlichen Langeweile. „Wie soll man übrigens den geistigen Ver-/kehr mit einer Frau aufrecht erhalten, die/nur zu zwei Büchern eine wahre Beziehung/hat: zum Kursbuch und zu >Worte in Versen<!“ (Karl Kraus, Brief an Sidi, 2. 10. 1916)

Die Schwierigkeit, Beweise herbeizuschaffen (53) … Abgesehen von ganz großen kriminellen Deals im Privat- und Wirtschaftsleben erfolgen die Verurteilungen nachdem sozusagen Recht gesprochen worden ist. „O wie will ich triumphieren,/ Wenn sie euch zum Richtplatz führen/ Und die Hälse schnüren zu …“ Mozart Die Entführung aus dem Serail. „Der Rechtsgrundsatz ,Die Kleinen fängt man, die Großen läuft man laufen‘ hat selbstverständlich keinen Einfluß auf das Strafmaß.“ Diese Aussage des Rechtssystems kann nahezu täglich bewiesen werden, weil ja nach Belieben „Im Zweifel für den Angeklagten“ zitiert werden wird. Auch der Zustand der Ehe an sich steht auf der Anklagebank. Jedoch sind uns selber nur wenige Einblicke über den privaten Freundeskreis, den Anwälten nur übers Klientel möglich. Millionen schlechter Ehen, sie bleiben ohne Anklage und haben keinerlei Anwälte. Neben dem staatlich organisierten Verbrechen wie Geldverleih und Krieg kann nur die Ehe als gesellschaftliches Phänomen in Richtung Unglück und Verschwendung von Lebenszeit eine Dimension erreichen, die nahezu alle Vorstellungen zwischen Vernunft und Irrsinn beschreibt. Quantitativ und qualitativ ergänzen sich Lügen der Pfaffen und die der Politiker mit den Szenen einer Ehe. Möglicherweise hält die breite Mehrheit ihr Ehegelübde im körperlichen Sinn, wie er bei Scheidungsprozessen verstanden wird. Kein Ehemann und keine Ehefrau aber, die bis jetzt geboren sind, können es heute oder jemals im idealen Sinn einhalten. Sogar die vielen Millionen Opfer der CIA (sic) werden stets schnell vergessen. Vielleicht sollten die Skandale und Affären der Sternchen und Streifen ernster genommen werden, ihnen entspringt nämlich die allgemeine Hoffnung einiger Betroffenener, daß sich nur dann etwas ändert, wenn kritische Aufmerksamkeit erregt wird. Unsere modernen, heldenhaften Whistleblower gibt es leider viel zu selten und sie genießen deshalb meine vollste Sympathie.

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Die Trauungsliturgie ein Zauberspruch (55)… Mit einem Ritual die Natur der Beziehungen zweier Menschen ad hoc ändern zu wollen, kann nichts anderes als ein riesiger Bluff sein. Auch kann man unmöglich einen Hokuspokus mit Ringen, Schleiern, Gelübden und Segnungen erfinden, der die Zuneigung eines Mannes oder einer Frau auch nur zwanzig Minuten lang festlegt, geschweige denn für zwanzig Jahre. Die Menschen unterliegen nämlich ihrem Gemüt, ihrem Charakter und entwickeln sich in ihren Gefühlen. Wer spricht, schreibt oder Gesetze erläßt, als könne all dies durch feierliche Gelübde, daß es nicht geschehen solle, verhindert werden, ist entweder unaufrichtig, geistesgestört oder hoffnungslos dumm. Die Handlungen der Menschen untereinander sollten vernünftigerweise vom eigenen Willen beherrscht werden können. Alles nimmt den Charakter einer zweckdienlichen Unterwürfigkeit an, ähnlich dem erzwungenen Fahneneid des Soldaten, der sich für ein imaginäres Vaterland nicht nur wegen seinem Schwur sondern zuletzt wegen seiner eigenen Dummheit niedersäbeln, aufspießen, erschießen oder in Stücke reißen läßt, und noch bildhafter (um im Zauber des Ehedaseins zu bleiben) erscheint der Elende als Überlebender aber einer in Gefangenschaft, in der er darbt, sich nach Freiheit sehnt und am Ende vor einem offenem Lagertor verhungert. Kafkaesk? Kafka war klug und Junggeselle.

Die Unpersönlichkeit des Geschlechts (56)… Die partnerschaftlichen Bindungen der Menschen untereinander sind regelhaft von verschiedensten Bedeutungs- oder Wertesystemen gesteuert. Der bloße Fortpflanzungsdrang, der schließlich allen Lebewesen innewohnt, ist dabei nicht ein dauerhafter, weil austauschbar, und er sollte nicht allein die Grundlage einer langwährenden Ehe sein. Aber die Tatsache bleibt, daß die verheerendsten Ehen diejenigen sind, die ausschließlich auf der einen Basis gegründet werden, und die erfolgreichsten diejenigen, in denen sie am wenigsten berücksichtigt wurde und wo die entscheidenden Überlegungen mit dem Geschlecht nichts zu tun hatten, sondern zum Beispiel mit Zuneigung, Geld, Übereinstimmung des Geschmacks, Ähnlichkeit der Gewohnheiten, Standesgemäßheit usw. Der Irrsinn hat Methode. Geschminkte, körperlich manipulierte sexuelle Anziehung, die viele Frauen nutzen, um sich Ehemänner zu ködern, deutet auf eine aufgestellte Falle.

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Die wirtschaftliche Sklaverei der Frauen (59)… Die sexuelle Sklaverei, die der Unpersönlichkeit des Geschlechts innewohnt, wird durch die wirtschaftliche Sklaverei kompliziert. Eine Frau ohne Besitz und ohne Talente, die ihr Geld einbringen können, braucht einen Gatten nötiger als ein Hund seinen Herrn. Es gibt nichts, was unseren Sinn für menschliche Würde mehr verletzt, als die Jagd nach einem Mann … wenn die Töchter heiratsfähig geworden sind. Aber auch hier leitet sich die Notwendigkeit dieses Verhaltens ganz streng aus der Natur ab. Es geht letztlich ums Überleben. Auf den Punkt gebracht ist eine wohl gestaffelte Bedürftigkeit in der Bevölkerung für das Existieren des Staates und seiner Parasiten notwendig. Die Spanne reicht somit vom tiefster Armut (Arbeitslosigkeit, Hartz IV) bis hinauf in einen sündhaften Reichtum (Einkommensstatistiken sin d hier nicht hilfreich) wobei allein Geld ausreicht und eine Herkunft von Adel zusätzlich nützliches für die Regenbogenpresse bietet. Ums standesgemäße Heiraten geht es aber immer, nicht umsonst heißt es Standesamt – um es nicht (wie beim Glücksspiel) ein Zuhältermonopol nennen zu müssen?

Unbeliebtheit der persönlichen Ansichten (61) … Dem ständigen Fortschritt der Moral ist es geschuldet, daß wir die persönliche Situation nicht mit dem allgemeinen Zustand vergleichen wollen. Wir alle haben an der Ehe ein persönliches Interesse, das wir nicht zu begraben bereit sind. Nicht nur die Frauen wollen sich verheiraten, sondern auch die Männer – manchmal aus gefühlsbestimmten Gründen und manchmal auf Grund der mehr schäbigen Berechnung, daß das Junggesellentum weniger bequem ist und teurer zu stehen kommt…

Unpersönlichkeit heißt nicht Promiskuität (62) … In der gesellschaftlichen Praxis findet auf irgendeine Weise eine Selektion statt, die die meisten Menschen dazu anhält sich letzlich in eine Verpflichtung zu begeben. Selbst eine propagierte Wahllosigkeit bei der Partnerwahl würde keine wirkliche Unpersönlichkeit bei den sexuellen Instinkten herbeiführen können. In der Gesamtheit wird sich vermutlich eine mehr oder weniger natürlich konstruierte Monogamie erhalten, allein schon wegen der erwähnten Bequemlichkeit und den preiswerten Vorteilen in einer Gemengelage.

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Häusliche Luftveränderung (63) … die allgemein verbreitete Monogamie in der Ehe, oder besser die Auswahl eines Partners, unterliegt freilich anderen natürlichen Einflüssen. Meist wird der Drang nach Abwechslung bereits in jungen Jahren ausgelebt, was in unserer Zeit natürlich auch für eine Mehrheit junger Frauen gilt. Das persönliche Verhalten und seine Anpassung an Bedürfnisse ist nicht klassenspezifisch, eher eine Frage des Charakters und der Sozialisation. Hierzu Kiplings Frage: Was wissen die von England, die nur England kennen? […] Die häuslichen Dogmenreiter sind auch die langweiligen Leute. Nur so einfach ist es nicht, darüber ein Urteil zu fällen. Es mag gar denkbar sein, daß das Proletariat der Bougeoisie vorwerfen kann, sie sei nicht nur ausbeuterisch sondern ebenso moralisch verkommen, weil sie ihre Privilegiertheiten zur Kultivierung sexueller und anderer ausschweifender Genüsse mißbrauchen würde (Beslusconineider). Vielleicht liegt hier einem veralteten Klassenstandpunkt eine dialektische Unvollkommenheit zugrunde, nämlich, daß unkultivierte, ungebildete Menschen aus dem Prekariat untereinander sich nichts zu bieten haben außer der geschlechtlichen Beziehung, aber nicht begreifen können, warum Männer und Frauen zu irgendeinem anderen Zweck miteinander verkehren sollten.

Häusliche Manieren sind schlechte Manieren (64) … die absolute Anpassung und unaufgeregte Langeweile die mancher Häuslichkeit innewohnt, kann ebensowenig Lebenszweck sein, als das grasse Gegenteil davon. Wo Frustration, Aggression und Bitterkeit herrschen wird die gesellschaftlich Schnittstelle ebenfalls negativ beeinflußt. Wenn solche Menschen ihre häuslichen Manieren in die Gesellschaft mitbrächten, so fänden sie sich sehr bald ohne einen Freund oder auch nur Bekannten auf der Welt. Frauen werden hier zu Furien, sie geifern, schelten und klagen. Es gibt Männer, die aus alter Gewohnheit brummen und nörgeln, selbst dann, wenn sie sich wohlfühlen. Aber für ihre Frauen und Kinder gibt es kein Entkommen. Manchmal sind Gewichtungen dermaßen einseitig, daß nur eine hoch entwickelte Harmoniesucht eines Partners ausgleichend wirkt. Oft wäre es dann im Wirtschaftswunderland zu Scheidungen gekommen wegen Männern, die aus Rußland und Gefangenschaft zurückkehrten, unter bösen Kriegstraumata und unbewältigten jahrelangen Eifersuchtsgedanken litten.

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Unechte „natürliche“ Liebe (65) … bösartige Väter und Mütter genießen aufgrund der Disposition der Benachteiligten dennoch eine fast psychotische wenn auch unverdiente Ehrfurcht, Gehorsam oft sogar Zuneigung. Selbst nach ihrem Tod werden sie von den Familienangehörigen betrauert, deren Leben manchmal böswillig verdorben wurde. Die unnatürliche Suggestion, untrennbare Familienbande dürfen niemals durchtrennt werden, sagt, an eine Scheidung sei trotz unerträglicher Lebenslage nicht zu denken. Wegen … ach, vielleicht wegen der Kinder? Die sind am Ende reifer geworden in diesem Konflikt, als es ihnen zuzutrauen wäre. Besonders Geschwister untereinander härten sich dermaßen ab, daß sie sich insgeheim gegen ihre Eltern stellen, zumindest gegen den bösartigen Teil, und auf diese Weise weniger Schaden davontragen, als der benachteiligte Elterteil. Shaw weist darauf hin, und das mag eine weiterhin hohe Aktualität besitzen, daß gerade der Mittelstand die geringste Fähigkeit zur Sozialität besitzt. Er vermag weder eine rustikale und tolerante Gemütsverfassung gewinnen, wie sie bei ganz armen und kinderreichen Familien entwickelt werden kann, zugleich hat er auf Dauer nicht die elitären Mittel zur Kaschierung und Entschärfung interner Probleme. Der Mittelstand allein bleibt wegen seiner hilflosen und anstößigen gesellschaftlichen Unfähigkeit sowohl von denen verachtet und verabscheut, die unter ihm, als von denen, die über ihm stehen – und bleibt dennoch unwissend genug, um stolz auf sich zu sein und sich selbst als Vorbild für eine Besserung der, wie er findet, elegant lasterhaften Reichen und der liederlichen Armen hinzustellen.

Den Krieg in das Land des Feindes tragen (67)… Das sagt sich allzu leicht. Hierbei sollte man sich strategisch und taktisch seiner eigenen Stärke, zumindest seines eigenen schwachen Zustandes bewußt sein. Verschwindet nämlich das ehemalige Objekt der Begierde, so kann es einer neuen Sachlichkeit nur nützen, wenn es zum bloßen (hegelschen) Subjekt erklärt wird. Nicht nur Adorno weist darauf hin, daß gerade das Verschwinden des Subjektes dazu führt, daß das Verschwinden selbst als wesentlich betrachtet wird. Bevor sich der Scheidungswillige seiner Lage bewußt wird, besteht die Gefahr einer Verschiebung der einzig vernünftigen Wahrnehmung, der des Glücks, die Schopenhauer eben zunächst im Zustand

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des Unglücks, aber verbunden mit gegebener Hoffnung auf das Ändern dieses Zustandes ansieht. Es hat nun den Anschein, daß all die Ungerechtigkeiten, Bösartigkeiten und Versäumnisse, die in der Ehezeit ihren Platz hatten, in der Phase der Scheidung nicht mehr sachlich in die Auseinandersetzung geführt werden können. Die totale Vernichtung der Gemeinsamkeiten führt letztlich nur zu einem blutigen Gemetzel, wobei der eigentlich Ausgang bereits feststeht, dieses also unnütz erscheint.

Shelley und die Königin Viktoria (68) … Wie schön und praktisch wäre es, wenn Kombattanten über gesellschaftliche Probleme, die sich tatsächlich in einer fließenden Neubewertung befinden, eine sachliche Diskussion führen könnten. „Wirf nicht mit Dreck!“ Sicher befand sich England seinerzeit in einem moralisch rückständigen Zustand. In dieser schier ewig zu währenden viktorianischen Spießigkeit wirft der glücklich verheiratete Shelley sich in die Breche: Da die wirtschaftliche Abhängigkeit der Frau die Ehe zu einem Kaufvertrag mache, gäbe es keinen wesentlichen Unterschied zwischen einer verheirateten Frau und einer Dirne.

Voraussichtliche Wirkung des Frauenstimmrechts (69) … Schon immer wird zwischen Laster und Verbrechen ein lächerlicher Unterschied gemacht, damit die Männer ungestraft lasterhaft sein können. Ein mächtiger Steuerhinterzieher muß bei der Anlockung auf ansteckende Krankheiten aufmerksam gemacht werden. Moderne Zustände möchten sogar die Freier bestrafen, nicht die anlockenden Huren im keynes‘schen Spielkasino. Wenn sie andererseits einsehen, daß diese Moral eine unerträgliche Tyrannei ist, ohne auch nur den Vorwand einer Gerechtigkeit oder gesunden Eugenetik, so werden sie ihre Macht einer eingehenden Betrachtung unterziehen und das Gesetz umformen.

Die persönlich-gefühlsbetone Grundlage der Einehe (71) … Alles läuft darauf hinaus, daß in der harmonischen Ehe alles gut zu sein scheint, Störungen durch Selbstheilung nivelliert werden, bei unlösbaren Problemen aber eine ehrenvolle Scheidung möglich sein muß. Sogar Seitensprünge könnten toleriert werden. Aber innerhalb des Hauses darf dieses Leben als von Natur aus monogam betrachtet werden. Es braucht nicht gegen Polygamie geschützt zu werden, es schützt sich selber.

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Scheidung. (75) … Bis heute mag unterschwellig eine merkwürdige Auffassung in den Köpfen der Leute stecken, die eindeutig neolithische, dann patriarchalische Züge trägt. Hier ist der Mann zum Ehebruch berechtigt, die Frau selbstverständlich nicht. Es läuft darauf hinaus, daß der Mann als Ernährer der Sippe die Garantie braucht, daß seine Kinder von ihm sind, die Frau diese nicht benötigt weil der Mann keine Kinder bekommen kann und sie selber weiß, von wem sie ihre leiblichen Kinder empfangen hat. Dies ist die Strafe dafür, daß wir unsere Religion aus dem Osten geborgt haben, anstatt aus unserer westlichen Eingebung und aus unserem westlichen Gefühlsleben eine eigene Religion aufzubauen.[…] Inzwischen werden Frauen durch ihre orientalische Knechtschaft gegenüber den Männern erniedrigt … Das abendländische Geschlechtsleben scheint eine „police des mœurs“ zu sein, die ein Schlachtfeld bereitet, auf dem jedes Geschlecht das andere möglichst zu ruinieren versucht.

Wichtigkeit psychischer Beschwerden (77) … Das Scheidungsverfahren dauert lange genug, sodaß sich die Beteiligten wohl überlegen können, ob sie sich wirklich scheiden lassen wollen. Die Öffentlichkeit sollte keine Gelegenheit bekommen das Waschen von schmutziger Wäsche zu begutachten. Gerade das hehre Motiv der Eifersucht genießt bekanntlich viel Verständnis beim Publikum, daß bei den südlichen theatralischen Temperamenten ein sühnender Ehrenmord üblich sein kann.

Scheidung ohne die Frage „warum“ (78) … Von den allgemeinen Menschenrechten leitet sich ab, daß die Scheidung einer Ehe ebensowenig verweigert werden dürfte, wie man freie Menschen zu einer Ehe zwingen kann. Wünscht nur ein Partner die Scheidung, so ergibt sich im Grundsatz die gleiche Situation wie bei einem versuchten Heiratsantrag, der vom erwünschten Partner abgelehnt wird. Wenn also nur einer der Partner die Scheidung wünscht, könnte man sagen, das sei doch etwas anderes. Das ist falsch, es liegt keine Magie in der Ehe. Wäre dem so, so hätten Ehepaare niemals den Wunsch, sich zu trennen. Aber sie haben ihn. Und wenn sie ihn haben, so ist es ganz einfach Versklavung, sie zum Zusammenleben zu zwingen.

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Wirtschaftliche Sklaverei auch hier die eigentliche Schwierigkeit (80)Es sei mir erlaubt, der gegenwärtigen Regierung (1910) eine Frage zu stellen mit Bezug auf die Arbeitsämter … Was tun diese Arbeitsämter, wenn eine Frau kommt und erklärt, ihr Beruf sei der einer Ehefrau und Mutter, sie hätte gegenwärtig keine Stelle und suche einen Arbeitgeber? Nach über Hundert Jahren werden sich die Antworten sehr gleichen.

Arbeitsaustausch und die weiße Sklaverei (81) … Da bis heute spezifische Arbeitsplätze für eine wirkliche existenzsichernde Arbeit für viele Menschen sogar mit hohen Qualifikationen nicht ausreichend vorhanden sind, wurden klammheimlich Millionen prekärer Beschäftigungsverhältnisse in Form von Niedriglohngruppen, Zeitarbeitsklaven, Leiharbeit, Scheinselbsständigkeiten, Ein-Euro-Jobber, Ich-AGs, Subunternehmer und die gesetzliche Sozialversicherung (für nur weibliche? Wenn ja, warum?) Prostituierte eingeführt.

Die Scheidung der Eheschließung günstig (83) … Die rechtlich abgesicherte Möglichkeit zur Scheidung ist letztlich unabdingbar für den Fortbestand der Institution Ehe selbst.

Wirtschaftliche Sklaverei der Männer und das Recht der Junggesellen (85) … Wie die alten Jungfern, so sollten auch die Entscheidungen von Männer respektiert werden, für die erklärterweise eine Ehe nicht in Frage kommt. Stattdessen bleibt zumindest den erinnerten Genies unter ihnen viel Kraft und Idee, um Ewiges und Großes zu leisten. Hier hätte man vor Augen Jesus, Kant, Proust, Schopenhauer, Beethooven, Hölderlin, Kafka, Nietzsche, nicht unbedingt den Playboy Rolf Eden und ganz zuletzt Adolf Hitler, der seine braune Eva erst heiratete, als sein letztes Stündchen geschlagen hatte – wobei wir sehen, daß die bürgerliche Ehe ganz besonders für Nachtclubbesitzer und Uniformträger nur wenig taugt. Bei Junggeselle Goethe lassen wir den Sonderfall gelten, denn er war bis ins hohe Alter hinein zögerlich und zuletzt ausreichend moralisch, um seine sinnliche Geliebte auch zu ehelichen. Für manche griesgrämigen Eigenbrötler, wie Schopenhauer und Beethoven es waren, wäre die Ehe nützlich gewesen, um deren geistigen Verwilderungen, körperlicher Verohung und Verwahrlosung im Alter vorzubeugen. Ob sich bei Männern, die vor Gründung eines kostenintensiven Hausstands zurückschrecken, gescheite Alternativen auftun, ist keine Frage.

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Bernard Shaw, dem wir schon eine Weile folgen, hat in seinem Stück „Frau Warrens Beruf“ gezeigt, daß die Gruppierungen innerhalb der Gesellschaft jedwedem Zwecke dienlich sein werden. Aus diesem Grunde befasse ich mich hier nicht ausführlich mit der Prostitution und verweise Leser, die über die Psychopathie des Junggesellen- und Jungfrauentums mehr zu erfahren wünschen, auf das denkwürdige Werk meines Freundes Havelock Ellis.1)

Ebensowenig wie die übliche Ehe, ist das Junggesellentum prinzipiell keine gesellschaftliche Ausnahme. Dennoch verbinden sich mit ihm Vorstellungen von überzeugter Einsamkeit und einem freizügigem, gar schlüpfrigem Lebenstil. Anders bei Jungfernschaft der Jungesellinnen, die eher etwas eingetrocknetes Dasein assoziiert. Für die allseits nützliche Institution der Ehe war das Junggesellentum, also die definierte Ehelosigkeit von Männern, lange eine Provokation. Für alte Jungfern gab es immerhin die bereits erwähnten klassischen Aufgaben. Der längst erkannten ungerechten, geldgierigen Moral des Staates wird es somit leicht gemacht, wenn er sogar geringverdienende Junggesellen und Junggesellinnen bis heute (sozialpolitisch unwidersprochen) mit einer deutlich höheren Einkommenssteuer bestraft. Andererseits werden die Hürden für einen unproblematischen rechtlichen und religiösen Umgang mit der Ehe nahezu krampfhaft auf ihrer gottgefälligen Höhe gehalten. Besonders wenn sie aufgelöst werden soll und gar eine neue Ehe in Sünde eingegangen werden möchte, sehnen sich unsere armen Katholiken zurück zum praktischen und für den Klerus sehr lukrativen Ablaßhandel, der einzig wirklichen Moral der Renaissancepäpste.

    Einzelpersonen werden in unserer Welt überall benachteiligt, im Steuersystem, in Hotels, Restaurants.2) Junggesellen haben ihr Leben nach dieser Lesart verpaßt und vergeudet, sie verdienen es

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1) Havelock Ellis: Studies in the Psychology of Sex

2) vgl. Wolfgang Ebert 1980

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nicht besser. Noch nicht einmal Altgesellen dürfen sich die lebenserfahrenen, einsamen Wölfe unter ihnen nennen. Aber jenen alten, im zähen, längst langweiligen Ehekrieg ergrauten Ehemann, der sichtbar vom Leben enttäuscht im Familienkreis herumhockt, nennt SIE scherzhaft „mein Silberrücken“, so geschehen kürzlich beim Christbaumschmücken, oder geschah das zur Aufmunterung als er wie immer seinen Müll raustragen mußte?

Die Pathologie der Ehe (88) … Vielleicht führt es zu weit in ein schier uferloses Thema, wenn man sich an dieser Stelle auf die Pathologie und Kriminologie der Ehe einläßt. Man wird sogleich an Sigmund Freud denken, und dann gelangt man schnell in den Bereich, von dem man am liebsten garnichts wissen möchte. Diese Reaktionen sind letztlich auch der Grund dafür, daß in einer Zivilgesellschaft, die alles zu wissen glaubt, alles beim Namen nennt, alle Widerwärtigkeit dramaturgisch vermarktet, sich spezielle Ministerresorts für Krieg und Familien schafft, sogar so sehr spezielle Kabinettspöstchen, um hereinkommende Probleme zu integrieren, nicht aber um an kranken und kriminellen Beweggründen und Ursachen etwas zu ändern. Opfer sind leider viel zu oft Kinder und unschuldige Menschen. Der Rest ist Schweigen.

    Ein Lehrer, der seine Schüler grob schlägt, sie fortwährend körperlichem oder seelischem Leiden aussetzt, der würde sofort vom Dienst suspendiert. Ein Vorgesetzter, der seine Rekruten mißhandelt und mit tiefem Kriechen im Schlamm quält? Na ja, der meint es ja gut. „Männer, wenn ihr erstmal in Rußland seid und euch die Fetzen um die Ohren fliegen, dann werdet ihr mir noch dankbar sein.“

Die Kriminologie der Ehe (90) … Im schlimmsten Fall wird bei der Gewalt in der Ehe deutlich, inwieweit krankhafte Strukturen der Gesellschaft in kriminelle Handlungen übergehen, welche ganz wie beim gigantischen wirtschaftlichen oder politischen Schwindel mitsamt der Lügerei und Falschheit ungesühnt bleiben werden. Vergewaltigungen, Züchtigungen, seelisches Elend, Kindesmißbrauch, alles das wird unter dem Deckmantel der Ehe letzlich von Staat und Kirche ignoriert. Der Justizapparat wird erst dann tätig wenn wie gehabt, die vorhersehbaren Taten geschehen sind, und

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dazu noch gesondert eingeklagt werden müssen. Gern möchte ich zu all jener Gewalt, die innerhalb der Ehe wuchert, zu allem zugefügten Unrecht an Wehrlosen, auch den tausendfachen Mißbrauch von Kindern und Abhängigen durch Pädagogen, ganz besonders durch (katholische) Priester hinzufügen. Hier ist die Funktion der Ehe in ihrer Doppelmoral besonders perfide begründet: allein wegen des Zölibats entsteht ein krimineller Drang zur sexuellen Befriedigung, die dem viehischen Triebe ansonsten die Ehe in all ihren offiziell erlaubten Formen bietet. Bereits die Aufrechterhaltung dieser unmoralische Bedingungen und Sehweisen treibt den Begierigen in den Vollzug sämtlicher Abscheulichkeiten. Ohne diese sakrale Idiotie, ohne die konservativen Scheinheiligen, wäre eine offene Moral denkbar, in der sich alles bedächtiger scheiden könnte, die solchen Druck erst garnicht (künstlich) aufbaut. Wie beim Mißbrauch der Partner in der Ehe darf mißverstandene Liebe oder die Verpflichtung zur Zuneigung nicht anerzogen und in eine Liturgie geimpft werden. Man weiß doch längst, daß krankhaftes Getue, Brutalität und kriminelles Verhalten meist aus einer ebensolchen spezifischen Bedingung entsteht. 1)

Körperliche und geistige Unversehrtheit. – Es kann heutzutage einfach nicht länger hingenommen werden, daß innerhalb der Ehe eindeutig (!) Übergriffe auf die Integrität eines Menschen erlaubt, geduldet bzw. straffrei bleiben, wobei die gleichen Taten in der Öffentlichkeit (in unsriger) sofort als kriminelle verfolgt würden.

    Wenn auch jedweder Freiraum und Änderungen von Gesetzen genutzt werden könnte, eben die möglichen Mißstände in der Ehe und ihrem bestehenden Zustand zu vermeiden, so werden zunächst unschädliche Vereinbarung per Ehevertrag zu treffen sein, dennoch: „… es endet mit der Beiziehung getrennter Rechtsanwälte.“

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1) Dem Autor ist bekannt: Während der monate- und jahrelangen studentischen Proteste der Siebziger Jahre, gegen Hochschulrahmengesetzgebung, den Vietnamkrieg etc. wurden die meist jungen Polizisten der Berliner Bereitschaftspolizei (insgesamt 30.000 Polizisten!) vor ihren Einsätzen idiologisch aufgehetzt und dazu tagelang in den Kasernen eingesperrt, um ihre testostronstrotzenden Aggressionen taktisch verwerten zu können.

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Kommt es darauf an? (92) … Jede Unkonformität würde in dieser Welt durch alle möglichen übergeordneten Instanzen ausgebügelt, bloß der innere grausige Zustand der Menschen, ihr verhindertes Glück, die potentielle Schädigung der Gesundheit von Alt und Jung, aller großen und kleinen Bürger, wenn sie sich unter der Tarnkappe der Ehe verbergen, türmen sich zu angsteinflößenden hohen Gebirgen auf. Gewalt, Ungerechtigkeit, Armut, Abhängigkeiten, falsche Moralitäten, alles wird offenbar nur von demjenigen wahrgenommen, der selber davon betroffen ist. Shaw spricht im Zusammenhang mit der Institution der Ehe oft von der Versklavung, und er bedauert einmal zornig in einem solch rückständigen Land wie England leben zu müssen: Zweifellos ist es von vielen Gesichtspunkten aus sehr schade, daß wir nicht von Napoleon oder sogar von Bismarck und Moltke besiegt worden sind. […] Die Verbrechen und Krankheiten der Ehe werden sich der öffentlichen Aufmerksamkeit durch ihre eigene Dringlichkeit aufzwingen.

Christliche Ehe (93) … Die gesamte Gesellschaft unterliegt bis heute, oder besser gesagt nach der aufgehobenen Säkularisierung des 19. Jahrhunderts einmal wieder, der dummen Gewohnheit, sich von der feisten Kristenreligion knebeln zu lassen. Schlimmer noch: die bereits sehr früh einsetzenden unglaublich blutigen Realitäten bei der staatlichen Durchsetzung der Religion der Nächstenliebe und göttlichen Vergebung (!), gern bei der Ausmerzung der Heiden durch Krieg, Inquisition, Kolonialisierung und Völkermord, wirken weiterhin in unserem abendländischen Unterbewußtsein. Diese grausame Historie hat vielleicht die individuellen Beteiligungen an massenhaften Greultaten, am Holocaust, an den heute stattfindenden Kriegsverbrechen immer wieder möglich gemacht, zumindest diese den kristlichen Traditionen zuliebe begünstigt.

Ketzerverbrennung, Landraub, Urkundenfälschung und kriminelle Reichtumsvermehrung sowie alle bis heute perfektionierten Einflußnahmen, hier auch die autorisierte bestenfalls rein konfessionelle Ehe, beruhen in ihrem Kern auf heiligen Sakramenten wobei das theologische Monstrum der Vergebung der Sünden von keiner anderen Gewaltorganisation, vielleicht noch vom Vatikanstaat selbst und seiner Vatikanbank1) , übertroffen wird. Tapferste Drachentöter,

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Kreuzritter und Jungfrauenkult – Blut, Reinheit und sehr viel Reibach fließen dabei in den goldenen Zeremonienkelch.

Das Geschlecht, der Sexus überhaupt, vermutlich weil er eine Voraussetzung jeglichen Daseins ist, ist abgrundtief verwerflich und obszön, nur die unfleckte Empfängnis ist ein Wunder. Die ist eine Blasphemie gegen das Leben, und um es in christlichen Ausdrücken zu sagen, eine Anklage gegen Gott wegen Unanständigkeit. Ein solcher Schwachsinn hat sich bereits aus zwei Bedingungen heraus entwickeln können. Einmal die ekelhaft scheinheilige Ablehnung des sinnlichen Luxus, dem alle Reichen nebst dem Klerus verfallen waren, und weil dazu noch eine haarsträubende Weltuntergangsstimmung verbreitet wurde, die geschlechtliche Zeugung, der Kindernachwuchs, wenig Bedeutung zu haben schien. Geschlechtslosigkeit und Kommunismus machen sich vor einer drohenden Apokalypse besonders gut. Wie ein wohl organisierter Faschismus sich beim Untergang in orgastischen Exzessen aus der Welt schaffte, sich dann plötzlich in eine Demokratie verzaubern konnte, so verstand es die Kirche aus dem Quasiverbot der Ehe und des Beischlafs überhaupt, ein heiliges Sakrament aus dem Ärmel zu schütteln. Ohne den Segen der Kirche war es fortan nicht möglich, sich legitim ehelich fortzupflanzen, vielmehr war das die einzig erlaubte, wenn auch pseudokeusche Bewegung. Alles wurde zunehmend widersprüchlich, und so stellt sich die Kirchenlehre dar als ein lächerlich entwickeltes, dogmatisches Gespinst von sich widersprechenden, verwirrend abstrusen Vorschriften. Die Eheschließung vor dem Altar mit dem trauungsliturgischen Gedöns spiegelt das neolithisch-orientalische Kaufen der Braut wieder, und je unberührter diese noch ist, desto teurer wird sie gehandelt. Bald wird alles (!) Leben zur kaufmännischen Angelegenheit, die Bilanzbuchhalter halten sich ihre Bischöfe – oder ist‘s umgekehrt? Endlich, spätestens nach der Reformation, ward der kristliche Zinskapitalismus erfunden, und urkristlichem Kommunismus, an dem nichts zu verdienen war, wurde der Laufpaß gegeben. Der effektive Geheimdienst des Vatikan hat bis heute seine eigene Bank und die lohnt sich! Das muß der gelbe Neid des Josef Ackermann

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1) Am Abend des 6.10.15 wurde die angekündigte Sendung ausgesetzt

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ihr lassen. Die von Gott gesegnete Ehe beruht also auf einer uralten kaufmännischen Überlieferung. Weil der Sklavenhändler für Junfräulichkeit immer einen höheren Preis gefordert hatte, hielt die Kirche statt den Geldwechsler in ihm zu entdecken und ihn aus dem Tempel zu vertreiben, den Händler für einen sentimentalen und ritterlichen Liebhaber und verlieh der Jungfräulichkeit, unterstützt durch die nur teilweise abgeschaffte Lehre vom Zölibat, einen himmlischen Wert, um die kaufmännischen Ansprüche zu veredeln. Allein das Geld besitzt die Kirche!

Scheidung eine sakramentale Pflicht (95) … Das Geld hat eine besondere Eigenschaft, es vermag aus sich selbst heraus in alle Lebensformen einzudringen, bis diese kein Tröpfchen eigenes Blut und erst recht kein gütiges Herz mehr besitzen … der Mammon übertraf sich selbst, als er versuchte, der Kirche seine Lehre über den unveräußerlichen Besitz in der Maske der unauflöslichen Ehe aufzuzwingen. Wenn also die Ehe zu einem Sakrament erhoben wird, allein um jene unmenschliche Lehre mit ihrem Widerspruch zum Evangelium zu verfestigen, die Trauungszeremonie aber auf eine innere, schöne und geistige Anmut sich gründet, die in der Ehe verloren gehen kann, so ist eine Scheidung ebenso eine sakramentale Pflicht wie die Eheschließung selbst, die also eigentlich eine vergleichbare zeremonielle Scheidung erlauben müßte. Atheistische Argumente nützen den Theologen1), denn sie schrecken bei ihrer Arbeit vor nichts zurück. Allein aus den Ungereimtheiten der Testamentauslegungen läßt sich ersehen, daß alle Interpretationen zuletzt auf das gleiche hinauslaufen: die Religionen sind eine bloße Erfindung eines geschickten rhetorischen Geistes, der wandelbar wie das fließende Wasser ist und jeden ertränkt, der unerlaubt davon kostet. Was soll sich trotz manchem Aufruhr an solch frei erfundenen Naturgesetz ändern? So beließ die Reformation die Ehe als das, was sie war: eine seltsame Mischung von geschlechtlichem Sklavenhandel, frühchristlichem Abscheu vor dem Geschlecht und späterer christlicher Heiligung des Geschlechts.

Othello und Desdemona (97) … Der kaufmännische

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1) Deschner (1986): Kriminalgeschichte des Christentums

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Besitzerinstinkt leitet sich selbstverständlich aus der sexuell gesteuerten Psychologie und der praktischen Verwertung der Handelsware ab. Nun verhält es sich aber auch so, daß Warenbesitzer und Ware ganz eigene aber ähnliche Vorstellungen über die Qualität der Dinge haben. Antonius fand Kleopatra als einen kaltgewordenen Bissen auf Cäsars Teller. Wie Othello fühlt der Mann gemeinhin nicht das, was er liebt, sondern das, was er besitzt. Man kann es von der humorvollen Seite betrachten und feststellen, daß Männer und Frauen in ihren Besitzansprüchen sehr ähnlich reagieren. Bei Shaw sagt eine Dame in einer hitzigen Diskussion über das Thema Gruppenehe mit kaltem Ekel sie würde einer anderen Frau ihren Mann ebensowenig leihen wie ihre Zahnbürste. In der Reflektion auf Othello spielt Desdemona den klassischen Part, ohne sich auf das Niveau eines Toilettenartikels zu begeben, wenn ihr Name auch an eine Zahnpasta im alten Berlin erinnert; ich sehe da einen doppelstöckigen Bus mit dieser bunten Reklame um den Potsdamer Platz herumkutschieren – wie aus einem Fallada-Roman gegriffen, was ich mir gerade grinsend erdacht habe. Natürlich bietet das Thema Ehe auch unendlich viele Schreibideen für Literaten, allein schon ein krankhaftes, schwaches sich Sehnen nach dem geliebten Wesen füllt ganze Bibliotheken, oder denken wir an Marcel Proust. Weil die Schwächlinge beim egoistischen Besitzkampf meist unterliegen, beschreiben sie ihn genial mit Genuß, weil sie endlose Gefühle über ihre Seelenzustände fast fern vom Weihrauchgestank entwickeln können.

Was soll aus den Kindern werden? (99) … Die Kinder aus einer Scheidung in öffentlichen Besitz zu überführen wäre eine Möglichkeit, die aber stark an stalinistische, faschistische oder kristlich-missionarische Verfahrensweisen erinnert. Kinder hätten dabei keine Wahl, von wem sie mißbraucht würden, es wären überall die gleichen, schwarz ummäntelten geilen Böcke, zumal sie zunächst einen Taktstock, Zeigestab oder ein Kruzifix in ihren Händen halten. Die Praxis wird also verfahren, als wenn das eine oder das andere Elternteil durch andere Umstände abhanden gekommen wären. Zunächst sorgen Kinder in einer Ehe oft genug dafür, daß sie wie ein Magnet selbst eine zerrüttete Ehe weiterhin zusammenhalten. Ebenso wie Kinder in der Ehe Gründe gegen die Scheidung liefern, so bringen sie dem verantwortungsbewußten

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Elternteil auch solche dafür ins Spiel. Ebensowenig wie die Frau dem Mann gehört oder der Mann der Frau, so kann auch das Kind nicht Eigentum der Eltern sein. Das machen sich Jugendämter und Gerichte zunutzte und verfahren in Tätigkeit und amtlichem Urteil in ähnlicher Weise, wie das gesamte politische System, deren Teile sie sind. Ein Zugriff erfolgt beim Schwächsten der Beteiligten, hier also beim Kinde, und er beginnt im zartesten Alter mit der ersten staatlich verordneten Impfung. Von der Wiege bis zur Bahre, Formulare, Formulare! Vorschriften und Zwänge engen Eltern bereits dort ein, wo die öffentlichen Belange deutlich werden, so beim Impfwesen, bei der Schulpflicht, die letztlich einst beim noch unmündigen Knaben direkt in die Wehrpflicht1) mündete. Hier also die Idee, daß Kinder von verheiratenen Eltern, erst recht die von Geschiedenen, eigentlich doch dem Staate gehören, als Kirchgänger, Soldaten, Steuerzahler und Verbraucher. Das einzige stichhaltige Argument, das die Eltern vorbringen können, lautet, daß der Staat trotz seines imponierenden Namens schließlich und endlich mit dem Kind nicht anderes anfangen kann, als es in die Obhut irgendeines Menschen zu geben, und daß die Eltern keine schlechteren Wärter sind als Fremde. Ganz wie in theologischen Angelegenheiten, bei der Bewertung der Liturgien, wird die Zweideutigkeit bei der Beschwörung der FAMILIE deutlich. Der soziologische Widerspruch, eigentlich ist es ein politischer, innerhalb einer freiheitlich-demokratischen Verfassung wird insbesondere bei familiären Problemen in gesellschaftlichem Ausmaß deutlich. Auf das positive, selbstbestimmte Zusammenleben einer Familie Einfluß zu nehmen (z.B. durch die Schulpflicht) hat sich eingeschlichen und wird akzeptiert, wie wichtigere Gesetze und Vorschriften, manche feudalistischer Art, hinsichtlich der autoritären staatlichen Verfügungsgewalt (wie genehme amtliche Lehrpläne) noch nicht einmal als solche wahrgenommen werden. Die Erbärmlichkeit selten hinterfragter Ordnungen (z.B. Steuern der Armen da und Subventionen für Reiche dort), entlarven sich bereits beim ersten kritischen Blick und drohen quasi mit Festungshaft.

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1) Späte Volljährigkeit, in Deutschland wurde sie bis 1975 erst mit 21 Jahren erreicht, sorgte bei Wehrpflichtigen für unmündige (!) Soldaten.

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Die Kosten einer Scheidung (103)… Warum ist die Eheschließung kostenlos, die Scheidung aber sehr teuer? Das erscheint uns doch, wie der erstaunlich niedrige Preis des Tintenstrahldruckers für Heimcomputer, wobei sich ständig leere Patronen regelmäßig als sündhaft teuer erweisen. Die ungeschriebene Ehre des ordentlichen Kaufmanns wäre hier gefordert, quasi im hanseatischen Pfeffersack bildlich geworden, als Wucherparagraph des Handelsrechts, wie nicht zuletzt eine Änderung des Familien- und Scheidungsrechts, weißgott im theoretisch denkbaren demokratischen (!) Sinn. Die Notwendigkeit Ehe beweist Abkehr von Natur!

Schlußfolgerungen (105)… Neben den bei Shaw erläuterten kritischen Sehweisen, hier kursiv gesetzte Zitate, die der Vorrede zu Heiraten entstammen, ergänzen weitere Bemerkungung mein zugegeben bissiges Traktat.Das diesen weiteren Ausführungen zugrundeliegende „Merkblatt“ folgt einer unbedingt fiktiven Quelle [möglicher Fundort gar die Gästetoilette – es gab nie eine andere – des „Oma Plüsch“ um 1974 in der Berliner Grunewaldstraße, Bezirk Schöneberg, auf dem nächtlichen Trampelpfad gelegen]. Es scheint sich nahezu ausschließlich auf die in Deutschland vorherrschende kristlich-abendländische Kultur zu beziehen; vermutlich ist es sogar etwas jüngeren Datums (früheste 80er Jahre) und ward gleich nach dem Abriss des Hauses in der Grunewaldstraße hinter dem Che-Plakat der Schultheißkneipe „Ruine“ am unweit gelegenen Winterfeldtplatz versteckt, oder im „Leuchtturm“ in der Crellestraße – unter das Schachbrett geklebt (die beiden damals bereits uralten FU-Philosophiestudenten müßten jetzt im 80. Semester ihrer Stammgastrolle sein); und wenn nicht kommunistisch so ist die Quelle einigermaßen antiklerikaler Herkunft, eine Mischung aus maoistischem Flugblatt und der Matrize einer privaten Literaturgruppe aus der damaligen Ostzone = „DDR“; sprich der SEW/DKP-nahe Werkkreis Literatur der Arbeitswelt für Berlin-West und die BRD, z. B. mit Der rote Großvater erzählt (rororo?). Religiöse Verschiedenheiten konfessioneller Mischehen, Ehen gleichgeschlechtlicher Partner oder Scheinehen mit meist weiblichen Einwanderern und Asylsuchenden [wie bei -3-] sind bei Erläuterungen deswegen nur wenig be-rücksichtigt (vgl. Erklärung Autor S. 74 f.).

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Der versteckte Militarismus. – Wenn bei der gigantischen Grundlagenforschung Para Bellum die Ergebnisse für eine Zeit geheimzuhalten sind, so müssen dem die moderne Soziologie und alle andere Gesellschaftswissenschaften nur allzu treu folgen, falls aus ihren Erkenntnissen und Publikationen systembedrohende Zusammenhänge sichtbar würden. Die Organisation des innerstaatlichen Lebens durch öffentliche Verwaltung und aller anderen „gleichgeschalteten“ Institutionen unterliegt einem spezifischen parlamentarischen Kodex. Dieser garantiert durch sein bloßes „Gerede“ jeweils durchgängige historische Erfahrungen immer gleichbleibender Qualität (Markenware) bei der Durchsetzung des jeweils praktischsten und effektivsten Systems der Herrschaft. Nicht der Krieg ist der Vater aller Dinge, es ist die Aggression, die sich gegen die Unterwürfigkeit immer durchsetzen wird. Wie in der Ehe ergeben sich zwangsläufig Gegenpole, dem von Sicherheit, dem Überleben für den Nachwuchs und dem der Lust, die Lust ein eigenes Weib und eigene Sachen zu besitzen und im Reichtum dies alles noch zu steigern. Ein pauschales Denken in der heutigen Zeit wird durch einige machthungrige Frauen in Zweifel gezogen. Aber gerade sie sind in der Lage zur Erreichung ihrer Ziele alle Listen anzuwenden. So wundert es, daß die großen Konzerne nicht längst fast ausschließlich weibliche Vorstände haben. Napoleon und der ebenfalls nachhaltig Rußlanderfahrene General Paulus sollen in Wirklichkeit Frauen gewesen sein. Vom letzteren gibt es aus Stalingrad ein Foto. Er grinst vor sich hin und trägt eindeutig ein wollenes Kopftuch unter der Offiziersmütze… ganz wie seine erfrierenden Soldaten unter ihren Helmen.

Bedingte Verteidigungsbereitschaft. – Allein wegen dem erwünscht raschen Umsatz und dem gewollten schnellen Verschleiß von Konsumgütern (geplante Obsoleszenz) ist der staatliche Überbau, so hat man ihn seinerzeit studienhalber nennen dürfen, in einen großen Konflikt geraten. Einmal wird er weiterhin den freien Willen, die Vernunft, die Selbstbestimmung der Menschen propagieren, um sie dabei heimlich zu beugen. Dann muß er fortwährend alles, aber auch alles an den Erfordernissen des Systems, fast vollständig an den eindeutig ausschließlichen Profiinteressen der Wirtschaft ausrichten.

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Er muß aus sich selbst heraus in beständiger Weise mit seinem restlichen Herrschaftsapparat, bestehend aus Staat, Militär und Kirche, so operieren, daß dabei unter anderem die bürgerliche Ehe und die Selbstknebelung durch die bloße Gründung einer Familie idealisiert wird. In jeglicher Hinsicht wird alles Mögliche verhandelt, sichtbar oder unsichtbar, gesagt oder verheimlicht, zuletzt aber als alternativlos in die Historie geschmiedet. Andererseits ist ihm trotz latentem Ehegebot an einer tolerierbaren Promiskuität des völkischen Geschlechtslebens wegen ihrer enorm wohltuenden Ventilfunktion gelegen (deshalb in Kriegen z. B. Wehrmachtsbordelle, Trostfrauen für japanische Truppen).

Darüber hinaus führen vermehrt Junggesellen und Junggesellinnen, mit ihren als modern und angesagt geltenden Singlehaushalten, zu einem bislang unerreichten Konsumzuwachs in fast allen Lebensbereichen, z. B. hohe Mieten durch Wohnraumverknappung, im banalsten Fall mehr verkaufte Bücher, die man früher im Bett gemeinsam las, größere Kühlmöbel, Nestlé-Fertiggerichte Mikrowellen und kleinere Waschmaschinen etc.

Das Verhalten der Menschen ist ihrem grundsätzlichen Wesen nach fast allein durch ihre Sexualität und ihre Kompensierungsbemühungen gesteuert, das wissen wir natürlich nicht erst seit Sigi Freud. Was sich nun aufdrängt ist die Beobachtung, daß insbesondere bei den Ehen, die sich in rascher Folge hintereinander vollziehen und natürlich jeweils vorher geschieden wurden, sich eine nahezu unübertreffliche Konsumrate insgesamt ergäbe, zumindest würde die Inlandnachfrage immer wieder neu angeregt, wenn zerschlagenes Geschirr ersetzt, aus dem Fenster geworfene Geräte neu angeschafft werden müssen, der aufgeteilte Besitz eh vor die Hunde geht und, um im einseitigen Männerbild zu bleiben, die lustige „Witwe“ sich mit ihrem neuen, natürlich viel jüngeren schwarzhaarigen Liebhaber und den Alimenten (heißen die deswegen so?), dem Unterhalt für sich und die Kinder, in die exklusive Kapitänsvilla der Schwiegereltern in Blankenese absetzt oder ins tropenholzpelletbeheizte Ökohaus nach Freiburg zieht, um selbstgewebte Stoffe zu färben. Für ihn fallen fürs erste nur einige gewöhnliche Übergangsfrauen ab, die jeweils nach zwei oder vier Wochen, bestenfalls nach ein paar Monaten unerträglich, weil zu

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ganz normalen Frauen werden. Dabei passiert es gelegentlich, daß sich ein vernünftig gewordener Mann dazu entschließt, aus freien Stücken wieder zum Junggesellen zu werden. Das ist mir ein bewußter Schritt, das bedeutet nicht immer sexuelle Abstinenz, denn die muß damit nicht zwingend verbunden sein. Es ist eher eine komplexe, eine ganz besondere Organisationsform; ein neues Ich-verständnis entsteht dabei, das sich einmal gegen die ihn penetrierende Gesellschaft wendet, dann eben genau ihren entfremdenden Erfordernissen und Entwurzelungshoffnungen entspricht. Mancher neugeborene Junggeselle wird vielleicht über seine revolutionären frühen Jahre sinnieren, sich an vergangene, unerfüllte Ideen erinnern, sich plötzlich nicht mehr zu alt für eine Rucksackreise oder zu angepaßt für ein Rockfestival auf der Wiese fühlen, gar um zur verbotenen Demonstration vor Frankfurter Banken oder die vom Regierungspräsidium erlaubte gegen Neonazis & Linksextremen Ausländerhaß zu gehen. Er wird mit dem schweren Motorrad herumfahren und sich dabei ohne eine hübsche aber ängstliche Sozia, die ihm in engen Kurven in die Rippen boxt, endlich so frei wie ein Vogel fühlen.

    Aber was wird im Alter? Und dazu dann dieser Ekel vor faltiger Haut! Man altert auch wenn man sich selten selbst betrachtet. Zum Glück gibt es ganz neu verbreitete dialektische Lebensweisheiten. Eine der besten liegt in der rein intellektuellen Berührung der Welt, aber zum Philosophieren bräuchte er wieder seinen alten Ohrensessel. Dabei ist es doch erstaunlich, wie lange die kreative Sehnsucht nach wohlgeformten runden Brüsten anhält.

    Für ihn hatte man einmal den Mittelweg beschlossen. Arbeiterkind, Mittlere Reife, Lehre, Soldatenzeit, Zweiter Bildungsweg, Studium, in familiärer Hinsicht erst spätes Heiraten, ein Kind. „Als wenn sich Menschen wirklich autark und aus eigenem Willen entwickeln könnten… wo kämen wir da bloß hin… da wird sich jeder gescheite Mensch anpassen müssen, oder.“ Doch jetzt als Junggeselle stellt er sich beim Einschlafen vor, ein langsamer Fick im ledernen Ohrensessel, die junge Frau, Ähnlichkeit mit G., sie lacht weil der so lustig quietscht, die hohen Bücheregale drohen auf ihn zu stürzen, in diesem Moment ist ihm alles egal. „Junge hör‘ mal“ raunt ihm B. B. zu „fast alle wichtigen freien Entscheidungen hängen von der finanziellen Unabhängigkeit des Individuums ab.“

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Da besuchte mich mein Freund wieder einmal, das ist der, der sich gerade weniger um die Emanzipation der Geschlechter kümmert (zumindest die in den reichen Industrieländern), als um den Fortschritt seiner eigenen Scheidung. Er berichtete von wichtigen Terminen, die nicht eingehalten werden, von den Idioten unter den Rechtsanwälten und von seiner Angst vor dem Scheidungsurteil, welches irgendwann auf ihn hereinbrechen wird, wie eine tödliche Brandungswoge, wie eine Mörderwelle… Nein, sage ich, der ich über die Jahre so etwas wie ein erfahrener Junggeselle geworden bin, betrachte es doch mal anders, die Welle wirft dich endlich an einen paradiesischen Strand, hey, kannst du dir den vorstellen, und von dort winken die Mädchen, denen du bald Honig auf ihre braunen Brüste und weißen Korallensand in die Augen träufeln wirst… In Wirklichkeit denke ich mitfühlend, der arme Bursche, jetzt wird er in seinem historischen Zustand bald eine erste Hürde genommen haben, dabei baut sich eine noch grausamere Barriere auf, um die schon lange bestehenden dauerhaften und wahrscheinlich wachsende Atolle der Massenarbeitslosigkeit, das Elend in der Welt, die Renten- und Einkommenskürzungen, die wir winzigen Polypen dem Aufbau des neoliberalisierten Kapitalismus schulden, dann die extrem divergierende ungleiche Vermögensverteilung (Einkommensschere), die ebenso freien (?) wie streng geheimen „Handelsabkommen“ mit puritanischen Mafiosi… und während ich vom selbstgebrannten Likörschnaps nachgieße, überlege ich, wieviel er wohl demnächst an Rente übrig behalten wird, aber ich bitte ihn, weiter von seiner syrischen Freundin zu erzählen.

C’est toujour la meme chose. – Aus all den oben erwähnten Erfahrungen und gegebenen Ratschlägen sollte geschlossen werden, daß die Scheidung einer bürgerlichen Ehe vor einem Amts- und Familiengericht, wie immer sie geartet oder nachteilig ausgehen möchte, wenn sie denn nicht vermeidbar war, angeraten ist. Von einer spontanen und gewaltsamen, sprich archaischen, alttestamentarischen, von südeuropäischen, orientalischen Bevölkerungsgruppen womöglich akzeptierten Lösung des Beziehungsproblems nach dem Motto „Das haben wir seit tausend Jahren so gemacht“ z. B. zur Strafe verstoßen, ächten, öffentliche Steinigung, im Affekt totschlagen oder beim rituellen Mord ausbluten, ist trotz der damit verbundenen Romantik unbedingt abzuraten.

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In der Komprimierung meiner versuchten Erörterung eines wichtigen gesellschaftlichen Zustandes, dem der Ehe, komme ich sicher zu neuen Stichworten und Blickwinkeln, die allesamt in ihrem Kern eines ausdrücken möchten: Die bürgerliche Ehe erscheint als eine sinnvolle Einrichtung, als gesellschaftliche Notwendigkeit und wäre vollkommen unproblematisch wenn ohne Zwang und künstliche oder einseitige Nachteile für alle familiär Beteiligten eine Scheidung und eine gewünschte neue Familie möglich wäre. Die heuchlerische Beteiligung der Kristlichen Kirchen, insbes. die der katholischen, ist abzulehnen und radikal abzuschaffen, um damit die allgemeinen Menschenrechte (!) und einen humanen gesellschaftlichen Fortschritt wahrhaft zu gewährleisten.

(1) Liebesheirat: Es ist morphologisch bekannt und dazu für die allgemeine Öffentlichkeit wissenschaftlich bewiesen, daß die als geschlechtliche Liebe bezeichnete heftige Zuneigung zumeist zweier Menschen sehr bald schon verfliegt. In diesem Zustand zu Heiraten kann in zweierlei Hinsicht bewertet werden. Einmal ist das vollkommen vernünftig, denn wir haben nur diese Art von Vernunft. Dann ist es nahezu idiotisch, nur wegen einer Verliebtheit zu heiraten, denn man weiß doch längst, daß diese Art Liebe verfliegt. „Die Vernunft ist weiblicher natur: sie kann nur geben, nachdem sie empfangen hat. Durch sich selbst allein hat sie nichts, als die gehaltlose Form ihres Operirens.“ [Schopenhauer 1997, S. 100; Solch ein Zitat dient als Beispiel dafür, wie aus dem Zusammenhang gerissene Zitate für alles und nichts benutzt oder mißbraucht werden können]. Unmißverständlicher sagt Nietzsche zum Liebesheiraten: Die Ehen, welche aus Liebe geschlossen wer den (die sogenannten Liebesheiraten), haben den Irrtum zum Vater und die Not (das Bedürfnis) zur Mutter. [Nietzsche 1886: Menschliches und Allzumenschliches, Werke Band 1, S. 213].

(2) Vernunftsehe: Eine solche Ehe ist wegen ihrer pragmatischen Basis am ehesten eine wirkliche Ehe in der eigentlichen Wortbedeutung, denn sie ist in der Regel tatsächlich auf Dauer angelegt, weil die Gründe bereits dauerhafterer Natur sind als eine Verliebtheit. Ebenso vernünftig wie die Gründe, aus denen heraus eine Vernunftsehe geschlossen wird, ebenso unvernünftig erscheint dann ihre Scheidung, es sei denn die ursprünglichen vernünftigen Gründe sind hinfällig geworden.

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Sogar die bürgerliche Ehe, erst recht symbolisch die widersprüchliche katholische Theologie zur Ehe betreffend, verstößt mit ihren kategorischen Normierungen eindeutig gegen die Menschenwürde. Die Beibehaltung dieses Zustandes, auch aufgrund der mit den Faschisten in Italien und Deutschland geschlossenen Konkordate, ist einer der größten Skandale wenn er denn endlich breit bekannt gemacht wäre. Ein Beispiel: Vertraglich geregelte eheliche Treue stellt sich gegen jedwedes gesundes und natürliches Verhalten, gerade bei einem als frei erklärten Menschen. Die Ehe beruht im wesentlich auf dem biblischen Zorn der zehn „Gebote“ als restriktive VERBOTE. Die aus dem Tierreich erfolgreich transportierte gesunde und praktische Promiskuität würde sich ansonsten nahezu auf die gesamte Lebenszeit der Individuen beziehen. Viele Berufsgruppen wie Psychotherapeuten, Erpresser, Geheimdienste, Drogisten, ihre Dealer, privatisierte Staatsgefängnisse, alle hätten sie Umsatzprobleme. Promiskes Verhalten ist faktisch ein Zeichen von Selbstbestimmung (zumindest in der abendländisch geprägten Kultur) und wird dort in der allgemeinen Rechtsordnung und in Bezug auf die Inanspruchnahme der Menschenwürde, aber klar und deutlich gegen die allgemeine konservative Auffassung von Moral verstoßend, dennoch als autonomer Bestandteil eines selbstbestimmten Lebens von Erwachsenen verstanden.

Exkurs. – Der in der deutschen Sprache ursprünglich durchaus positiv besetzte Begriff der Schlampe deutet auf eine vernünftige Inanspruchnahme eben dieser natürlichen Promiskuität, die auf eine gewisse selbstverständliche Art auf eine intuitive Gleichberechtigung der Geschlechter hinweist. Das ist rein akademisch.

Denn welcher Mann möchte eine im Ruhestand befindliche, gar eine gelegentlich noch praktizierende Schlampe heiraten, und so ergeben sich nicht allein daraus, aber aus dem Umgang mit der scheinheiligen bürgerlichen und kristlichen Moral selbst, mannigfaltige Scheidungsgründe (vgl. Ähmm…. Von der Wortlosigkeit für Beziehungsgefüge. Graswurzelrevolution. Nr. 245/ Januar 2000).

(3) Was für die kristlichen Mischehen bislang gilt, das gilt doppelt und dreifach für massenhaft aus dem befreundeten Ausland kommende Ehepartner. Die bringen oft genug andere Sitten und Gebräuche

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mit in die Ehe, von anderen Göttern und Religionen ganz zu schweigen. Vorurteile sind irgendwie immer störend, sie beruhen zum Glück aber eindeutig auf Unkenntnis.

Wir haben nichts außer unseren bereits in der Kindheit tief in uns gelegten falschen Vorstellungen vom Unbekannten, und die sind so geprägt, daß sie unserem Unterbewußten scheinbar wahre Bilder projezieren (Kriegsgründe, Traumfrauen, ewiges Glück und Reichtum, weiße Hochzeit … die ewige Liebe). Sogar nach der angeblich spontanen (aber lange vorbestellten) Bauchtanzgruppe auf der weihnachtlichen Betriebsfeier oder auf dem Schiffsausflug mit dem Kegelclub auf Rhein und Mosel glaubten wir sicher zu wissen, daß der Bauchtanz als heidnischer Fruchtbarkeitskult im vermutlich engen, dunklen, heißen und niedrigen Beduinenzelt vor auserwähltem einheimischem Publikum stattfindet, während zum ölig glänzenden Weiberbauchspeck eklig süßer Pfefferminztee geschlürft wird… Braucht man das? In Zeiten, in denen sich Völkerkundemuseen wie Berlin, London oder Paris Gedanken darüber machen müssten, wie sie die in der Kolonialzeit geraubten Skelette und Schrumpfköpfe elegant wieder loswerden, sind die froh, daß sich kein Gurlit-Rembrandt, Picasso oder Renoir in der Asservatenkammer befindet. Ist bekannt, daß sich in Amsterdam die holländische Bevölkerung mit den Tausenden Menschen aus Surinam1) je verschwägert hätte? Die wohnen seit Jahrzehnten in der Stadt und haben ganze Stadtviertel eingenommen. Mit Indonesiern ist es nicht so schlimm, weil die zu Hause bereits nach Sumatra und Sulawesi zwangsumgesiedelt werden. Wird das mit syrischen Flüchtlingen ähnlich geschehen? Wieviele Ehen gibt es zwischen Deutschen und zwei Millionen Türken, wobei die Abstammungen inzwischen wichtiger sind, als der Paß des Großvaters. Das soll erinnern, daß sich die katholische Kirche seinerzeit bei der Mischehe zwischen einem Mädel aus Kiel und einem bayerischen Zerstörermaat bereits schwer tat. Was soll also werden, wenn die Gesellschaft weiterhin so tut, als sei die Heilige Stadt noch im Besitz des Gottfried von Boullion oder die Marienburg an der Nogat noch fest in der Hand des Deutschen Ritterordens.

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1)  ehem. Niederländische Kolonie in Südamerika

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(4) Auf die Vorzeichen achten. Das Essen wird nicht mehr liebevoll mit Petersilie und einer Radieschenblüte garniert … Ihre fürsorgliche Standardfrage beim abendlichen Schnittchen „Möchtest du noch Gürkchen?“ bleibt immer häufiger aus. Wenn du nach Hause kommst wirkt sie manchmal regelrecht abgeschminkt, ohne daß du es dir erklären könntest wie eigentlich wirklich. Sie findet ihren Lieblingspulli und ihre Ohrringe nicht mehr, vielleicht hätte sie die neulich irrtümlich in die Kleidersammlung geworfen.

Gelegentliche Kopfschmerzen und plötzliche Müdigkeit beim Zubettgehen nehmen bei ihr deutlich zu. Du hilfst ihr wohl nicht schnell genug in den Mantel, oder sie ist zu geschwind damit. Sie telefoniert leise im Ankleidezimmer … man möchte heimlich in den Taschen des Partners herumwühlen… sie nörgelt nicht, wenn du die Schnürsenkel der ausgezogenen Schuhe nicht einlegst…

Von morgens bis abends und auch nachts. – Der Freund berichtet mir von auffallend vielen mehrtägigen Fortbildungsreisen der geliebten Frau, über Sylt hinaus häufig nach Heidelberg. Hier muß ich grinsen. „Nein, nur wegen dem Heinrich Böll Du fährst zu oft nach Heidelberg…“ Nach Freudenstadt, Düsseldorf, sogar zu exotischen Zielen von Ägypten bis hinunter nach Mauritius wäre sie den Spesenrittern gefolgt. „Du kannst gern mitkommen, aber guck doch mal das Kongreßprogramm dieses Jahr. Von morgens bis abends nur langweilige Vorträge und Fachkonferenzen.“ Das kommt mir tatsächlich selber sehr bekannt vor.

Hier geht es ums Eingemachte. – Beim Abschluß der hohen Lebensversicherungen allein für die Ehefrau, bitteschön aber rechtzeitig auch an‘s eigene womöglich einsame und triste Alter denken. Das einzige, was einer unfreiwilligen Philosophie der Armut und Entmutigung wirklich vorbeugen könnte, ist ein genügend hohes Einkommen. Altersarmut ist doppelt makaber!

(5) Spuren verwischen oder Fakten schaffen: Falls sie gerade Finnegans Wake von James Joyce lesen, den sie zwar auch nicht verstehen, der ihnen aber als ein Synonym für wirres aber phantasievolles, verrücktes aber unrationales Geschehen gilt, so erwähnen sie nachts trotzdem niemals den Namen Anna Livia Plurabelle, das könnte sie in einen falschen Verdacht und lächerliche Erklärungsnot bringen. Im Schlaf sprechen ist nicht praktisch.

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Falls sie sich selber schuldig fühlen, daß ihre Ehe zusehens problematisch wird, lassen sie dieses unproduktive Gefühl nicht zu. Gestehen sie aus heiterem Himmel eine heimliche Geliebte ein, wenn sie das Scheidungsurteil zugunster ihres Partners wünschen, oder dokumentieren sie rechtzeitig (egal wie), daß wegen der ständigen Kopfschmerzen ihrer Frau schon seit langer Zeit eine vollkommen zerrüttete Ehe besteht. Ein Jahr muß man eine solche aufrechterhalten, um dem Gesetz genüge zu tun. Treten sie mal aus der Kirche aus, da haben sie auch vier Wochen Bedenkzeit, oder das Amtsgericht hofft darauf, daß sich die Sache von selber erledigt. Richten sie sich in ihrem Hobbyraum oder in der Doppelgarage vorsorglich einen Schlafplatz ein …

    Ein anderer Freund, bei dem die Scheidung flott über die Bühne ging, gesteht einen gefühlvollen Rückfall:  „… und da haben wir doch drei Tage vor dem Scheidungstermin nochmal toll miteinander geschlafen …“ Dieser Gemütsverfall in Form eines hormonell provozierten Kontrollverlustes kommt aus der Furcht vor den bevorstehenden Tatsachen, und sie sind häufiger, als man zunächst glaubt. Auch das muß (danach) wie ein kalter Entzug durchlebter Angst ganz allein und einsam ausgestanden werden… unvorsichtige Freundlichkeiten werden oft mißverstanden… plötzlich sank ihr Blick so tief in das Herz ihres Gegners, wie er in den unendlich weiten Horizont des vor ihr liegenden Himmels hätte eintauchen können, und sie fühlte, daß hier alle Worte vergeblich waren. Sie schwieg … (Proust. Der Gleichgültige, 89)

(6) Die richtige Wahl des Scheidungsanwaltes ist von herausragender Bedeutung, es sei denn man verhält sich wie bei der Trauung in der Kirche und sagt zu allem Ja und Amen. Oft genug entpuppt sich der eigene Anwalt teurer als der zu erwartende Vorteil bei den durch ihn eingehandelten Bedingungen. Freunden sie sich daher rechtzeitig mit fähigen Juristen an (möglichst schon vor der Ehelichung, die kann man nämlich bald gut gebrauchen). Fragen sie in der Nachbarschaft, Kameraden in Vereinen, Leute im Urlaub. Die kennen zur Not einen versierten Kollegen in ihrer Nähe, oder er kennt einen gut , der sogar auf Familienrecht spezialisiert ist.

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(7) Die Scheideanstalt (Degussa und Consorten), die halbamtliche Technik-Installation zur Herstellung der edlen Metalle, die uralte, weil lange bewährte Vorstufe aller Prostitution, als wenn es ohne Scheidung keine andere natürliche Befriedigung der Gier gäbe …

    Vor unseren Augen

    Wie nach der blutigen Schlacht/ das Schwert seine Behausung findet/ in der wohlverzierten, zisilierten Scheide, so/ trennen sich in der Dämmerung/ Befehl und Gehorsam,/

    Armut und Reichtum,/ Elende und Erlöste,/ Sieger und Besiegte, grausamer Tod und ewiges Leben,/ Ehre und Sold, allein in dem herrlichen Kriege./

    Im blanken Morgenlicht/ Das junge abgeschlagene Haupt im Staub/ so blutig und blond/ Der Mensch folgt stets dem niedersten Triebe./ Er liebt das Gold!                                  (GSK 12.09.15)

Bühnenbilder. – Ein Ehevertrag wäre uns immer ungerecht. Richard Wagners Ring des Nibelungen, egal wer ihn inszeniert… nichts als ein moderner Tauschhandel, der kalte Herzen übrigläßt… Bereits Das Rheingold ist die großartige Story eines unkomplizierten aber langatmigen Vertragsbruches…

(8) Wie bei einem längst geplanten aber immer wieder hinausgezögerten Suizid ist der richtige Zeitpunkt für eine Scheidung eher mehr eine Frage theoretischer als denn praktischer Art, er liegt bestenfalls deutlich vor dem Ablauf der ersten sieben Jahre der Ehezeit. Später stößt man überall im eigenen Umfeld auf mehr oder weniger gut gespieltes überraschtes Unverständnis, trifft aber hoffentlich auf milde Richter, und auch in moralischer Hinsicht ist wegen der größeren finanziellen Strafleistung wenigsten keine gewaltig sensible Abbitte nötig. Die Ehescheidungen zu einem späteren Zeitpunkt sind nämlich oft mit zunehmend lukrativen Vorteilen und/oder gewaltigen finanziellen Nachteilen verbunden. Fragt man das geschiedene Klientel, so ist diese allgemeine Unterscheidung durch das Scheidungsurteil immer absolut ungerecht weil vollkommen ungleich verteilt. Das hingegen scheint eher ein Naturgesetz als ein weiteres der ungelösten Welträtsel zu sein.

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Die lange bereits eingetretene Zerrüttung der Ehe, ist heute beliebte Formulierung in der Anklage der Gegenseite. Wichtig erscheint, daß der sich immerzu verwischende Zeitpunkt ihres Beginns nicht überschritten wird, aber auch nicht zu früh einsetzt, um dem Instinkt zur Selbst-Wiederherstellung (er wird gemeinhin Selbsterhaltungstrieb genannt), im zähen Morast der ersten Resignationen steckenbleiben zu lassen. Nietzsche, dessen Erfahrungen dabei aber schwerlich aus einer eigenen bürgerlichen Ehe gezogen werden können, nennt sie weiterhin die Philosophie der Armut und Entmutigung, welche durch die (selbstverdiente) Wohlgeratenheit überflügelt wird. Hier finden sich auch die oft herbeigewünschten, verhängnisvollen Halbwahrheiten, nicht die mit dem harten Kruppstahl und dem zähen Leder, dann also der weitere Samenerguß aus den Hirnen von alten Nazis die als Geschichts- und oder als Turnlehrer der wohlgeratenen Knabenschar über die Adenauerzeit hinweg vermutlich bis heute in ihr frisches Gehirn sch…… werden. „(…) was ihn nicht umbringt, macht ihn stärker (…) er sammelt instinktiv (…) er ehrt: indem er wählt, indem er zuläßt, indem er vertraut (…) er weiß zu vergessen(…) Wohlan, ich bin das Gegenstück eines décadent: denn ich beschrieb eben mich. (Nietzsche. Ecce Homo. Warum ich so weise bin). Der Geist des Abendlandes wird an den kränklichen Werten des Kristentums zugrunde gehen, das kann gut sein … Für uns, die an dieser Stelle die Ehe vor Augen haben, erklären diese dann lieber flugs zu einem Ding, zur bloßen Sache, als eine Angelegenheit ganz so wie der (dekadente) Besitz eines Haustieres, welches wir einmal schätzten und liebten, es nach einer Weile auf dem Autobahnparkplatz zurücklassen können, oder es irgendwann ins Tierheim bringen weil es uns lästig geworden ist. Über die Gefühle in einem Tier ist uns nur indirekt ein Zugang möglich – vielleicht ist das gut so. Der Zeitpunkt eines Verhaltens erscheint tatsächlich eine große Rolle zu spielen. Wenn ich einige lange Jahre mit einer Frau zusammenlebe, alle Pläne, Ideen, einen Teil der Gefühle und Empfindungen mit ihr teile, glücklich über das wohlgeratene gemeinsame Kind bin, mich diese Frau dann zurückweist, nicht nach kurzer Bekanntschaft – Mal so gefragt: geschieht so etwas plötzlich?

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(9) Ehejubiläum: Falls sie nach einer bereits vor etwa fünfundzwanzig Jahren (sic) glücklich geschiedenen Ehe bei ihrer aktuellen polizeilichen Meldebehörde (Stadt- oder Gemeindeverwaltung) einen schriftlichen Widerspruch gegen die elektronische Weitergabe ihrer persönlichen Daten an Wirtschaftsunternehmen, Verbände, Presse, Rundfunk und andere Medien machen, [ein Formblatt ist bei radikalen NGO’s und im Internet erhältlich], sie unter dem Betreff „Eintragung einer Übermittlungssperre zum Ehejubiläum“ dabei bezüglich der Veröffentlichung der Ehejubiläen mitgeteilt bekommen, daß die Zustimmung beider Ehepartner erforderlich ist, so bekommen sie nach telefonischer Rücksprache mitgeteilt, daß letztlich die Vorlage des Original-Scheidungsurteils aber in Papierform (!) unbedingt erforderlich ist, damit diese datenrechtliche Übermittlungssperre für sie eingetragen werden kann (sic). Na bitte, der bürgerrechtliche Datenschutz funktioniert doch hervorragend!

5

Meine Nachbemerkung.„Drum prüfe, wer sich ewig bindet…“, wenn ich’s recht erinnere, ein Wort aus Hermann und Dorothea, ein Epos, welches mich seinerzeit, gerade in einer pubertären Verliebtheit befindlich, passagenweise begeistert hat (?). So gesehen war’s eine gute Vorbereitung auf spätere Lehren aus dem Faust.

Heute, hier und jetzt! Hinter allem, was sich in meiner medialen Welt als Ratschlag oder dokumentiertes Szenario darstellt, steckt das alte journaillistische Prinzip, daß vieles mit vielen Worten benannt, verschleiert werden kann, und ich am Ende als hilfloser Mann (Leser) mit einer Lebenslüge ebenso dumm dastehe als wie zuvor. Ich hätte mir jedweden weiteren Bildungsversuch, das Verkosten der als unbekömmlich gerühmten Rezepte etc. ersparen können. Die selbst erworbene Naivität und Dummheit stehen zuletzt im gleichen Verhältnis zu meinem persönlichen Geschick, wie der großartige und folgenschwere Entschluß anderer Protagonisten, eine amtliche Ehe einzugehen, sich Kinder zu wünschen, nicht genug, um sich danach wieder scheiden zu lassen.

Vor unabwendbaren Schicksal wird eigene Hoffnung auf Glück ganz klein. Doch wie hätte man das vorher wissen können? Nur um der Hoffnungslosen willen ist uns die Hoffnung gegeben.1)

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Die Geborgenheit der lange Kindheit, die Ideale der stürmischen Jugend, das verantwortlich fühlende reifere Leben mit einer ursprünglichen Liebe und den vernünftigen Begründungen dazu, haben sich irgendwann einmal in eine gefrässige Hydra verwandelt, die uns alle Erinnerungen aus dem Leibe reißt und uns mit ihren ätzenden Verdauungssäften bespeit. Vielleicht gelingt es einmal, sich aus dieser Realität zu träumen, sich von allzugroßen Erwartungen auf Rettung zu befreien. Dann endlich wird das wahrhafte Glück erneut zu dem, was es einst zu sein schien oder zu werden versprach: eine gute Bescheidenheit ohne Schmerzen. Dies geschieht aber nur, wenn wir bei all der gefühlten Pein und den sichtbaren Sinnlosigkeiten beständig auf eine baldige Linderung unserer Qualen hoffen – vielleicht auch endlich einmal wieder etwas praktisches dafür tun.

Sind so kleine Hände… Von einem kreativen kleinen Menschen, vom mit Phantasie behauchten Kind zum genormten Staatsbürger gemacht, also auch zur Ehe erzogen zu werden, das macht den schwarzen Scholaren nur Sinn, wenn es ganz wie bei den anderen Abartigkeiten, zur dauerhaften Unterwürfigkeit führt.

Ein vollständiger Widerstand erscheint mühsam, und er wird dazu auch noch sinnlos sein. Man müßte dazu sein Unterbewußtsein verschließen, denn es liegt jedem Zugriff offen, ganz wie der blecherne Briefkasten vor dem Haus keine Briefe von Freunden sondern nur Massen von Altpapier liefert. Eine Zeitung wie BILD will uns lebenslang begleiten, zum 25. Nationalfeiertag (?) lag eine dicke kostenlose Sonderausgabe in jedem deutschen Briefkasten (sic); ein monogames Dasein gemeinsam mit Produkten für Geist und Körper, zum Wohle der Institutionen, ganz wie die Rundumsorglospakete der legalisierten Panzerknackerbanden. Dann hört es sich so an, es schmeckt und riecht auch so. Zwischen den prüfenden Fingerspitzen: Ist das Tierfutter? Nein, das riecht wie Babynahrung, die geöffnete Wurstverpackung ganz wie eine eingeschissene Windel, die Mayonnaise wie Pomade für die Leiche: Nestlé für ein ganzes Leben! Und meine Machtlosigkeit schwebt derweil hilflos im Raum – wie eine fallende Streubombe, die ihr Ziel hoffentlich nicht verfehlen wird.

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Als Nachtrag. – Neulich hat der Freund, von dessen anstrengendem Scheidungsprozess ich letztlich zu diesem Text inspiriert wurde, wohlmeinend versucht, mich an eine Junggesellin zu verkuppeln. Dieser Versuch ist nicht kläglich gescheitert, sollte aber getrost an anderer Stelle wiederholt werden, nicht weil jene Frau gänzlich unattraktiv wäre, sondern weil ich mir selber einen Bauch zugelegt und ein Porträt ins Arbeitszimmer gehängt habe, von Friedrich Nietzsche, den ich immerhin für den genialsten Junggesellen im Club der toten Dichter halte. Mein gemütliches Leben werde ich hoffentlich nicht zuletzt wegen einem Hund bald aufgeben, der mich bei meinen Fußexkursionen begleiten möchte.

     „Denn etwas Bewegung benötigt jeder einsame Mensch in seinem Leben, um gesund zu bleiben.“

     „Gesund zu bleiben, nach all dem was bereits geschehen ist? Sind wir nicht alle längst krank geworden?“

     „Zu leben, um gesund zu bleiben oder zu Leben, um wieder gesund zu werden, das sollte man sich möglichst rechtzeitig aus-suchen.“

Goethe hingegen läßt Mittler sprechen: „Wer mir den Ehestand angreift“, rief er aus, „wer mir durch Wort, ja durch Tat diesen Grund aller sittlichen Gesellschaft untergräbt, der hat es mit mir zu tun; (…) Die Ehe ist der Anfang und der Gipfel aller Kultur. Sie macht den Rohen mild, und der Gebildetste hat keine bessere Gelegenheit, seine Milde zu beweisen.  f Unglück dagegen garnicht zu rechnen ist. (…) Sich zu trennen, gibt’s gar keinen hinlänglichen Grund.  (…) Sind wir nicht auch mit dem Gewissen verheiratet, das wir oft gerne los sein möchten, weil es unbequemer ist, als uns je ein Mann oder eine Frau werden könnte?“ Benjamin fällt auf, daß selbst Goethe, der in Sachen Sittenstrenge sich meist recht skrupellos verhielt, einer solchen Rede anheimfällt… in frechen Worten Kants wird das Eheliche „ein ekler Mischmasch“ … „zusammengestoppelt“ aus haltlosen humanitären Maximen und trüben, trügerischen Rechtsinstinkten, Niemandem sollte das Unreine darin entgehen, die Gleichgültigkeit gegen die Wahrheit im Leben der Gatten.

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Die Charakterisierung der Ehe durch Shaw ist bis heute nahezu umfassend und dabei so treffend geblieben, daß selbst der bissig erscheinende Clodwig Poth nicht viel neues beitragen konnte. Die Ehe ist eine von Staat und Kirche vielfach geschützte und geförderte Institution. (…) Nach der Hochzeit ziehen sich Staat und Kirche befriedigt zurück. Am Ende erscheint die Taktik des Ehekrieges immerhin für solche Geländegewinne und -verluste zu sorgen, die Verdun und Stalingrad berühmt gemacht haben. Eine schöne neue Welt wäre sicher keine gute Alternative, und so wird jeder für sich immer neu gute und bittere Erfahrungen machen müssen, denn dafür ist solch ein ewig langes Menschenleben doch schließlich gut. Im Übrigen bin ich der Meinung, daß Nestlé zerstört werden muß!             [Text Heiraten bislang nicht fortgeführt]

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Anm. zu Goethes Wahlverwandtschaften (vgl. Walter Benjamin 1949):

Die moralische Neubewertung der Ehe gelang selbst den schillernsten Geistern der späteren Aufklärung nicht. Ist Goethe in den Wahlverwandtschaften dem Sachgehalt der Ehe wirklich näher als Kant  und Mozart? (vgl. Zauberflöte). „An ihr als einer der strengsten und sachlichsten Ausprägungen menschlichen Lebensgehalts bekundet zugleich am frühesten, in den Goetheschen Wahlverwandtschaften, sich des Dichters neue, auf synthetische Anschauung der Sachgehalte hingewendete Betrachtung. Kants Definition der Ehe aus der „Metaphysik der Sitten“, (…) ist das erhabenste Produkt einer Ratio, welche unbestechlich, treu sich selber (…) die Ehe als die „Verbindung zweier Personen verschiedenen Geschlechts zum lebenswierigen wechselseitigen Besitz ihrer Geschlechtseigenschaften. – Der Zweck Kinder zu zeugen und zu erziehen mag immer ein Zweck der Natur sein, zu welchem sie die Neigung der Geschlechter gegeneinander einpflanzte; aber daß der Mensch, der sich verehelicht, diesen Zweck sich vorsetzen müsse, wird zur Rechtmäßigkeit seiner Verbindung nicht gefordert; denn sonst würde, wenn das Kinderzeugen aufhört, die Ehe sich zugleich von selbst auflösen.“ (…) Ableitbar aus der sachlichen Natur der Ehe wäre ersichtlich nur ihre Verworfenheit – und darauf läuft es bei Kant unversehens hinaus. (…) „Geschlechtsgemeinschaft (commercium sexuale) ist der wechselseitige Gebrauch, den ein Mensch von eines anderen Geschlechtsorganen und -vermögen macht (usus membrorum et facultatum sexualium alterius) und entweder ein natürlicher (wodurch seinesgleichen erzeugt werden kann) oder unnatürlicher Gebrauch und dieser entweder an einer Person ebendesselben Geschlechts oder einem Tier von einem anderen als der Menschengattung“. Soweit der sichtlich hin und hergerissene Kant.

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Die listige Demut der Sklaven. – Nicht ohne triftige Gründe haben sich archaische Herrschaftsformen, Sklaverei und Feudalismus bis in unsere Tage weltweit bewährt. Die englische Queen feiert im April ihren 100. Geburtstag. So wird‘s zelibriert, überschattet vom drohende EU-Austritt der Briten. Ansonsten fortwährend blutige Beschneidungen, Kinderarbeit, Prostitution, immer mehr stinkende Autos, gärende Armut. Sümpfe von Ungerechtigkeit als weiche Fundamente der Prachtbauten. Wenn‘s zur Weltausstellung, Olympiade, Fußballweltmeisterschaft nicht reicht, in Bad Betteldorf wenigstens Landesgartenschau, dem Wahnsinn des blutarmen Strukturwandels den großdeutschen Hauch von Endsieggeschwafel verleihen. Die Asylanten sind schon da. Sie strolchen dunkelhäutig durch leeren Strassen mit längst geschlossenen Geschäften der Kreistadt. Haarsträubend? Menschenrechtswidrig? Aber nein! Durch freundlichste Diplomatie bewiesen, wir hören es jeden Tag. „Beim Besuch der Bundeskanzlerin in der Türkei ging es um die Eindämmung der syrischen Flüchtlinge (Vermutlich wurden unter vier Augen auch die Menschen- und Völkerrechtsverletzungen gegen Kritiker, die Morde an Journalisten und der Krieg gegen Kurden im wichtigen Natoland abgesprochen) Und nun zum Wetter …“ Herren der Verlautbarungen haben SprecherInnen gekauft, Namen und ihre Oberweiten werden kurz eingeblendet. Die in TV-Programmen unter grundschulmäßiger Bildung angesiedelte Begeisterung des niederen Volkes für Benzin- und Dieselmotoren, Waffen, Goldsucher, Rätsel der Pyramiden, riesige Maschinen, die riesige Staudämme bauen, menschenschlachtende Autoritäten, Stonehenge, bunte Rätsel der Geschichte, größte Brücken, Tanker, automatische Waffen, Waffen, die auf manchen Sendern Militärbegeisterung schüren. Für hinhaltende Kristlichkeiten das Wort zum Sonntag, ansonsten von morgens bis abends sich heimlich prostituierende Radiosender. Die acht Uhr Morgennachrichten zu hören, ohne bereits vorher nach Jesus-Gott-Maria-Geschichten zu onanieren, ohne danach eine Vielzahl von Gottheiten zu heiligen, das gelingt nur, wenn man vorher ausschaltet, den Anfang aktueller Nachrichten verpassen, immer dann wenn Erdbeben in Ecuador ist oder Biblis oder Vessenheim endlich in die Luft geflogen sind – womöglich war‘s Absicht dieser (Schafherden-)Betreiber.

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Arbeitsjournaillien – Aufzeichnungen und Entwürfe

Alltagtägliches Sammelsurium: Willkommenskultur ausbauen – tragfähige Bleiberechtsperspektiven konstruieren… die eigentlichen Brandursachen entwickelten nachweislich aus dem Nichts heraus ein unausrottbares Eigenleben, sie wollten einfach nicht mehr ermittelt werden (sic)… offensichtliche Sonderrechtkommissionen verschleiern mutig ihre Kompetenzen … obwohl zahlreiche Nazisymbole, am Tatort zurückgelassen wurden, kann ein rechtsgerichteter Hintergrund (Hä! Als pompöse Bühnendekoration in dieser Seifenoper?) vermutlich nicht ganz ausgeschlossen werden. (ein erst beurlaubter dann ehemaliger Polizeisprecher).

    Wir sehen nur das bewußt, was wir insgeheim mit einem Namen benannt haben… trotzdem sind fast alle natürlich lebenden Tierarten von der Desertifikation durch industrieelle Landwirtschaft, vom alltäglichen Flächenverbrauch, bedroht… 2015 ist Jahr des Bodens (sic)… niemals in der Weltgeschichte waren mehr Menschen auf der Flucht (!), letztlich vor schrecklichen Zuständen auf ihrer heimatlichen Scholle, bis heute. O-Ton: Das schaffen wir!

    Brandanschlag* auf das Asylbewerberheim in Hünxe. Besonders schwer verletzt wurde die achtjährige Seynab, Tochter der betroffenen libanesischen Familie. (3.10.1991). In Deutschland gab es seitdem insgesamt Tausende (!)solcher Attacken und Mordanschläge. Vom Bombenattentat am Oktoberfest ganz zu schweigen.

                                               Ein Brandanschlag ist ein ganz

                                               besonderer Fall von Brandstiftung.

                                               Häufig sind Brandanschläge

                                               politisch motiviert. (Volksweisheit)

    Nur wenige Beispiele: 25.08.2014 – Molotow-Cocktail* gegen CDU-Bundeszentrale in Berlin. 28.09.2014 – Molotow-Cocktail* gegen Reichstagsgebäude. 24.11.2014 – Molotow-Cocktail* vor dem Paul-Löbe-Haus in Berlin. 23.03.2015 – Brandanschlag* Paul-Löbe-Haus in Berlin. 2        1.04.2015 – Molotow-Cocktail* gegen das Paul-Löbe-Haus in Berlin… hier also nur die Politprominenz.

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*) Mit polizeilichen Hinweisen auf rechtsextremistische Motive bzw. neofaschistischen Hintergrund].

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19.3.1940

    3 wochen bettlägerig mit influenza. Dergleichen faßt mich wie einen hilflosen, wenn ich ohne größere arbeit bin.

Dabei kann ich bei temperatur nicht arbeiten.

    Überdenke jetzt eine kleine epische arbeit die befürchtungen des herrn keuner, etwas in der art des candide oder des gulliver. Herr keuner befürchtet, daß die welt unbewohnbar werden könnte, fdwenn allzu große verbrechen oder allzu große tugenden erforderlich sind, damit der mensch seinen lebensunterhalt verdienen kann. So flieht herr keuner von einem land zum anderen, da überall zuviel von ihm verlangt wird, sei es nun opferwille oder tapferkeit oder klugjeit oder freiheitswille oder gerechtigkeitsdurst, sei es grausamkeit, betrug usw. alle diese länder sind unbewohnbar. Bertolt Brecht Arbeitsjournal.

23.11.1992

Mordanschlag* von Mölln. Beide ausführenden Täter, einer davon zu lebenslanger Haft verurteilt, sind inzwischen wieder frei (sic).

     Seinerzeit hatte sich die Kohl-Regierung vor einem unnötigen „Beileidstourismus“ (sic) bei solchen Brandstiftungen gehütet, der Kanzler hatte wichtigeres zu tun, als an der Trauerfeier für die türkischen Opfer teilzunehmen (noch einen Saumagen fressen?).

    Allein in Bayern kam es von 2003 bis 2012 zu 32 Angriffen auf Asylbewerberunterkünfte … nur 18 davon wurden dem „Phänomenbereich Rechts“ zugeordnet. Bei den 55 Kampagnen gegen solche Unterkünfte in einem nur kürzeren Zeitraum (vom Januar 2007 bis Dezember 2013) wäre sicher festzustellen, daß es trotz der Hakenkreuzschmierereien in roter Farbe (!) vorwiegend rechtsradikale Objekte sind, die solches organisieren und durchführen. Aber Fachidioten und Kriminelle gibt es überall, meist sind sie in der Mehrheit, was die ständige Art der Verhältnisse beweist.

     Unser Gut und Böse bestimmt sich nach dem, wohin wir unterwegs sind. Politiker unterscheiden das gegensätzlich Nützliche als Freund und Feind. Je nach Wortwahl und Waffengattung ist der Freund eine ewig versprochene persönliche oder wirtschaftliche Freiheit, dann ist der Feind der innere oder der äußere Feind.

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*) [Mit polizeilichen Hinweisen auf rechtsextremistische Motive bzw. neofaschistischen Hintergrund]. vgl. Enzensberger (1993): Bürgerkrieg.

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18.01.1996

Brandanschlag auf Flüchtlingsheim in der Lübecker Hafenstraße.*

    In der Altstadt, ich erinnere eine Backsteinwand… womöglich nahe oder gleich visavis der Schiffergilde… ein senkrechtes Kirchenschiff geht kantig ins ebenerdige Kopfsteinpflaster über… eine niedrige bronzene, abgewetzte Figur?

06.02.2014

Brandanschlag in Hamburger Haus für Asylbewerber, eine Mutter und zwei Kinder sterben.

    Wir betraten Räume, stießen Türen auf, wir durchwanderten eine aussätzige Zeit… das mit der Welt ist mir dabei zu einer komischen Sache geworden. Manchmal istfür mich innen mehr von der Welt als außen. Die Welt außen, wendet sie sich von mir ab, oder wendete ich mich von ihr ab. Das Ergebnis scheint das gleiche, ich lebe immer mehr innen, und alle, denen ich das jemals anvertraute meinten, das erginge ihnen ebenso, was ich ihnen nicht glauben konnte. Was aber dann? Jetzt ist niemand mehr da, den ich fragen könnte. Das ist für mich der Beweis, daß innen eigentlich alles ist. Alles liegt in uns, die Freude am Leben und am Tod.

15.09.14

Brandanschlag in Marsberg im Sauerland auf eine Unterkunft für Asylbewerber… Elf Verletzte, davon allein fünf Menschen mit schweren Rauchvergiftungen.

11.12.2014

Brandanschlag in Vorra/Franken. Bundeskanzlerin Merkel be-zeichnet die Mörder und Brandstifter immerhin schon mal als „Menschen, die versuchen, radikale Sprüche zu machen.“ (sic)

19.12.2014

Brandanschlag in Bayreuth… drei Menschen in Flüchtlingsunter-kunft wurden verletzt. Brandanschlag auf ein Wohnhaus in Hürth, in dem Flüchtlinge untergebracht sind…. ein Toter.

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*[Mit polizeilichen Hinweisen auf rechtsextremistische Motive bzw. neofaschistischen Hintergrund].

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30.12.2014

Der Fall Billie Holiday: ihr Song „Strange Fruit“, der deutlichst die Rassenfrage, besonders das weiterhin praktizierte Lynchmorden im Süden anprangert … Sie wird vom FBI (unter Hoover)  massiv bedroht und verfolgt … zunächst gipfelt das im Entzug der „Cabaret-Card“, die quasi das Berufsverbot für New York bedeutet …

    Für wen oder was ich schreibe: „So ist es gewesen“ Hörspiel von Natalie Ginsberg (?) SWR2 Februar /März 2015 ?

    Satire: Der Fuchsbandwurm-Mörder (ein Hinterlandswald-Krimi). Seit der Gewinnvorschrift der Staatlichen Hessenforst GmbH & Co K.G. (?) lohnt sich das Pilzesammeln wieder. Trotz der Kahlschlägen ist der Besatz von Schwarzwild weiterhin sehr hoch. Wegen sogar in steilem Gelände einsetzbaren modernen Harvester ist der Ausbau und Unterhalt ehemaliger öffentlicher Wanderwege eingestellt worden. Aus China wurden bereits 4,5 Millionen Schilder geliefert (Mengenrabatt): „Betreten verboten! Im gantzen Deutzscher Walt!“ (PVC; Schwarz auf gelben Grund mit roter Umrandung, 34 x 21 cm). Staatssekretät Brühning: „Jetzt sind diese Schilde da, jetzt werden sie auch angenagelt!“

Beispiel: Ernst Torgler (1893-1963) ehemals KPD-Mitglied. Er hatte sein persönliches Schicksal buchstäblich zwischen die Stühle gesetzt.

Beispiel: Hans Heisel, (Abbildung/Foto) als Mariner im Krieg… er war ein Held, er desertierte!

18. 03. 2015

Brandanschlag* auf die Asylbewerberheim in Saalfeld-Beulwitz, 13 Menschen bei einem Kellerbrand verletzt… s. a. 06. 10. 2015

04. 04. 2015

Brandanschlag* in Tröglitz/ Sachsen-Anhalt.

14. 04. 2015

Brandanschläge* in Hamburger Asylbewerber-Unterkunft… und

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*[Mit polizeilichen Hinweisen auf rechtsextremistische Motive bzw. neofaschistischen Hintergrund].

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am gleichen Tag ein weiterer in Berlin-Lichterfelde in einem Flüchtlingsheim, es gab Rauchverletzungen

25. 06. 2015

CDU-Landtagsfraktion fordert Bleiberechtsperspektive für Identitätsverweigerer… aus dem „Positionspapier zur Zuwanderung“ (sic).

31. 07. 2015

Brandanschläge*  in Balingen und am gleichen Tag auf das im Bau befindlich Asylantenheim in Lunzenau

21. 08. 2015

Brandanschläge*  in Neustadt a. d. Waldnaab und am gleichen Tag in Berlin, Marzahn-Hellersdorf

26.08.2015

Brandanschlag*  unmittelbar neben Flüchtlingsheimen in Berlin- Reinickendorf. Eigentlich sollte hier ein Willkommensfest stattfinden. Täglich hatte es über Deutschland verteilt auch in dieser Woche die längst üblichen Brandanschläge gegeben. und am gleichen Tag in Leipzig

28. 08. 2015

Brandanschlag* auf die Asylbewerberunterkunft in Salzhemmendorf (das ist in Niedersachsen) . . . Moin, da grenzt die Nooordsee dron, nich.

    Die Finanzkrise in Griechenland, die monatelang zu 99% die Medien ausfüllen mußte, wurde wie das Waldsterben und der Welthunger klammheimlich beendet, man hört nicht mehr das geringste davon. Der NSU-Prozeß wird nicht mehr von Grundschulklassen besucht… Die NSA ist offenbar im Dauerurlaub … die Sauregurkenzeit ist nur den Russen willkommen, sie lachen über den westlichen Boykott, die Wirtschaft boomt, sie feiern vor gewaltig aufragenden Putin-Altären rauschende Fruchtbarkeitsfeste der nationalen Einheit… und Essen weiterhin ihre Gurken, was das Zeug hält.

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*[Mit polizeilichen Hinweisen auf rechtsextremistische Motive bzw. neofaschistischen Hintergrund].

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Anders die unheimliche Gefahr durch immer mehr zunehmende Flüchtlingszahlen… Zahlen, nicht Menschen sind das mitmal, elektronische Daten werden das/ blutiges Ende im Stacheldraht/ Fleisch, das nur noch zuckt… (Musical-Hair). Bodycount, wie gehabt…  natürlich jetzt auch viele neue deutsche Substantive, die die Journalisten nach einem Tauchgang im Mittelmeer im Maul tragen, neue Substantive, an denen Kurt Tucholsky sein Freude gehabt hätte… Bleiberechtsverfahren … Abschiebestop …

    [Notiz] Selbst Günter Grass ist in seinem letzten „Werk“ der Republikaner geblieben, der er immer war, ein sozialdemokratischer Wahlhelfer,.an den wir uns noch lange erinnern werden, gern knapp vor den Volkstribunen jonglierend … sogar das absolut Unpolitische tritt jetzt unverkennbar weil garnicht unbedeutend hervor. Die menschenverachtende Agenda eines Schröder macht der antisozialistischen Nachrüstung von Schmidt Konkurrenz… [Nachtrag: – kürzlich ist SPD-Wahlhelfer Günter Grass gestorben, ihm folgt am 10.11.15 Altkanzler Helmut Schmidt].

Im Übrigen bin ich der Meinung, daß Nestlé zerstört werden muß!

01. 09. 2015

Keine Meldungen (!) heute ist Jahrestag des Beginns des Zweiten Weltkriegs… Wer einst den Ersten überlebt hatte, wußte damals freilich nicht, daß man fürderhin die Weltkriege der besseren Übersicht halber numerieren würde…

    Man kann mit seinem Leben noch so salopp umgehen, irgendwie hängt man trotzdem daran. Bei allem, was die Psychologie mittlerweile an den Tag gebracht hat, ist das sicher eine Untertreibung „Wenn man seine eigene Todesanzeige liest, heißt es, lebt man länger“, sagt uns dazu James Joyce.

    Gauloises, Gitanes, Roth-Händle, Schwarzer Krauser… wer überlebt das für mehr als vierzig Jahre? Jetzt bald siebzig.

02. 09. 2015

Anruf von Christian V. nach ewig langem Nichtkontakt, fast zwei Jahre wohl: Seine Eltern sind inzwischen pflegebedürftig, der Vater hat dazu ausgeprägt Alzheimer… es ist bezeichned, daß es immerhin viele/alle aus meinem Umfeld sind, die mir ihre momentanen Probleme in ihrem persönlichen Leben vorjammern (sie

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witterten alle sehr schnell meine Empathiefähigkeit, eigentlich das hoffnungsvolle Ohr des längst Vereinsamten), solche Leute, die dann aber seit langer Zeit keinerlei gemeinsamen Aktivitäten vorgeschlagen haben, wenn ich ihnen das als mein seit langem innigster Wunsch erwiderte… Wandern!… Ich möchte mit euch mal wieder wandern … Motorradfahren… mal sich einfach bloß treffern… Essen kochen… abhängen… Ausflüchte, Vertröstungen, was meine hoffentlich noch nicht korrumpierbare Einsamkeit freilich immerzu steigert. Dann habe ich das zuletzt als den wünschenswerten Normalzustand der liberalisierten Welt definiert, in der eine passive Akzeptanz dieser (weiterhin undurchsichtigen) Entwicklung erst zur unterwürfigen Haltung im Fersehsessel führt, denn zu einer solchen im sauteuren Pflegeheim…

04. 09. 2015

Brandanschlag* auf ein Flüchtlingsheim in Heppenheim/ Bergstraße; mehrere Personen verletzt, eine davon schwer.

    C. und M. fliegen zum Kurzurlaub nach Ägypten, Rotes Meer… vermutlich nur Tauchen, was mich sie ein wenig beneiden läßt. Vielleicht ist dort auch das Essen gut. Bereite mir (wieder) Kohlrabi aus dem Garten zu, viel bleibt dabei zum einfrieren übrig. Von 66 Tomatenstöcken wegen des trockenen Sommers endlos große Ernte, täglich fast ein Kilogramm, im Abstand weniger Tage zu Flaschenbatterien voller Muspampe eingekocht.

    Der Wanderer und sein Schatten . . .

Ein Blick in die Zukunft gefällig? Hier ist ein kritischer Artikel als gute Kolumne in „Die Welt“…

Danke für die Info. Irgendwie lustig, bearbeite dieses leidige Thema oft genug.

Dann komm doch morgen zu den Spinnern nach Leonberg runter. (sagt er und will mich am Samstag ins Lager der Bikerfreaks locken)

← (Headin‘ for the Highways) Zu den Spinnern? Nee Danke … Leonberg ist mir zu speziell, muß auch noch an meiner „Kritischen Theorie der Gesellschaft“ arbeiten … grins

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*[Mit polizeilichen Hinweisen auf rechtsextremistische Motive bzw. neofaschistischen Hintergrund].

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Vielleicht drehe ich morgen zwischen den Regentiefs eine kleine Rhein-Runde, um meinen Frust abzureagieren … der Drucker spinnt mit den neuen Kartuschen, irgendwie bekomme ich meinen eigentlich längst beendeten Band 18 der Inseljahre seit Monaten wegen solchem Scheiß und anderen Nebenschauplätzen nicht vom  Tisch. In einem anderen Leben würde ich nur etwas schreiben wollen, wenn ich zugleich wenigsten den „Einmenschen“ hätte, der mal Korrektur liest und Kritik anbringt (ohne gleich eine Kolumne darüber schreiben zu müssen)  o. ä. Lachnummer? OK Insterburg & Co, sagt Dir das noch was? Der Sketch mit der Hamsterzucht „…  Saache se mal, ich beobachte sie schon die janze Zeet, wat machet se da eischentlich? . . .“

Apropos Kolumne. Ja, genauso ist es. Na und? Gehört mir denn, was ich seit vierzig Jahren bereits weiß und sogar begriffen habe? Selbstverständlich! Aber dieses angeeignete gesellschaftliche Wissen ist nutzlos, weil vollkommen illusorisch, und aufgrund der systematischen Rationalisierungen im praktischen und politischen Sinne machtlos. All das Hin- und Hergeschwafel im real existierenden Spätkapitalismus, erst recht seitdem er Alleinherrscher ist, hat sogar ganze Sumpflandschaften vertorfter THEORIEN hinterlassen, um sie nicht Idiologien nennen zu müssen …

    „Öffentliche Diskussionen könnten … die Randbedingungen des Systems, innerhalb dessen die Aufgaben der Staatstätigkeit als technische sich darstellen, problematisieren. Die neue Politik des staatlichen Interventionismus verlangt darum ein Entpolitiisierung der Masse der Bevölkerung. Im Maße der Ausschaltung der praktischen Fragen wird auch die politische Öffentlichkeit funktionslos.“ 1) (Habermas, Jürgen 1968)

Natürlich hat das nichts mehr oder nur noch wenig mit dem mehr als 150 Jahre propagierten Klassenkampf zu tun, nur der Antagonismus bei der Verteilung der Werte eskaliert wegen dem mangelnden Widerstand der korrumpierten „Volksvertreter“ in einem nie dagewesenen brutalen Unterdrückungskampf der Besitzenden gegen die gesamte Weltbevölkerung und ihre Mitwelt. Und weil es seit den Tagen des Club of Rome als „neuartig“ erkannt worden ist, auch gegen die noch viel komplexer reagierenden Natur stellen sich jetzt die zwanghaften Konsumgewohnheiten

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der sogenannten Masse, die ohne den Gedanken an einen organisiert spontanen und zugleich RADIKALEN BOYKOTT zu fassen, mental vollkommen ohnmächtig, soziologisch betrachtet, quasi entgeistigt und deshalb unmenschlich dahinvegetiert.

05. 09. 2015

Habe wirklich keine Lust literarische Ergüsse zu liefern. (könnte ich es, wenn ich es denn wollte?) Das gelegentliche Schmalzbrot ist mir geblieben und der Stolz einiger eigener Zähne im Maul.

06. 09. 2015

Brandanschlag in Rottenburg … Auftakt  zum 100. Geburtstag von Franz Josef Strauß, dieser Mann wird besonders im trachtledernen Bayern wie ein Heiliger gefeiert… Dem Dieb sei die Dattel ein Dorn (persisch)… Zur Iran-Contra-Affäre kommt er zu spät…

    Was dem Schröder sein VW und Gasprom, ho, ho ho, das war dem Strauß sein eigener Panama-Kanal und der Airbus… Diverse pseudokritische Beiträge und Dokumentarfilme im Fernsehen (u.a. Die Spiegel-Affäre…)

07. 09. 2015

Brandanschlag in… Jubelmeldung der deutschen Außenpolitik, die immer mehr zur inneren Angelegenheit wird: Das Kosovo wurde zum sicheren Herkunftsland erklärt! Der komplette Balkan, der nahe und mittlere Osten sollen bald folgen … heißt es.

    Habe erneut kurze Nachricht von einer Maritta (?) bekommen. Während ihre Nähmaschine nicht richtig funktioniert, fordert mich

mein störrische PC-Drucker hähmisch heraus, ich solle ihn doch endlich aus dem Fenster schmeißen; es wäre schade um ihn, denn er ist dermaßen altmodisch gebaut, daß seine spezifischen Ausdrucke vom BB nicht überwacht und gespeichert werden können, wie dies bei jeder modernen Bewegung, sei sie noch so popelig,  übers Netz längst unbemerkt passiert.

    Die Lufttemperaturen sind nach dem extrem heißtrocken Sommer rapid gefallen. Beginne, den Franklin-Ofen mit Altpapier und dem kruschtigen Holz anzufeuern, was schnell fast achtzehn Grad in den Zimmern bewirkt. Ein Strohfeuer wie gehabt.

    Es müssen einige Milliarden Steuergeld zusätzlich für die erwartete Million Flüchtlinge ausgegeben werden… denn nach dem G36 von Heckler & Koch schießt jetzt sogar das immer mehr

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modernisierte MG42 nicht mehr gescheit in diese dichten Reihen…

    Zum traditionellen Schwarzwälder Schinken gehören Salz der Tränen und Rauch verbrannter Erde… Dabei soll allein das längst nostalgische G3 bereits mehr als eine Million Mensch in der Welt getötet haben!(sic).. Waffenexporte sind verbal stark bedroht, zudem nicht nur der Tod ein Meister aus Deutschland ist, er selbst heimlicher Weltmeister auch bei den weltweit beliebten schwarzwälder Handfeuerwaffen zu sein scheint. Wirtschaftsmimister Gabriel, (nicht beliebt aber beleibt,145 kg?, SPD), tritt für eine deutliche Reduzierung der deutschen Rüstungsexporte ein: zur heimlich-offiziellen Lizenzproduktion der Waffen in großen Mengen allein in Mexiko, sagte der Minister nichts, auch nicht in aller Deutlichkeit)

     Dieses Land verursacht unerträglichen Ekel allein durch die Planierung jeglicher romantischer Ehrlichkeit. Die Tolerierung menschentötender und umweltvernichtender Zustände in Politik, Produktions- und Kriegstechnik läßt den Haufen stinkender Scheisse anwachsen, der sich über jedwede Erinnerung einer HEIMAT stülpt. Die bekannte Historie bewirkt die starre Kruste der unveränderbaren Realitäten. Man glaubt, mit dem Geruchsinn würde etwas nicht stimmen, aber es ist der riesige Haufen Scheisse, der als zähe Panzersperre vor jeder Kritik, vor jedem Abscheu, vor jeder Menschlichkeit zurückweicht, dabei die Knautschzone zwischen dumpfer Akzeptanz dieses unvorstellbar grausamen Kapitalismus und einer radikalen und hoffentlich blutigen Rache der üblichen Nachfolger revolutionärer  Traumtänzer immer wieder neu hochglanzpolierert.

08. 09. 2015

Brandanschlag in Eppingen/ Baden-Württemberg.

Erinnerung an glückliche Tage. – Sowie ich mich einst wie König Gyges, zumindest gelegentlich als den glücklichsten Menschen der Welt fühlen konnte, ebenso sollte mir weiterhin das fortwährende Unglück bewußt sein, das so viele arme Menschen überfällt, ohne diese auch nur mit ihrem eigenen Namen zu kennen. Den allerschlimmsten Zuständen in der Welt steht Verlogenheit und zugleich eiskalte Sprachlosigkeit gegenüber. Die Indentifikationen, aus der gemeinsamen Herkunft einer gesamten Menschheit

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herrührend, die gemeinsamen Namen, werden weiterhin grausam und perfekt organisiert unterdrückt. Denn: Nichts bindet den Menschen so sehr an die Sprache wie sein Name.(Benjamin 1949)

Huren auf türkischen Friedhöfen. – Soldaten lernen praktisch alles, wenn man sie jung dazu rankriegt (…) Männer mögen das (…) Liebe zwischen den Grabsteinen.1) Die Bundeswehr ist wieder auf der Suche nach einem tauglichen Sturmgewehr für die Truppe. Es muß ganz aus Kunststoff sein und, lautlos wirken, darf um Gottes Willen nicht wie eine Kriegswaffe aussehen und muß dennoch heimlich in Friedenseinsätzen und Exportländern lebende Menschen perfekt treffen können, um sie grausam zu verletzen oder gnädig und schnell zu töten, weil sie doch per Definition leidensfähige Kreaturen sind und somit wenigsten den ehernen Schutz des Barmherzigkeit schenkenden Kristengottes verdienten.

Im Übrigen bin ich der Meinung, daß Nestlé zerstört werden muß!

09. 09. 2015

Woher kommt die Unterwürfigkeit? – Sind wir bereits als Kinder in Obrigkeitsfurcht und Ahnunglosigkeit erzogen und geprägt worden, um auf immer unmündig zu bleiben? Warum gehorchen wir einem pickeligen Gefreiten, damit wir uns vor ihm in den Schlamm werfen.? Wollen wir‘s Vater und Mutter bloß recht machen, unser eigenes erwachsenes Denken unter diesen verachtenswerten Scheffel stellen? Mitleidiges Kopfschütteln ganz ohne Arroganz – das fällt wirklich schwer. Ich war und bin es selbst!

„Willst du mir geben,/womit mein Leben/ich kann ernähren,/so laß mich hören/allzeit im Herzen dies heilige Wort:/“Gott ist das Größte,/das Schönste und Beste,/Gott ist das Süßte/und Allergewißte,/aus allen Schätzen der edelste Hort.“ (Lied 346. Evangelisches Kirchengesangbuch).

    Was hätte mir eine solche Religion bedeuten können, die unter eigenem Namen Engelsgleiches verzeichnet? Das heilige Evangelium als frohe Botschaft und will ich mich jemals in diese erzerne Schrift gießen. Fast alles Priesterwissen im Kalkül des stillen Kämmerleins verzapft, geglaubte Behauptungen, und wer nicht glaubte, dem drohte rechtskräftig eine öffentliche Enthauptung.

———————-

1) vgl. James Joyce. Ulysses

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10. 09. 2015

Wieviel Mut gehört allein dazu, den Rasen vor dem Haus zu einer Wiese wachsen zu lassen.

14. 09. 2015

Brandanschlag in… Dieter Hildebrandt läßt in seiner mehrmals wiederholten allerletzten Sendung anfragen: Kann es wirklich sein, daß es seit einem Jahr im deutschsprachigen Fernsehen keine Politsatire mehr gibt … ist Jahre her, gilt deshalb als veraltet.

Ein längerer Diskurs wird beerdigt

 – Innen Tag. Caféhausatmosphäre, Leichenreden, Leichenschmaus, Geschirrklappern, dann einsetzendes Regengeräusch… Autos fahren den Boulevard entlang, spritzen das Wasser der Pfützen gegen die Scheiben… Ein nassgeregneter Passant tritt ein … Die Kellnerin baut sich vor ihm auf… Swift oder Shaw, das ist die hier Frage… oder die Satire muß sterben…

   KELLNERIN (Die Ziegenfrau) Tut mir leid mein Herr. Wir haben Geschlossene Gesellschaft! …

                  es entspannt sich ein Disput über öffentliche Rechte…

   Bertolt – hat die Leichenrede gehalten, man ist gemütlich beisammen, man trinkt bereits Alkohol… er schaut herüber

   Herbert (Heimann) Vorwort und Nachwort oder Vorrede und Nachrede, das ist doch das gleiche, werden sie sagen, mitnichten, wie uns der gegnerische Rechtsanwalt vermittelt hat. Nachrede, das geht überhaupt nicht, denn die Nachrede ist gemeinhin eine üble Nachrede, und die wird beim einfachen Bürger hart bestraft, wie wir alle wissen.

   Bertolt (Markwart) Mitnichten, wenn ich das schon höre. Wann lernt ihr endlich, daß es nicht ums Reden geht… Ihr müßt den Pragmatismus des Feindes benutzen, um euch mitzuteilen. Sagt Prolog oder Epilog wenn ihr euren Monolog beschreiben wollt. Lernt den Umgang mit der Sprache oder ihr geht unter. Herbert (Heimann) Untergehen? Als ob uns nicht schon längst das Wasser bis zum Halse stünde. In Frankreich wird gerade die 35-Stunden-Woche gekippt… viel Schlimmeres steht bevor…

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17. 09. 2015

Brandanschlag in… dazu noch ein mittelschweres Erbbeben in Chile… das Land mit dem weltweit besten Tsunami-Warndienst… (sic)

    Der heutige Garten der deutschen Politik? Ach, lieber Kurt, das Radieschen wird nichtmal mehr außen rot… im Radio das Tucholsky-Gedicht Kino (1913), weil doch heute ein Donnerstag ist und in Deutschland an diesem Tag Kinofilme uraufgeführt werden.

18. 09.2015

Brandanschlag in… wer macht endlich mal was gegen die Algerier.

    Was ist ein Mißstand? Mißstand (Berliner Flughafen: Mißstand oder Skandal, Schlamperei oder Verbrechen, Verbrechen oder nur Korruption…). Ein fortwährend bestehender Mißstand wäre ein denkbarer Dauerskandal, Empörung ist spezifisch, rührt aus kritisch wahrgenommemen Mißstand, der Skandal ist unbedingt kulturell definiert, er muß zum Zwecke seiner Wahrnehmung zwingend hochgradig rangieren und (wenigstens) zu einem (kurzen) Zeitpunkt öffentlich und bekanntgemacht werden.

Der Demokratieforscher (Mathias Kepplinger, Mainz) wird als willfähriger Interviewgast zum Skandalforscher (sic) ernannt: Ein Skandal wird erst zum Skandal wenn über ihn berichtet wird … Ja, ja, das wars denn schon. Alles ist besser geworden… In den 50er Jahren gab es zwei oder drei politische Skandale pro Jahr, inzwi schen sind es etwa 25 mit steigender Tendenz… Der Zerfall der Guten Sitten, Wertewandel, Globalisierung, TTIP-Knechtschaft, endlich wieder die Gelbe Gefahr, die Zukunft des Abendlandes steht unter einem denkbar schlechten Stern „Daß es zu den bösen Häusern hinausgehen muß, sieht man ja gleich im Anfang“ heißt es bei Goethe. Das Gefühl der Bangigkeit soll sich mit dem moralischen Verfall beim Leser einstellen., die rasch und unaufhaltsam herbeigeführte Katastrophe, kann freilich nicht die „ewige Wiederkunft alles Gleichen“ bedeuten, denn dazu ist ihre radioaktive Halbwertzeit astronomisch lang. Wir reden hier nicht von der Verrottungsresistenz amerikanischer Papier-Dollars auf einem puritanischen Komposthaufen.

Beispiel: Emil Julius Gumbel (1962): Vom Fememord zur Reichskanzlei …

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Je suis Karcher

    Schon gehört, Sarkozy ist tot!

    Weiß ich schon! Sein Zahnarzt hat ihm den Mund mit einem Hochdruckreiniger gesäubert.

     Stimmt nicht. Sarkozy ist erst danach in seiner Scheiße ertrunken, das eigene Abwasserrohr ist ihm nämlich geplatzt.

    Das mit den deportierten Zigeuner-Flüchtlingen drin?

Ja denke, die sind wie‘s radioaktive Abwasser von Fessenheim und Le Hague ungleichmäßig über Europa verteilt worden.

    Diese verdammten Schweine! Das hätten die wohl gern!

20.9.15

   Hurra, das faschistische Mordbrennen in Deutschland hat Erfolg! Brandanschlag in Wertheim am Main… damit steht fest: Zusätzliche Flüchtlinge kommen vorerst nicht mehr nach Wertheim (dpa).

    Deutsche Skandale. – Die billigen Plagiate deutscher Prominenter (Verteidigungsminister Guttenberg = keine STRAFE so doch immerhin 20.000 Euro „Zahlungsauflage“; Gesundheitsministerin Schavan  … was ist da geschehen? u a.?) allesamt tauglich für die manuelle Muskatreibe, wenn man sich vor dem starken Geruch deutscher Aflatoxine nicht fürchtet.

. . . Messer, die auf Knochen stoßen/ und das Blubbern dicker Saucen...(Franz Josef Degenhardt. Deutscher Sonntag,). Zwei KZ-Häftlinge schrieben in Buchenwald die ärztliche Dissertation für den SS-Lagerarzt Peter Hofer … alles ist tief mit dem deutschen Boden und seinen künftigen bundesrepublikanischen Tradition verbunden (Klaus Staeck sagte verwurzelt, und der hat jetzt auch einen sicheren Job in Berlin, so kurz nach der Rente). Dieser Tage war sogar kurz die Verteidigungsministerin von der Leyen im Gerede, was aber offenbar zugunsten der Parties bei Heckler & Koch wieder untergebuttert wurde, weil doch VW jetzt seinen amerikanischen TTIP-Abgiftgas-Gigaskandal hinlegt!

    Ich versuche, aus vollem Halse zu lachen. Aber ich kann nicht aus leerem Halse lache: mein Hals ist voll von steckengebliebenem Schmerz. Des wegen bleck ich die Zähne. Karin Struck. Einmal im Leben Urlaub machen.

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21.9.15

Brandanschlag in…

    Dieser Tsaziki hat wieder einmal die Wahl gewonnen (ich habe mir wegen der monatelangen Exklusivmeldungen über die verschwenderischen, in Saus und Braus lebenden Griechen seinen Namen nicht gemerkt, da kann ich innenpolitisch echt stur sein)… diesmal wird versprochen, die Forderungen der BANKEN ohne Diskussionen zu erfüllen … Harte Verhandlungen werden folgen … so bei den Privatisierungen, es soll ein Sessel in der VIP-Lounge des Athener Flughafens wenigstens für den Staatspräsidenten kostenlos zur Verfügung gestellt werden … Das Fotografieren wird im ganzen Land gebührenpflichtig … die öffentliche Wasserversorgung wird vollständig auf Nestlé Pure-Life umgestellt … Metaxa bekommt seine Sterne aberkannt und dafür sechs Schweizerkreuze umgehenkt. Da sagt Klaus Barbie grinsend: „Ihr wolltet es doch niemals anders!“

    Der war ja auch katholisch, sagt man.

    Stimmt nicht unbedingt, bloß weil die Vatikanfaschisten auch ihm das Ticket und lebenslang die Reisespesen bezahlt haben?

    Artenschutz. – Das einzige, was in unserer Kultur in jeder Hinsicht (*systematisch) geschützt werden soll, ist unser Zwang zum KONSUM. Pseudokritisch, mit einem an den ARD-Zuschauer angepaßten Unterhaltungswert: Zur besten Sendezeit als Maggi-Zweiteiler. Nestlé: Vom üblen Geschmack zum Verbrechen, über giftiges Hundefutter bis zum perfekten Kindermord.

Man wäre versucht die heroische Heimatliebe (sie wäre den Europäern heute nicht so fremd wenn denn noch opportun!), die mutige Zähigkeit palästinensischer Selbstmordattentäter in eine ebenso fragwürdige aber letztlich gutgemeinte Tat zu verwandeln, bloß indem das Ziel der Aggression einer wirklich moralischen Zweckmäßigkeit unterliegt: „Ich gehe hin und suche den Tod nicht, als ein Rasender, sondern als einer, der zu leben hofft.“ (Goethe. Wahlverwandtschaften). Ich selber fahre Motorrad!

Im Übrigen bin ich der Meinung, daß Nestlé zerstört werden muß!

23.9.15

Brandanschlag in… Etwas besseres als den Tod finden wir überall… hatte heute den Gedanken (wieder einmal) endlich etwas

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vergleichbar Literarisches zu verfassen… dann fiel mir sofort ein, daß ich mein womöglich exessives Schreiben bloß betreibe, um nicht verrückt zu werden… will sagen: ich bin verdammt stolz darauf, tun und lassen zu können, was immer ich will. Und wenn es eng wird? Wenn es eng wird mache ich einen Ausbruch. Der Preis ist lächerlich gering, allein der aussichtlose Versuch ist eines Menschen würdig, und wir denken klassenbewußt, aber nicht aller von oben geforderten Moral konform, dabei allein ans Schicksal der Bremer Stadtmusikanten.

    Seit sich die Putinversteher selber als Oligarchen fühlen und dementsprechend aufführen, ist ihnen der Lieferboykott von deutschem Gemüse nur recht. Wissen sie eigentlich davon? Meine Kartoffelernte, auch Karotten und Kohl lohnen sich finanziell nicht im geringsten. Abgesehen von der mühseligen Arbeit lohnt sich selbst der reichlich eingekochte Tomatenmus nicht wirklich…

    Immer wieder gut: ebay kleinanzeigen. – Rauchfasre,Farbe und ander Baumateralien … Wer hat Rauchfaser ,weisse Farbe und Lack,Dachlatten  , Rehgipsplatten oder Spannplatten übrig und braucht es nichtmehr. BITTE ALLES ANBIETEN!!! N. N. Privater Anbieter Aktiv seit 06. 04. 2013 (sic). Die Zukunft der deutschen Sprache hat begonnen! Der nette Literaturkritiker Hellmut Karasek (81) ist deshalb etwas zu früh verstorben

    [Notiz] Nachschrift: Zum Tode von Günter Grass sollte eigentlich eine Retrospektive erfolgen, d.h. endlich mal das von ihm lesen müssen, was man immer schon mal lesen sollte… Dann ist da auch sein vermutlich an feuriger Wand des Tempels abgeschriebenes Prosagedicht: Was gesagt werden muß. Ja, ja, is ja gut!

    [Notiz] Zur Lage der arbeitenden Klasse in Deutschland – nach eigner Anschauung und authentischen Quellen… (vgl. Friedrich Engels, 1845: Zur Lage der arbeitenden Klasse in England)– nach alter eigener Anschauung und frischen authentischen Quellen.

    [Notiz] §166 StGB Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgemeinschaften und Weltanschauungsvereinigungen… Blasphemie… Gotteslästerung… Lob der Frechheit oder die Unterdrückung des Atmenwollens… Atmenmüssens? Ist das bereits die ordnungsgemäße Folter, sehr geehrter Herr Außenminister? Tolerierung

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geheimer CIA-Folterquartiere in Ländern der EU! (Polen… Rumänien…etc). Motto: Es gibt immer noch Schlimmeres! Majestätsbeleidigung! § 132 ?

Oktober 2015

[Notiz] Ein Heiliges Hochamt für VW. – Heute eine kostenlose BILD Sonderausgabe im Briefkasten. BILD unabhängig, überparteilich… unter dem Springer-Logo prangt eine Anzeige mit dem VW Emblem… „VW Danke für 25 Jahr Treue.“ Darunter sogar in Seitenbreite: „Wiedervereinigung. Wir feiern mit ganz Deutschland … Leistung aus Leidenschaft. Deutsche Bank.“

    Beschlossene Sache: am 9. November (!) soll ein zweiter NSU-Untersuchungsausschuß eingerichtet werden …

    Brandanschlag auf eine Flüchtlingsunterkunft in Friemar , das ist in Thüringen. Das Feuer brach in einer mobilen Toilette aus.

    Heute ist der Deutsche Nationalfeiertag. Das deutsche Haus ist scheinbar fertig errichtet. Jetzt können alle einziehen! Nur der DGB bleibt außen vor, er hat den Arbeitgeberverband auf der rechten Spur überholt und sitz bestimmt schon im Paradies beim Heinz Oskar Vetter auf der Hollywoodschaukel. Doch könnte am Deutschen Haus nicht doch noch etwas mehr angebaut, verbessert, aufgehübscht werden? Ganz abreißen? Jetzt schon? Vielleicht reicht fürs Erste ein ehrlicher wasserdichter blauweißroter Anstrich? Kunstharz oder Naturterpene? Klings alles trotzdem wie Klapperschlangengift. Harmful in seiner Zusammensetzung und Gentechnikgeil… Ist der Mensch auf diese Stufe gesunken, so gewinnt selbst Leben scheinbar toter Dinge Macht. (Geothe. Wahlverwandtschaften). Da rettet uns der Blaue Engel! Ein grüner Frosch oder der von Erdal-Rex. Sogar Schießer hat am Ende mit seiner Feinrippunterwäsche Pleite gemacht… die braune Scheiße ließ sich nicht rauswaschen. Nur Hugo Boss hat es gut überstanden, weil die SA-Uniformen eh braun waren…

    Noch kein Brandanschlag? Nun also doch! Brandanschlag im thüringischen Saalfeld-Beulwitz, wo es bereits im März ordentlich brannte. Heute wurden am späten Abend im gleichen Asylbewerberheim keine 13 Personen verletzt – aber nur ein Mensch (!) getötet.

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Eine leerstehende Halle in Langenlonsheim (Kreis Bad Kreuznach) für 3000 Flüchtlinge soll morgen eröffnet werden Der Bürgermeister meint vorsorglich, es sei nicht zu verantworten Tausende von Flüchtlingen in einer Gemeinde mit nur 4000 Einwohner unterzubringen (sic).

    Luftangriffe Israels auf den Gaza-Streifen … Flowtex-Prozess Spezialbohrer nur auf dem Papier … Schaden über zwei Milliarden. Nobelpreise für Medizin in Stockholm? Bloß Mittel gegen Hakenwürmer und Malaria … das juckt die Pharmakonzerne, wie wir längst wissen, kein bißchen, weil der Absatzmarkt ausschließlich in sehr armen Ländern liegt.

    BKA-Präsident Holger Münch: Angriffe auf Asylantenheime hätten dieses Jahr stark zugenommen…“Wir sind jetzt mittlerweile bei 500 angekommen…“ – nach wie vor steigend – dies sei vor allem eine Frage der Überbelegung (?)

Der Brandanschlag auf das Flüchtlingsheim in Wertheim am Main hat sich tatsächlich als eine Brandstiftung herausgestellt!

Ein Toter nach Brand in Asylunterkunft Saalfeld-Beulwitz. Seit einiger Zeit häufen sich Sendungen und Hinweise auf den Begriff HEIMAT. In dieser auffälligen Dichte kann das kein Zufall sein. Vermutlich besteht ein propagandistischer Zusammenhang mit dem Nationalfeiertag (?) und der ARD-Heimatwoche?

Allein 25 % der weltweiten Gefängnisinsassen sitzen in den USA. Es sind mindestens 2,2  Millionen, meist Farbige. Um Platz in den meist privaten betriebenen Anstalten zu schaffen, wurden jetzt einige wegen kleiner Drogendelikten Verurteilte „begnadigt“.

Kuhreigen? Heimweh, dicht an der Sodomie mediterrarer Ziegenhirten, ist ein schweizer Patent, eingeschleppt durch Hannibals fußlahme Soldaten, auch „La maladie suisse“ genannt. I want into Mary‘s twat! Immer noch? Ich habe diesbezüglich meine Strafe abgesessen – endlich bin ich wieder auf freiem Fuß. Aber gleich auf Freiersfüßen? Hoffentlich nie mehr innerliche Brandwunden!

    Sperrt eure Eltern in die Speisekammer! – Dritter Todestag von Mutti… habe sicher niemals böses über meine Mutter gedacht, vielleicht habe ich auch ein wenig von ihrer Harmoniesucht vererbt bekommen … je älter ich werde, desto nachteiliger werden für

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mich fast alle Geschäfte, die ich tätigen muß … was ein Glück, daß ich so wenig Geld habe, ich zahle nämlich immer drauf! Um meine kleinere Schwester ins Kino zu scheuchen, war ich zu früh aus dem Haus und in die Fremde gegangen. Sperrt eure Eltern in die Speisekammer! wie es Ulrich Plenzdorf seinerzeit forderte, auch darin sah ich keine Sinn, keine politische Notwendigkeit – auch später nicht, als es für alle anderen guten Ideen längst zu spät war.

14. 10. 2015:

Bloß der Mensch begräbt . – Schneefall, reichlich Pappschnee, die Äste einiger Büsche brechen… Den Reifenwechsel am Mora (neue M&S Stollenreifen) wegen der glatten Straßen abgesagt…  spiele mit mir selber ein Gedankenspiel, ich wäre eingeschneit, ganz allein auf mich gestellt, aber ich verbringe auch diesen einen Tag, so wie ich die meisten anderen seit Jahren verbringe: ganz allein, und das Sprechen? Ja selbstverständlich das auch ein wenig, also dann eremitenhaft zu mir selbst. Eigentlich könnte man ohne weiteres auch sein ganzes Leben allein leben. Jawohl, könnte man durchaus. Müßte dann bloß jemand auftreiben, der einen unter den Rasen bringt, wenn man gestorben ist. Obwohl man sich natürlich auch vorher ein eigenes Grab buddeln könnte. Tun wir sowieso alle. Bloß der Mensch begräbt. Nee, Ameisen ebenfalls. Das erste, was jedem einfällt, Die Toten begraben. Robinson Crusoe etwa, gilt doch als lebensechte Figur. Tja, und dann hat ihn ja auch Freitag begraben. Jeder Freitag begräbt einen Donnerstag, wenn mans recht überlegt. James Joyce . Ulysses. Mr. Bloom bewunderte des Friedhofsaufsehers blühende Fülle.

15. 10. 2015

Brandanschlag in … Allein im Jahr 2015 bis September bereits über 500 (Brand-?) Anschläge auf Flüchtlingseinrichtungen allein in Deutschland! (sic) und die kalte Jahreszeit hat noch nicht einmal richtig begonnen.

    „Wieviel ausländerfeindliche Attacken und Hetzkampagnen gab es bisher insgesamt?“ … „Also, wenn man die von damals gegen die deutschen Nachkriegsflüchtlinge, gegen die Sudetendeutschen und all die anderen Beutedeutschen mitzählt? Das sind dann schon ein paar.“

Im Übrigen bin ich der Meinung, daß Nestlé zerstört werden muß!

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Nackte Zahlen. – Dieser Staat läßt nicht gern die Hosen herunter. Vieles aber kann auf Dauer nicht verschwiegen werden: Das Bundeskriminalamt in Wiesbaden zählte 2015 mehr als tausend Attacken auf Flüchtlingsheime. Die Zahl der Angriffe hatte sich verfünffacht! Von den 1005 Verbrechen werden 901 eindeutig einem rechtsradikalen Hintergrund zugerechnet. In 2016 wurden nur bis Februar bereits 25 Brandanschläge gezählt. Anfang April waren es bereit 268 Angriffe auf die immer noch schlecht bewachten Flüchtlingsunterkünfte. Brandanschläge, Einbrüche, Überfälle oder Mord und Mordversuche bei den deutschen Großbanken? Im gleichen Zeitraum keine!

Tagesmotto: „Wir leben wie wir träumen – allein.“ Joseph Conrad

Leckt mich doch am Arsch! – So könnte denn alle zwei Wochen mit einem deftigen politischen Skandal gerechnet werden, und zieht man wegen seiner Bedeutung für geistig Behinderte den Massensport hinzu, so geschieht es tatsächlich fast täglich, daß Millionen Gutgläubige zwar hochgradig verarscht, aber immerzu weiter bei der Stange gehalten werden … der Sport, besonders der Fußball, böte innerhalb der Friedenspolitik eine gute Option: man wechselt aus Ärger und Enttäuschung den Verein, den Club und fühlt sich vor lauter schlechtem Gewissen als ein VERRÄTER AN DER EIGENEN SACHE, unterläßt einen solchen nationalistischen Wechsel also bereits vorsorglich, bleibt im Lande (wohin auch soll er gehen?), nährt sich redlich und konsumiert getreu bis in den Tod; kopfnickend die allermeisten, kopfschütteln die wenigsten, die ich letztlich zu den allermeisten mit einem grobschlägigen Tremor rechne.

19. 10. 2015

Brandanschlag in Remseck (Baden Württemberg) auf die Nebenräume eines Gasthofes/ diese Asylantenunterkunft sollte demnächst noch erweitert werden … 250.000 Euro Schaden

Tautologien in doppelter Hinsicht. – Was fange ich eigentlich mit meinem längst vertanen Leben an? Da ist doch nichts mehr, was mich wirklich hin und herreißt, daß ich verrückt danach wäre oder irgendwie etwas ganz verrücktes tun würde, um das zu bekommen oder jenes zu machen oder gerade das einmal zu sehen oder… um wieder zu schmecken. Da genau tut es mir weh. So muß es sich anfühlen, wenn man sein Kind an ein grausames Schicksal verliert. Ich habe schon lange kein wahres Essen mehr… das heißt dann, daß ich etwas an Nahrungsmitteln in mich hineintue, um satt zu

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werden, der Hunger, der wirkliche Hunger bleibt, das ist mehr als Appetit nach einem gemeinsamen Zusammensitzen, wenn man sich beim kauen grinsend anschaut… nickt, belobigend brummt weil es gut schmeckt. Du oder wer auch immer, manchmal einige Freunde, die wären schön am Tisch, beim Essen, beim richtigen Essen, nachdem ich mich fast jeden Tag so sehr sehne.

20.10.15

Heute Reifenwechsel an der GS … endlich wieder Stollenreifen.

21.10.15

Die schwarzen Auguren rühren sich gemächlich … manchmal spricht die Nachricht von begangenen Verbrechen… bis heute mehr als 550 Vergehen und Anschläge an und auf Asylanten und (hört, hört!) sogar auf deutsche Betreuer – das ist absolut neu! Brandstiftungen, Morde sogar, man sollte das bitteschön nicht noch länger tolerieren… 90% der Anschläge gegen Fremde kämen (leider) von rechts? Von Links also noch mehr als die geschönte Arbeitslosenziffer. Wirklich von links, das wird uns verschwiegen.

    Wie Gift wird den Menschen allerlei Religion eingeträufelt – Gott selber müßte vergiftet werden! Verstößt es nicht gegen die Menschenwürde, daß Gott angeblich alles sieht und weiß?

26. 10. 2015

Brandanschlag in Lampertheim. Das ist in Hessen.

31. 10. 2015

Der Absturz eines russischen Passagierflugzeug im nordöstlichen Sinai (224 Tote!) lenkt kurz von heutigen Brandanschlägen ab. Ich vermute hier einen Bombenanschlag, allein weil das von westlichen Medien bisher vehement abgestritten wird.

    Ei wo isse denn? – Wenn wir einmal sagen was wir denken, so kann man auch locker darüber schreiben dürfen. Das Alter bietet klugen Männern viele neue Beschäftigungen. Wenn Frauen in ihre Jahre kommen und dabei angeblich nur ihre Attraktivität, nicht aber ihre unheimlich sinnliche Libido verlieren, so haben Männer endlich viel mehr Zeit für ihre neuen Hobbies. Männer verlieren ihre Potenz tatsächlich nicht. Anstatt sie unauffällig und ganz

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allmählich zu verlieren  und sich damit einfach abzufinden, vergessen sie schweigend. Sie vergessen sie in dem hohen Maß, daß sie verleugnet wird, schlimmer, sie tun so, als ob ihre Potenz niemals auch nur die allerkleinste Rolle in ihrem Leben gespielt hätte. Dieses Verhalten erinnert an den Wehrmachtsgeneral, der sich partout nicht mehr daran erinnern kann wieviel Hunderttausend jämmerliche Schweine er seinerzeit in den Tod geschickt hat. Seine einstige Hauptbeschäftigung ist zur Nebenbeschäftigung geworden, und ich möchte nicht wissen wieviele Polenmädchen in seinen flugs germanisierten Städtchen wohnten … sie war so schön./Sie war das allerschönste Kind,/das man in Polen findt…

Im Übrigen bin ich der Meinung, daß Nestlé zerstört werden muß!

01. 11. 2015 Brandanschläge in . . .

                            Notiz im November

                            Schlechte Tage,

                            an denen man in den Lexika blättert

                            – erstaunt

                            über die Fülle der Welt.

                                                                     Rainer Malkowski

Innen Tag. – Zumindest ist es wieder ein sonntag und der november hat allerheiligen in seinem gebetbuch hat seine erste ladung ausgekotzt ja verdammt das allerschönste sonnenwetter (sic) bin nur innen wieder einmal und wie sehr warte ich auf jemanden einen einzigen erlöser fuck all the twats der mit mir hinaus ginge so echt ringelpietz mit anfassen an diesem buntbetupften wunderschönen herbsttag so eben der garten erst noch nebelfeucht von schweren traumdeutungen der nacht und innen in mir dennoch so etwas wie ein sachtes scheiß glücksgefühl macht was mich plötzlich sehr erschreckt ja denn ich icke oder so bin es augenscheinlich bereits gewohnt wie ein waldtier nur hier tief innen in mir sein zu wollen yes ist das wirklich mein eigener wille das verdammt angeschissene frierende wesen in mir? Ähnlich wie ich mir vornehmen könnte ratzfatz reich zu werden die küche zu fegen naß zu wischen dazu im delicatessenladen alles leckersatt einkaufen oder das badezimmer blank zu putzen könnte ich mir vornehmen endlich

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einmal über mich selbst nachzudenken und den ganzen erinnerungscheiß in mir über bordkante zu schmeißen wieder in eine stammkneipe gehen und langsam über die gepflasterterten bürgersteige der sandigen rollberge richtung britz schwankend aber aufrecht nach hause tappen ja und den ganzen morgengräulichen ballast vom balkon auf euch zu hinunter zu scheissen! lieber wie maxe liebermann kotzen aber bitte nie mehr innen in mir weinen müssen wenn sie da draußen im fernsehen zeigen wie italienisches essen funktioniert gemeinsam mit alt eingesessenen altertümlichen altmodischen längst altweisen freunden innen wie selbstverständlich zum heiligen sinn sich erhebt ja zwischen azoren und jamaika ist der atlantik tief genug tief genug: tief weich und leicht schwebt ES hinab im ewigen kreise gefangen endlich innen als reine betrachtungsweise vielleicht das licht jenes herbsttages weit oben jetzt und nichts mehr umklammert halten aber mit ihm verbunden sein wie auf ewige dauer: das ICH liegt im schlamm um mich ein aufgewirbeltes wölkchen das in der dunkelheit sich verbirgt.

    Prosagedichte: diese leicht daherkommenden steinsäulen sie bieten neuem leben nur in ihren rissen platz, wettergegerbt sind die häuser der bergbauern, das marmor der tempel aber erstrahlt mir im glanz der jahrtausende, ach die farben, nicht wie bronzene hakenkreuze abgeschlagen aber verwittert zur klassischen lüge.

November 2015

Montag ist jetzt und draußen schon wieder und immer noch dieses endlos schöne sonnenwetter von dem ich hier drinnen gestern schon begeistert war nein die jalousien von denen ich neulich sprach leuchten hell und halten die sonne nicht ab nein das zimmer ist weiter so hell und grell erscheint mir der blick auf das streifige gitter meines gefängnisses… wenigsten die fenster lassen keinen laut hereindringen… Ist das endlich die steigerung der nutzlosigkeit – und irgendwo singt jemand so wunderschön als wenn ich das nicht wüßte denn so ganz blöd im kopf bin ich nicht daß ich weiß daß die welt sich weiterdreht und so weiter und so fort…

    Gedankenfreiheit. – Allein in diesem Jahr (d. h. in den ersten drei Quartalen dieses Jahres) sind bisher mehr als 600 ausländerfeindliche Anschläge bekannt geworden… (ARD-Tagesschau).

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[Aktueller Hinweis: Eben habe ich einmal mehr die Lust verloren, in WordPress die haarsträubend veränderte, einst druckreife Formatierung der Textvorlage mühsam umfassend zu korrigieren; die Textbearbeitung ist im Moment auf „Jimdo-Niveau“ herabgesunken, muß dazu auch sagen, daß seit einigen Tagen „eine Web-Page meinen Browser verlangsamt!“ wenn ich nach den Erfahrungen mit Facebook diesen Formulierungen aus Kalifornien trauen kann. — Für die Niederschrift dieses Hinweises habe ich etwa zwanzig Minuten mit Warten allein auf den angezeigten Textflluß verbracht – Spaß macht etwas anderes! (02/12/2019 GSK)]

Jeder schier aus dem Nichts eingedrungene Gedanke ist im gleichen Moment, an dem ich ihn wahrgenommen habe, ihn also über Sprache zu formulieren beginne, bereits flüchtig. All jene Gedanken, derer ich mich zufällig oder herbeigeführt bemächtige, sind auf diese besondere Weise unschuldige Gefangene und verdienen deshalb jegliche Freiheit zu ihrer natürlichen Weiterentwicklung.

    Cora sieht einen guten Erfolg am Ende ihres langen und fleissigen Medizinstudiums immerhin sportlich; sie hat das dritte und endlich letzte Staatsexamen mit einer sehr knappen Eins, also mit Gut bestanden! Herzlichsten Glückwunsch! Das ist wie du weißt kein Wettrennen mein Kind. Wie sagt der Seefahrer: Ankommen ist alles!

    Über unsere Folterkammern in Syrien. – Manchmal wundere ich mich, daß ich mir die banalsten Erkenntnisse und Formulierungen mehr oder weniger dick anstreiche, dann beizeiten aus den Büchern und irgendwelchen Druckschriften zitiere, anstatt das, was ich längst unaufgefordert weiß souverän zu ignorieren und als das zu betrachten, was es in Wirklichkeit geworden ist: Eine ehrwürdige und beachtenswerte Fassade an der der eine täglich vollkommen achtlos vorbeiläuft, der andere davor ehrfürchtig stehenbleibt, verweilt  und hinaufblickt, hinauf zur grinsenden Fratze des gotischen Wasserspeiers… der wie das übrige Bauwerk von der ätzenden Luft der Zeit bis zur Unkenntlichkeit, zur lächerlichen Harmlosigkeit zerfressen ist. Manche unternehmen dazu lange, entbehrungsreiche Reisen, um zu jenen magischen Plätzen zu gelangen, wo uns solcherart Bauwerke hinterlassen wurden… wir wissen, wie schnell Wolkenkratzer und Bürotürme wachsen, wir wissen, daß Mord und Folter ÜBERALL staatliche Terrorinstrumente sind, auf denen das Lied von Demokratie und Freiheit geblasen wird, wir wissen, daß wir ihren tödlichen Schatten nicht entkommen werden. „Dann zitieren wir eben im Dunkeln!“

    Die staatlichen Terrorismusindustrien sind wegen dem schwächelnden nanoglatten Finanzmarkt und den mittelalterlichen Rüstungstechnologien noch viel lukrativer als das ACKERBODEN- Management, die Verfilzung der ihm angehörigen Dienste, das Polieren hygienische Folterinstrumente, heiliger als die Beweihräucherung freiheitlicher Haltbarkeitsverlängerungen.

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Nacht und Nebel. – Der Inhalt des Films „Nacht und Nebel“1) schafft Probleme im heimlichen Vollzug der Adenauer-Methode, die Nazizeit und die KZ-Romantik einfach unter den Tisch zu kehren.. Gib‘ Küßchen Charles! Der Film wurde von Paul Celan ins Deutsche übersetzt/getextet und auch gesprochen (?)…. mit dem von der Gruppe 47 verlachten Singsang in der Stimme (… die schwarze Milch der Frühe… Ha ha). BILD Schlagzeile: Bei Nacht und Nebel. Erster Flüchtlingsbus hat 100-Einwohner-Dorf erreicht. Die Rede ist vom Dorf Simte (102 Einwohner) im Kreis Lüneburg, wo nach Protesten nicht 1000 nun aber immerhin 500 geflüchtete Menschen hingefahren werden.

    Freud‘sche versprecher und falsche versprechungen… ich reflektiere immer mehr nicht das in sich gekehrte erinnern dann also das nebensächlich gehörte das flüchtig gesehene in tv begleitet von ekelgefühlen kurz vor dem kotzen klar doch auch vom gedanken das alles nicht mehr ertragen zu können/ nicht mehr ertragen wollen nicht mehr mit glitschiger zunge küssen müssen und nimmermehr schreiben als erfindung der konsequenz wozu dann leben. Die oberstimme wird nicht gehört – die impulse vernarbter vernunft verwesen schnell in diesem schwülwarmen winter. Die ewige wiederholung der bachkantaten durchmischt mit vivaldiklängen führt zur sehnsucht nach rundfunkberichten von der jüdischen gemeinde in frankfut main (nix vom wohnungsmarkt in frankfurt oder oder) ach und gerade jetzt werden sogar die benzinmotoren von vw an die bundeliga verkauft der allergrößte schlagerfan bona sera signorina kiss me goodnight! die motown- version bitteschön mit der jazzeinlage am ende „… in the mean-time i can tell you that I love you.“ lalalla lala schnorchelt bigbandsoundig reinhard mai… dreh endlich diese sender weg seemann… es gibt keine anderen mehr und paul gerhardt dichtet sich gleich ein eigenes neues kirchenlied während er (der büßernackte text) wichsend in der badewanne liegt ach man glaubts kaum der hemdsärmelige bush junior auf dem schafskopf den teaxashut (sic) dient als wichsvorlage nicht von der ferkel der rautige wiederkäuermagen auf glanzdruck das playmate… Mein Mätschen! Mein Mätschen! Dear Mr. Gorbatschow! Don`t eat Kohls Saumagen!

Ich bin nicht der erste und sicher nicht der letzte, der das goethe ische Nachtlied des Wanderers benutzt, um sich dem magischen

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Rhythmus hinzugeben… wie stumme Tränen rinnt unser Zorn hinunter in die Waagschale der Gerechtigkeit, und gnade ihnen Gott, wenn die Trauer überwiegt sprechen wir nach fast ewigem Abwägen das Todesurteil endlich auch über sie.

Im Übrigen bin ich der Meinung, daß Nestlé zerstört werden muß!

    Der Todestag meines Vater ist für die Zeitläufte nicht wesentlich… bemerke dann, ich hätte während seines Lebens als Sohn viel mehr Notizen machen können… das ist eine Sache der Generationen, sind feine Zahnrädchen, Stimmungen, rührselige Bekenntnisse im Suff… ich kenne Rußland, obwohl ich niemals dort gewesen bin.

    Dieser Tag bedeutet mir den eigentlichen Gedenktag für deutsche Erinnerungen an die Historie… überhaupt der November mit seinen bedeutsamen Ereignissen… Novemberrevolution, Novemberverbrecher … der Deal der SPD (Ebert) mit dem Militär (Stahlhelm).. Nacht fiel über die preußische Anständigkeit… Fackelschein… bald die Nacht der langen Messer… (8.11.2015)

Joscha Schmierer … vom grellroten KGB-Kader zum grünen Befürworter des Irakkriegs und George W. Bush-Förderer… USA = Unser Seliger Adolf … ewige „J“-Kumpaneien längst wieder.

                                     Nachtlied  

                                                    für Günter Wallraff

                                             Überm Gedächtnis

                                             Ist Ruh,

                                             Im Foltergefängnis

                                             Spürest du

                                             Kalten Rauch;

                                             Die Gerechtigkeit schweiget im Lande

                                             Wartet nur, balde

                                             Zittert ihr auch.         GSK 04.11.2015

07. 11. 2015

„Bundesinnenminister Demenziér (sic) dementiert eigene Aussage über Flüchtlinge.“ (sic). Vom ersten Quartal dieses Jahres bis zum dritten Quartal haben sich Anschläge auf Flüchtlingseinrichtungen von 136 zu 246 gesteigert; die Zahl der Brandstiftungen hat sich

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dabei verdoppelt. Die verschiedenartigen Zahlen verwirren… für Wissbegierige gibt es längst Statistiken und kartographische Darstellungen.

    Die berühmten Abmagerungskuren der Maria Callas1)  haben ihren unvergleichlichen Charme bis heute nicht verloren. Erstmals machte sie 1949 eine Diät, da wog sie 120 kg… sie war fett und unansehnlich, und sie wurde in Paris im Laden einer berühmten Modemacherin erst einmal nicht bedient (sic). 1951 hatte sich die Callas erneut, diesmal sogar auf genau 57 kg, herunter gehungert

08. 11. 2015

Findet in Deutschland nicht gerade wieder eine kumulative Radikalisierung statt, aus der die nationalsozialistische Vernichtungspolitik hervorging (vgl. zum Tod von Hans Mommsen)…

Im Übrigen bin ich der Meinung, daß Nestlé zerstört werden muß!

09. 11. 2015

Was ist eigentlich aus dem am 2.10. 2015 im parlament beschlossenen zweiten nsu-ausschuß geworden? . . . und man muß viel mehr die fachleute befragen. [diese bemerkung ist nicht von bert brecht, die ist von mir.]

Tod eines Handlungsreisenden. – Helmut Schmidt war stets in irgendwelche Handlungen verstrickt . . . Im Interview bemerkt er über einen mitgefangennen Hauptmann der Nazi-Wehrmacht: (sinngemäß): „Wir spielten nicht nur Schach miteinander, wir unterhielten uns auch … er machte mich im Kriegsgefangenenlager zum Sozialdemokraten.“

    In Handlungen verstrickt, das sind andere Menschen auch, aber am Nachmittag des 10. November 2015 ist der ehemalige Bundeskanzler Helmut Schmidt im Alter von 96 Jahren in Hamburg gestorben. Nur böse Zunge aus gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen behaupten: mit einer letzten Menthol-Zigarette in der Hand.

11. 11. 2015

    Vermutete Prozesse. – Die öffentlich rechtlichen Medien (hier Rundfunk) sind vermutlich dazu übergegangen die vermutlichen Anschläge auf Ausländerunterkünfte (und die auf Menschen?)

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quartalsweise in einer einzigen Nachrichtensendung (vermutlich um 15 Uhr) und dann in einer Summe (meist abgerundete Zahl?) zu nennen. Dabei werden vermutlich die Brandanschläge immer schwerer unterscheidbar. Auch die vermuteten Hintergründe bleiben meist unklar.

    Der NSU-Prozeß soll bereits der größte Prozess der deutschen Nachkriegszeit sein. Merkwürdig auch, daß ARD-Sendern immer noch diese Zeiteinteilung benutzen… 70 Jahre nach Zerschlagung der Nazi-Justiz, die zumindest nicht so korrupt war… hört, hört. Peggy Parnass, ick hör dir trapsen.

    Abends zwei sehr lange Telefonate mit Helmut aus Berlin…

12. 11. 2015

    Heute wäre Roland Barthes 100 Jahre alt geworden …

Im Radio höre ich ein „Kindergedicht“ von Peter Härtling… das mit dem am Ast aufgeknüpften Kasperle … Gedicht: Nachricht vom Kaspar 1)  Kasper oder Kaspar? Das ist hier die Frage…

    Hat Herr Reclam seinerzeit nicht Goethes Faust 1 zu seinem allerersten Reclam-Bändchen erkoren?… welch ein Dauerbrenner.

13. 11. 2015

Geburtstag von Josi; die Einschläge kommen näher. Tagsüber bekomme ich keine Verbindung, sie sind auf einer Tour in Belgien. Morgens Besuch, Hanne zum Kaffee… Brötchen mit Leberwurst.

Großer Terroranschlag in Paris. – In den Abendstunden während des Fußballspiels Deutschland-Frankreich in Paris geschehen zeitgleich mehrere Mordanschläge und Geiselnahme bei einem Rockkonzert mit 130 (?) Toten und Hunderten von Verletzten, sehr viele davon lebensgefährlich. . . Die islamisch terroristische IS verkündet ihre Bekennerbotschaft . . . das Abendland ist wieder einmal tief betroffen und nutzt die Gunst der Stunde für seine einseitige Trauerpropaganda … Paris ist selbst dran schuld, das sei Assads zynische Botschaft! etc. Wer trauert um Syrien? Die UN?

Mitleid ist billig zu haben, es nützt uns im Bild der Täter, es bleibt in politischer Hinsicht heuchlerisch weil die Ursache des Leidens nicht angegangen, sondern oft genug noch befördert werden. Das Erbarmen – es kann den Sinn haben, unser Urteil aufzulösen?

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Oder hat es nicht eher den Sinn, daß das Erbarmen uns über das Urteil, ohne es aufzulösen, hinausführte zum zweiten Teil der Aufgabe: zum Handeln, und wie soll ein Handeln, das nicht aus einem Urteil kommt, jemals eine wirkliche Hilfe sein? Hilfe bedeutet Veränderung im Sinne einer Erkenntnis; beides im Maße unseres Vermögens – (Max Frisch Tagebücher 1946-1949).

14. 11. 2015

Herbstliche Moratour mit Stephan (Rhein-Lahn-Einrich)… Abends Anruf von Heide zwecks kurzem Plausch . . .

Bei der Moderation aus vorurteilsfreier Position, im Sinne der selbstverständlich immer unschuldigen Opfer fällt uns auf, daß stets von Maschinengewehren die Rede ist, wenn eigentlich übliche Sturmgewehre gemeint sind, die längst Karabiner abgelöst haben… das bleibt unverständlich, zumal es private TV-Sender gibt, die Tag und Nacht die militärische Begeisterung für die Gute Sache des Abendlandes schüren und bei der Ansprache des Publikums unbedingt den Fachjargon für die systematische Beschreibung sämtliche Arten kleinerer und größerer Waffen benutzen. Mein Zorn wächst, aber ich will nicht gegen mich selbst denken.

17. 11. 2015

Kriegserklärungen. – Das gemeinsame Singen von Nationalhymnen in Fußballstadien, anstatt dem aggressiven Grölen von anfeuernden Halbsätzen, fällt zeitlich in eine großartige Inszenierung der bevorstehenden Mobilmachung. Die perfekte Verwendung der einmalig vielseitigen Marseillaise1) kommt dabei voll zur Geltung. Was einst sogar russische Revolutionäre zu Tränen rührte (und die hatten weißgott superschöne eigene Songs), kann im Kampf des Abendlandes für Freiheit und seine Erdölfelder nicht verkehrt sein. Bereits 2005 hatte der französische Staatspräsident Sarkozy gefordert, daß jedes Kind in Frankreich diese aufhetzende Soldaten-Motivations-Hymne auswendig lernen solle… Alles klingt wie fuckin‘ GEORGE W. BUSH!

Auf, Kinder des Vaterlands,/Der Tag des Ruhmes ist gekommen!/ (…) Sie kommen bis in eure Arme,/Um euren Söhnen, euren Gefährtinnen die Kehlen durchzuschneiden. (…) Refrain: /Zu den Waffen, Bürger,/Formt eure Truppen,/ Marschieren wir,/ marschieren wir!/Unreines Blut/Tränke unsere Furchen! (2x) … (Beginn der Marseillaise)1)

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Karten für ein Deep Purple Konzert werden jetzt wie Sauerbier im Radio angeboten. Vor den Nachrichten Werbespot AOK-Gesundheitsprogramm. Endlich: Russen wollen gemeinsam mit Franzosen gegen den IS kämpfen! Die Russischen Kampfflugzeuge in Syrien werden verdoppelt.

Lesen, was gesund macht – Apotheker-Rundschau!

Vom Ekel vor Wörtern. – Wir machten eigentlich immer das gleiche: wir trauten ihnen, wir mißtrauten ihnen, wir suchten verzweifelt nach einer Alternative – viele Jahrzehnte lang machten wir das auf der ausgetretenen Spur unserer Ahnen. Wir mißtrauen beizeiten den Vorbetern, den Verleumdern, den Kriegshetzern, wir trauten den überlieferten Traditionen der Hoffnung, aber damit lebten wir in einer riesigen Schüssel von längst angesetztem Sauerteig. Was ist anders jetzt? Zumindest Noch mehr Wörter über den Ekel! Kriegserklärungen allerorten nach Art der Menschen erst in Worten.

Le Monde:  Unbehagen, Infragestellen, Revolte, Auhentizität, Befreiung… Sie haben sich nicht sehr verändert.

Sartre:  Ich habe mich verändert wie jedermann: innerhalb einer Permanenz.

Was würdest du dir auf eine einsame Insel mitnehmen? Ein Buch?

Le Monde:  Welches Werk hätte Gewicht?

Sartre:  Gerade das ist das Problem des Schriftstellers. Was bedeutet die Literatur in einer Welt, die hungert? Wie die Moral muß auch die Literatur allgemeinverbindlich sein. Der Schriftsteller muß sich also auf die  Seite der größeren Zahl, der zwei Milliarden Hundernden stellen, wenn er sich an alle wenden (…) will.1)

Die OBJEKTIVE Berichterstattung über islamistischen TERROR ist zur längst nötigen Hochform aufgelaufen. „Terroristen in Belgien verhaftet und nach Verhör wieder freigelassen (sic)“ usf.

Der fleißige Revolutionär. – Er sollte sich am Feierabend durchaus eine kubanische Zigarre anzünden oder einen Rum mit Coca-Cola gönnen dürfen, denn genau darauf läuft irgendwann alles hinaus.

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Sogar das einst zur Mode erklärte metaphysische Elend der Philosophen war bloß elitäres Luxusgehabe. Der Hunger, das ist und bleibt wirkliches Elend!. Was nun Metaphysik an der Grenze des philosophischen Denkens ist, das ist für Machtbesessene Mystik, die mit ihr etwas Reales, meist finanzielles, bezwecken wollen.

„Auf, ihr Kinder des Vogtlandes/ Der Tag der Heimatvertriebenen ist gekommen/ … Auf, ihr belgischen Kinder des Grafen von Boullion!/ Schlachtet die ungläubigen Kinder Palästinas!/ Ihr unreines Blut tränke unsere Produktionsflächen.“

23. 11. 2015

Dauerberichterstattung. – Bankenkrise, Griechenlandkrise, Flüchtlingskrise… Was nach BILD-Berichterstattungen klingt, ist klammheimlich zum täglichen journalistisches Niveau geworden… Polizei versteckt mutmaßliche Leiche am Tatort. – Eine typische Dauer-Nachrichtenmeldung im November 2015: … der seit Jahren bekannte mutmaßliche islamistische Topterrorist konnte offenbar alle äußeren und inneren europäischen Grenzen vermutlich problemlos überqueren, das war der Polizei nach eigenen vorsorglichen Aussagen aber wohlweislich nicht bekannt.

    In der Wohnung in Belgien, die gestern von Spezialkräften der Polizei gestürmt wurde, wobei es mehrere Tote gab, ist heute eine weitere Leiche entdeckt worden (sic) … Die Dauerberichterstattung über den IS beginnt zu einem imaginären Datum … es mag an eine Nebensächlichkeit erinnern, so wie die nie erfolgte Dauer-Berichterstattung über ein einziges Regiment des Vietkong, das zunehmend die ganze Welt bedroht und mit CIA-Aktionen und B-52-Bomben-Teppichen subtil bekämpft und wenigstens zum Teil ausradiert werden muß. Solange noch ein einziger Vietkong auf der Lauer liegt mußte kein anderes Thema Platz greifen.

Halbbildung als Paradies der Altersarmut. – Deutliche Anzeichen von Alzheimer, die ich an mir zu erkennen glaube, ließen sich irgendwann nicht mehr als pseudosenile Auswirkungen jahrzehntelanger Halbbildung kaschieren… Ich vergaß immer öfter, weshalb ich manche Menschen, die ich einmal kannte, oder die mir vom Hörensagen der Medien bekannt waren, abgrundtief verachtet habe… Ich kaufte gelegentlich sogar zuckerhaltige dann vollkommen übersalzene, bunt verpackte Nestlé-Produkte und schaute mir

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die Dokumentationen, die nur am Dienstag auf Arte gesendet werden, längst nicht mehr an. Auch bei meinem einsam fortgeführtem Schreiben an den Inseljahren kam ich irgendwann nicht mehr so recht weiter.

Immer mehr erhellte sich in mir ein Gedanke, daß eigentlich alle meine Taten und Bemühungen, jegliches Engagement und alle Erkenntnisse meines Lebens bislang vollkommen nutzlos und ohne eine erkennbare Wirkung geblieben waren.

    Eine der schwierigsten moralischen Aufgaben in unserer Zeit waren die Bemühungen, sich aufgrund zunehmender öffentlicher Verbrechen nicht selber immer mehr zu verhärten. Ewige Verlierer neigen deshalb zur Schwermut oder Verbitterung.

    Skandale wurden in einer bislang unvorstellbaren Vielzahl und in unbegreiflichen Schadenssummen schneller von den Medien gemeldet, als die Sendezeiten dafür gereicht hätten. Von VW über den Fußball bis zu Rüstungsexporten ein gewaltiger Sumpf von Lüge und Korruption. Eine unvorstellbare faktische Aneignung der TOTALHERRSCHAFT, überall selbstinszenierte Terrorakte, seit Jahrzehnten überall Bombenattentate, für alles das ist einziger Grund die sichere Installation dieses Neokapitalismus, der sich in täglich zunehmender Geschwindigkeit selbst konkurriert. Primitivster merkantilistischer, karbonisierter, haltbar gemachter Reichtum! Die primitivst bewährte Alleinherrschaft… GELD!

   Weiterhin nichts als markige Kriegserklärungen. Gezielte, exakte Bombardierungen der Zivilbevölkerungen zur Beseitigung der mutmaßlichen, der eventuellen, der vermuteten, der angeblichen, der häufigsten, der erkannten, der statistisch festgestellten, der definierten Ursachen des „Terrors“ (vielleicht sind sie politischer, vielleicht sind sie wirtschaftlicher Natur, vielleicht.ist es die mehr als hundertjährige Kolonialgeschichte, die schon allein wegen der Bodenschätze, und menschlicher Ressourcen, allein wegen der Preise dafür, einfach nicht enden will…). Deshalb klingt alles wie BUSH! Ein Kanon der Dominanz zahlreicher kristlicher Erbarmungslosigkeiten bei der Verfolgung des Teufels und seiner fremden Mächte. Die bloßen Vermutungen reichen dieser altmodischen Geopolitik mit modernsten Mitteln längst aus! Viele durchsichtige Kriegsgründe wie Emser-Depeschen, Sender-Gleiwitz,

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Pearl Harbours, Lusitanias und Nine-Elevens sind ihnen bislang nützlich gewesen. Kaum ein Marktplatz , kein Souk in den Krisenregionen, der vor den Bombenlegern zum Nutzen der CIA sicher wäre. Kaum ein Gegner von TTip, der in Europa noch sicher ist!

Wer ist kränker? Die giftproduzierenden Chemie- und Pharmakonzerne oder ihre verkrüppelten, krebskranken Kinderpatienten?

24. 11. 2015

Außer Spesen nichts gewesen. – Zumindest die fachliche Kompetenz darf bei nichtnutzigen Liturgien nicht fehlen: „Am Klimagipfel 2015 nehmen auch Wissenschaftler teil.“(sic) 1). Das ist doch wie eine Messe mit wenigstens einem anwesenden Priester, und hinterher wird es heißen, daß alle Delegierten ihren vorher auswendig gelernten Text wieder einmal vergessen haben.

Ein Angriff auf „Pearl Harbour“ steht vermutlich kurz bevor. – Was auffällt: Ich höre so gut wie niemals AFN-Frankfurt, den Radiosender der US-Streitkräfte. Nun hat es sich dieser Tage so ergeben, daß ich ihn einmal einstellte, als überall nur diese schreckliche hirnlose Musik gesendet wurde, hier aber wurde gesprochen, und es war wohl eine Art von Werbesendung, denn die Frau hörte sich vollkommen begeistert und hin und weg an…

    Wie bei dem BBC-Sender im Fernsehen muß ich mich aufs Englische, erst recht aufs Amerikanische, schon sehr konzentrieren und dennoch versuchen, dem Redefluß vollkommen entspannt zu folgen, sonst verliere ich bei dem üblichen Sprechtempo (was nahezu italienisch schnell dahinfließt) sofort den Faden… es war eine begeisterte Aufforderung an die US-Soldaten und ihre Familien unbedingt jetzt einen Ausflug in den Rheingau, mit seinen Burgen und dem Rheinwein zu machen, dabei unbedingt den Weihnachtsmarkt in Rüdesheim aufzusuchen… das war vor einigen Tagen… Heute, der Zufall wollte es, exakt die gleiche Situation, dabei habe ich mein ganzes Leben lang doch niemals nur einen einzigen Hinweis auf die deutsche Sehenswürdigkeiten in der Nähe der Rhein-Main-Airbase etc bemerkt (man könnte das sicher nachprüfen). Aber, wann höre ich schon mal AFN… eigentlich nie, so müßte man sagen. Früher: „Siss iss Wernä Lamp… you hier nau se wesser riport from ÄFN Fränkfort…“

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Nun so kurz hintereinander ein langer Bericht über den wunderbaren Rheingau und den Weihnachtsmarkt … und ob man es nun glaubt oder nicht… die Stimme der Moderatorin hörte sich heute an, als sei das Kind bereits in den Brunnen gefallen. So hält man einen Nachruf auf geliebte Tote, aber bei diesem professionellen Hintergrund eines militärischen Senders? Warum diese massiven Aufforderungen unbedingt einen derartigen Familienausflug zu machen, warum wird gerade jetzt zum Verlassen der etwas sichereren Air-Base, der Kasernen und sogar der Housing Areas aufrufen? Ach, das ist vermutlich alles nur ein komischer dieser historischen Zufallsbeobachtungen. Der übliche Verdacht eines Merkfähigen?

25. 11. 2015

Ignoranzen und Ratlosigkeiten. – Kurz vor dem (21.?) Welt-Klimagipfel in Paris ist in Berlin der 2. (zweite) NSU-Untersuchungsauschuß etabliert worden. Bei beiden weiß man vorher bereits, was am Ende herauskommen wird. Auch hier gilt: Es ist meist schade und schrecklich, wenn man wieder einmal Recht behalten hat. Wenigstens der angedrohte Streik der Lufthansa-Flugbegleiter ist vorläufig abgesagt worden. In diesen Gedanken kommt passend ein Festnetzanruf von C., die von Barcelona zurück ist, sich dort leider eine feste Erkältung eingefangen hat.

Zweiter (!) Tag in diesem Jahr mit einer Schneebedeckung. Aber der Pappschnee beginnt sofort wieder zu apern.

26. 11. 2015

Zur besonder Dummheit intelligenter Jasager. – Um die dringende öffentlichen Auseinandersetzung zwischen Resten des humanen und neoliberalen Wunschdenkens weiter aufzuschieben, sind nahezu monopolisierte gesellschaftliche Kräfte am Werk, die bereits dummgemachte Bevölkerungen noch dümmer machen und trotzdem bis ins Detail hinein von ihnen als wichtig erachteten Vorgängen in der Welt zu berichten. Die entgegengesetzten Klassen-Interessen im Kapitalismus sind mit ihrem antagonistischen Charakter längt perfekt beschrieben worden. Auch in der eher als belletristisch eingeordneten Literatur finden sich menschennahe Beispiel zu grundsätzlichen Widersprüchen, die dennoch individuelle oder

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gesellschaftliche Lösungen bereithalten. „Die Frauen sind nicht dumm, aber sie müssen irgendeinem Ideal entsprechend leben. Sie wissen, daß die Männer dumm sind. Im Grunde respektieren sie deren Ideal gar nicht. Doch sie müssen einem Ideal nachleben, sonst können sie nicht existieren

Die Frauen sind nicht dumm. Sie haben ihre eigene Logik, auch wenn es nicht die Logik der Männer ist.“ (D. H. Lawrence 1971).

Die Traditionen des Westens. – In den heutigen Nachrichten, und die dauern in den öffentlichrechtlichen Sendeanstalten wirklich nur knappe drei Minuten: Nach dem ausschließlichen Themabericht (diese Tage) vom Antiterrorkampf... Viele Kuscheltiere taugen nicht zum Kuscheln … von 30 untersuchten Stofftieren waren nur 8 empfehlenswert … am besten abgeschnitten hat der Hase von … also nicht das Tier von Steiff (sic) Es folgt: Wetterbericht unterlegt mit nerviger Fahrstuhlmusik

   Diese Welt ist vermutlich wirklich nicht mehr zu retten. Tausende und Abertausende böser Menschen werden von guten abendländischen Bomben zerfetzt und verbrannt, verstümmelt und dadurch von Generation zu Generation zum Haß auf die Mörder aufgefordert… Gehört Rußland nun endlich auch zum Abendland? Was sagt der Papst? Der ist gerade in Kenia und kümmert sich um andere Traditionen, die der Verstümmelung von Frauen…

Militärische Ausgaben der Großmächte und ihrer Vasallen übersteigen zur Zeit die humanitäre Hilfen um das Neunzigfache (sic).

Längst ist das humanitäre Prinzip der Heiligkeit des Lebens in einen unvorstellbar wirksamen Zynismus umgeschlagen. Gut und Böse stellen sich gern die Frage, wessen Idee Tod und Gewalt gutheißen könnte. In der Auseinandersetzung zwischen Marx und Bakunin spitze sie sich zu, in der zwischen Lenin und Rosa Luxemburg ein zweites Mal. (Michel 1965)

Der Schnee von gestern ist weggetaut. Man hätte ihn rechtzeitig entlang der Fußgängerzonen verbuddeln müssen. Landminenbericht der UNO, man schätzt 3.500 Tote allein in Afghanistan

30. 11. 2015

Deutschstunde. – Für die Wartezeit beim festen Arzttermin habe ich

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mir vorsorglich ein dünnes Reclam-Heftchen1) mitgenommen. Es hat 77 Seiten und wurde tatsächlich in dieser „Sitzung“ vollständig gelesen, fast studiert.

Die Forma- und Banalität, mit der Schüler (bis heute?) zum kreativen Schreiben angeleitet werden, ist einigermaßen erschreckend. (…) es lassen sich Erzählversuche bis in die kritischen Klassen der Mittelstufe fortsetzen. Gerade diese entwicklungspsychologisch im schulischen Sinn lernunwilligen Jugendlichen werden von der Schule durch Stundentafel und Lehrpläne einseitig kognitiven Lernzwängen ausgesetzt (…) auch der Deutschlehrer denkt an Schulabschlüsse oder an den Übergang in die Studienstufe. Er übt deshalb verstärkt Formales, damit die Aufsätze gelingen, Rechtschreibung und Zeichensetzung einigermaßen beherrscht werden (…) Kreativität und Arbeitsfreude verkümmern. (Klose 1979, Nachwort für Lehrer und andere Neugierige).

….Es wird Schuhe des Protestes regnen und die Fluten des Meeres werden ansteigen. – Noch vor dem Beginn des Weltklimagipfels von Paris versammelten sich weltweit Hunderttausende Menschen, um gegen die verlogene Wirtschaftspolitik der Staaten zu protestieren … viele Tausend Schuhe vorwiegend von Prominenten waren in Paris auf das Pflaster gestellt worden, um ihre persönliche Solidarität mit dem engagierten Protest auszudrücken. Bekanntlich ist das Vorzeigen der eigenen Schuhe ein arabisch-islamisches Symbol der Verächtlichmachung und des empfundenen Abscheus, zumindest wenn sie denn wenigstens geworfen werden.

13. 12. 2015

…diese Dokumente werden bald allesamt im Schredder landen, Umweltpolitik kostet nämlich Arbeitsplätze.“ Die amerikanischen Republikaner zum Pariser Klimaschutzabkommen. Makulatur?

Überhaupt ist Verquickung von Kunst, besonders die der Literatur, mit der kapitalistisch-imperialistischen Wirtschaftpolitik bloße Propaganda, sogleich „Dem Rätsel der Sandbank“ gleich.

     Angesichts des Vietnamkrieges kam es zu einem studentischen Trend: Gesellschaftswissenschaften waren viel interessanter als die Wirtschaftswissenschaft, wenn sie sich nicht sofort Politische Ökonomie nannte. Betriebwirtschaft und Volkswirtschaft bedienen sich

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selbstverständlich der Grundrechnungsarten bis hin zur Statistik. Am Ende hatte der lebenslustige Martin Luther recht wenn er postulierte: Der Mathematiker ist ein trauriger Gesell.

06. 12. 2015

Das Nikolaus-Prinzip1). – Alljährlich herbeigeführter kristlich-abendländischer  Brauch (meist am 6. Dezember), standardisierter Einschüchterungsversuch (insbes.) von kleineren Kindern durch plötzliches Erscheinen einer verkleideten Respektsperson, welche mittels Androhung und sofortigem Strafvollzug, oder Lob und Geschenken eine bleibende erzieherische Wirkung bis in das Alter des mündigen Staatsbürgers hinein bewirken soll (vgl. a. Arbeitsrecht, Steuer- und Militärstrafrecht …). Durch moderne Informations- und Kommunikationstechnologien (I+K-Technik) weitgehend verfeinert … z.Zt. noch nicht global funktionierend (s.a. Problem der Weltreligionen), wenn auch bereits zum =‚NATO-Prinzip‘ modernisiert… dabei weiterhin stümperhafte (barbarisch-bestialisch) aber geniale Kooperation des CIA mit anderen Geheimdiensten… faschistoiden Gruppen und Rüstungskonzernen… die (wie z.B. Daimler-Chrysler und Siemens) gelegentlich auch andere Gegenstände herstellen lassen… So oder ähnlich sind auch manche Ungerechtigkeiten zu erklären, die nicht nur an einem einzigen Abend, sondern tagtäglich auf der ganzen Welt passieren. Alles hat dabei eine Ursache, aber besonders die =Ungerechtigkeit (i.e.S.) ist meist alles andere als ein reiner Zufall. Manchmal sind es Kleinigkeiten, dann aber auch furchtbar schlimme Dinge, die Kindern wie Erwachsenen angetan werden. Dabei können Kinder an diesen Zuständen zunächst nur wenig ändern. Vielleicht aber werden aus betroffenen Kindern einmal besonders kluge Erwachsene, die daran etwas zu ändern versuchen. Das wäre für eine vernünftige Weiterentwicklung der Mitwelt wichtig, denn einige Menschen (= Lobbyisten) benutzen das (urchristliche) ‚Nikolaus-Prinzip‘ weiterhin tatsächlich nur für ihre eigenen, menschlichen Zwecke.

    Zündwarenmonopol und Zuckersteuer. – Übrigens wurde die 500 Millionen Reichsmark-Anleihe des Deutschen Reiches, sowie ihre 6%ige Verzinsung (1930-1983) an das schwedische Kartell des Ivar Kreuger bis auf den letzten Pfennig zurückgezahlt.

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Einer muss der Bluthund sein

Eine Diskussionsrunde resp. Talkshow im TV. Moderation Anne Willswissen und ihre Gäste. (Auszug)

Moderatorin: Braucht die Menschheit Handfeuerwaffen? Zum heutigen Thema begrüßen wir ganz herzlich Frau Kalaschnikow aus Rußland, Fräulein Heckler-Koch aus Deutschland, bekanntlich aus Oberndorf am Neckar für die G’s wie Gewehr, Herr Rheinstahl aus Düsseldorf (MG42), der seinen Herrn Mauser (Karabiner 98), ebenfalls aus Oberndorf am Neckar stammend, gern gleich mitgebracht hätte. Ein Willkommen, auch den zahlreichen im Studio versammelten Gäste.

[wie üblich … erster starker Applaus der Zuschauer]

Ein Mann mit besonderer Sachkenntnis für unser Thema ist der ehemalige Bundesinnenminister Otto Schily. Guten Abend Herr Schily.

[… erneuter aber nur kurzer starker Applaus]

Die beiden Sessel auf der rechten sowie auf der linken Seite sind für unsere Überraschungsgäste aus der deutschen Geschichte vorgesehen. Beide waren sie einmal SPD-Politiker und dennoch haben sie an einem Wendepunkt der deutschen Geschichte vollkommen verschiedenen Herren und Weltbildern gedient. Es sind hier Gustav Noske und Rosa Luxemburg, die ich Ihnen sicher nicht sonderlich vorstellen muß. Guten Abend auch ihnen beiden.

[… kurzer schwacher, vertröpfelnder Applaus der Zuschauer]

Waffenexporte in Krisenregionen, sogar an kriegführende Parteien, immer wieder macht eine solche Wirtschaftsmoral Schlagzeilen. Automatische Kriegswaffen im privaten Schlafzimmer, das liberale, zugleich aber traditionelle amerikanische Waffengesetz ist seit langem ebenfalls umstritten…. Innenpolitisch umstritten die Aufrüstung der Polizei mit schweren Kriegswaffen, finaler Todesschuß in ihrem Antiterrorkampf, wo liegen da die Grenzen?

Schily: Die Polizeien der Bundesländer, mal ganz abgesehen vom BKA, dem Bundesgrenzschutz und der GSG9, besaßen schon immer einen möglichen Zugriff auf solche Waffen, die man gemeinhin als Infanteriewaffen bezeichnet. Dazu gehören allerlei Arten

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von Granaten und auch Maschinengewehre. So etwas wurde aber in der Bundesrepublik niemals vollständig eingesetzt.

Moderatorin: Danke Herr Schily, wir werden gleich darauf zurückkommen. Frau Kalaschnikow, was die weltweite Verbreitung eines ihrer bekanntesten Produkte betrifft, da können sie auf eine lange Erfolgsgeschichte zurückblicken. Macht sie das stolz?“

Kalaschnikow: Ja, ein wenig schon, denn es sollen 100 Millionen allein bei der AK47 sein … aber ähnliche Verbreitung und Verkaufszahlen haben die deutschen Waffen natürlich auch …

Luxemburg: … stimmt leider. Allein mit dem Nato-Gewehr G3 sollen in der ganzen Welt über eine Million Menschen ermordet worden sein. Und das geht immer so weiter. Das ist bei der AK47 bestimmt nicht viel anders … Haben sie auch Lizensen vergeben?

Heckler-Koch: Das mit den internationalen Lizenzen ist bloß der allgemeinen Globalisierung geschuldet. Das hat nichts mit illegalen Geschäften oder der Umgehung von Exportbeschränkungung für Krisenregionen zu tun. Viel wird auch noch in Deutschland hergestellt und ganz legal verkauft.

Rheinstahl: Wir selber liefern ja auch Automobilausrüstungen und nicht nur Waffen. Wir müssen dabei bedenken, daß die deutschen Rüstungsindustrien insgesamt eine große Zahl von Arbeitsplätzen sichern. Wir haben beispielsweise die Firma Mauser in unser grosses Unternehmen übernommen, die Produktionen am Neckar gehen aber weiter, der Wirtschaftsstandort Deutschland bleibt so erhalten, das kann ich nur betonen.

Luxemburg: Wir alle wissen, daß das mit den Arbeitsplätzen so nicht stimmt. Bei ihrem  riesigen Umsatz bei Waffen von einigen Milliarden beschäftigen sie soviel Tausend Menschen, das sind vergleichbar nur ein sechstel von anderen Branchen, weil hohe Automation, Spezialistentum und viel Zukauf horent teurer Elektronik vonnöten ist. Rüstung tötet nicht nur, sie ist nach wie vor unvorstellbar teuer und vernichtet deshalb die Schaffung solider vielfältiger Arbeitsplätze oder läßt sie erst garnicht entstehen.

Schily: Bei allem, was ich über unsere Volkswirtschaft weiß, ist das blanker Unsinn. Es geht hier letztlich um die Herstellung von

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Innerer Sicherheit, und die ist für unser aller Freiheit kaum hoch genug zu bewerten.

Noske: Da muß ich ihnen vollkommen recht geben, Herr Schily, die totale Sicherheit eines Landes ist mit Geld niemals aufzuwiegen…

[… starker Applaus der Zuschauer].

Moderatorin: Frau Luxemburg, erst im Jahr 1970, nach dem Tod von Waldemar Papst, der unter modernen Historikern und gemeinhin als der [sie mach mit Fingern beider Arme symbolische Anführungszeichen] Mörderscherge ihres Genossen Karl Liebknecht und auch von Ihnen selbst gilt, wurde in dessen Memoiren folgendes Geständnis gefunden, ich zitiere: „Daß ich die Aktion (gemeint ist Ihre Verhaftung und Ermordung, auch die ihres Genossen Karl L iebknecht) ohne Zustimmung Noskes gar nicht durchführen konnte – mit Ebert [Reichspräsident, Anmerkung d. Autors], im Hintergrund – und auch meine Offiziere schützen mußte, ist klar. Aber nur ganz wenige Menschen haben begriffen, warum ich nie vernommen oder unter Anklage gestellt worden bin. Ich habe als Kavalier das Verhalten der damaligen SPD damit quittiert, daß ich 50 Jahre lang das Maul gehalten habe über unsere Zusammenarbeit.“…

Noske: Wir trugen ein hohes Maß an politischer Verantwortung. Gerade die SPD hat hier endlich ihre Staatstreue und ihre Liebe zur Demokratie bewiesen…

Moderatorin: Herr Noske, sie können gleich darauf antworten. Der Polizeiangriff auf die friedliche Versammlung von Stuttgart-21-Gegner vor fünf Jahren, bei dem viele Menschen schwer verletzt wurden, ist erst in diesen Tagen vom Verfassungsgericht eindeutig als rechtswidrig verurteilt worden. Das nützt den Verletzten, den verprügelten Menschen sehr wenig. Auch Atomkraftgegner oder Bürger der Friedensbewegung haben sehr unter eskalierter staatlichen Gewalt gelitten. Alle denken wir an die ersten Münchner Krawalle oder an die 68er bis siebziger Jahre, an Grohnde, Wackersdorf, Gorleben und Brokdorf… an die fast militärischen Polizeiaktionen an der Frankfurter Startbahn-West.

Herr Noske, Herr Schily, sind Wasserwerfer für sie auch Waffen?

Noske: Natürlich, wenn man davon ausgeht, daß sie so eingesetzt werden, daß die Polizei damit ihre Aufgaben erfüllen kann. Damals

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wären wir sicher froh gewesen, wenn wir solche moderaten Mittel gehabt hätten. Nun ja, zumindest manchmal.

Luxemburg: Damit sie nicht sofort mit Kriegswaffen auf Matrosen, Arbeiter, Frauen und Kinder hätten schießen müssen? Noch zehn Jahre später am 1. Mai 1929 hat die SPD-Polizei in Berlin 30 Arbeiter und ihre Familienangehörige erschossen. Dieser Blutmai …

Noske: … sie wissen doch genau, daß wir diese Demonstration verboten haben… außerdem waren sie da bereits tot …

[… Gekicher, vereinzelt Gelächter seitens Zuschauer].

Luxemburg: Die Erinnerung daran währt ewig! Walter Liebknecht pflegte zur deutschen Jugend zu sagen: „Die Bourgeoisie rechnet mit der Vergeßlichkeit der Massen. Alles lernen, nichts vergessen!“

Erst in diesen Tages hat sich Achille Mbembe1), ein philosophischer Kritiker des Postkapitalismus erneut zu Wort gemeldet. Der globale Kapitalismus hat seit seiner Entstehung immer schon nicht nur Waren, sondern auch „Rassen“ und „Spezies“ produziert. Ihm liegt ein rassistisches Denken, eine „schwarze Vernunft“ zugrunde, so schreibt der Suhrkamp Verlag. Nicht zuletzt findet diese rassistische Unterdrückung tagtäglich mit kristlichen Waffen statt, bevorzugt sind es Handfeuerwaffen, wie wir spätestens seit eben wissen. Allein schwarze Jugendliche in Amerika werden auf offener Straße von weißen Polizisten erschossen, Unschuldige werden in Drogenkriegen getötet, in den unzähligen Konflikten leiden Zivilisten unter dem bewaffneten Terror der einheimischen und der fremden Söldnerarmeen, und so geht das immerfort.

Sie Herr Noske kommandierten einst Terror der SPD-Polizei, waren Lobby für Geschäfte der Rüstungsindustrie. Taten sie‘s aus innerer Überzeugung heraus, oder weil sie inzwischen längst tot sind?

Noske: Nicht die christlichen Parteien, aber die Opfer der deutschen Sozialdemokratie haben uns bis zuletzt vor dem Kommunismus bewahrt. Also hören sie sich zum Beispiel heute mal Heiner Geißler an, der würde am allerliebsten die uralten Manifeste der damaligen CDU-Sozialauschüsse endlich verwirklicht sehen.

Geißler behauptet auch felsenfest, daß allein die Deutsche Bank dafür gesorgt hat, daß Kohl weiterhin Kanzler bleiben konnte. Sogar Rainer Barzel, der „Ölprinz“ wie Herbert Wehner ihn einmal

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nannte, hat sich im hohen Alter, trotz seines barocken Katholizismus, zu einem Gerechten geläutert. Und was Jürgen Todenhöfer von den Falken der CDU kann, das hätte ich als strammer SPD-Mann schon lange vorher gekonnt, wenn man es von mir verlangt hätte und…

Luxemburg: …und sagen sie das jetzt bloß, weil Jürgen Todenhöfer einmal zur sogenannten Stahlhelm-Fraktion beim rechten Flügeln der CDU gehörte? Vom Saulus zum Paulus – das kümmert die geschäftstüchtig liberalisierten Kapitalisten und ihre Konzernbosse aber nicht im geringsten…

Moderatorin: Also bitte! Liebe Frau Luxemburg, halten sie jetzt einmal inne… auch Frau Kalaschnikow und Fräulein Heckler-Koch hatten sich längst zu Wort melden wollen… Wir haben ja auch ein Thema, welches…

Rheinstahl: Stimmt, wir sollten uns endlich einmal fragen, was Politik überhaupt im einzelnen mit irgendwelchen Gütern zu tun hat. Die Wirtschaft produziert und verkauft nur notwendige Dinge, auch Ausrüstungen für befreundete Länder, die dann natürlich exportiert werden müssen. Wir in den Industrieländern leben letztlich davon.

Moderatorin: Danke, Herr Rheinstahl… Nun, Frau Kalaschnikow, man wirft den Waffenherstellern vor, daß sie es traditionell mit der Ethik nicht so genau nehmen. Stimmt es, daß sie in Rußland mit der Entwicklung eines neuartigen, federleichten Gewehrs, speziell für die vielen Kindersoldaten beschäftigt sind…

Luxemburg:… zugleich eine waffenscheinfreie Tretmine verkaufen, für die Gärten von Luxusvillen auf der Krim und in Montenegro, auf internationalen Waffenmessen wirksame Selbstschußanlagen anbieten. Sind das noch Handfeuerwaffen oder ist das bereits das übliche Kriegsgerät zum Schutz des Reichtums?

Moderatorin: Ich bitte sie! Und jetzt ist Frau Kalaschnikow dran!

Kalaschnikow: Ja, aber die Verwendung ist zunächst egal, äh, ich meine doch, daß alles kann man doch vorher nicht wissen, wer was irgendwann woanders in die Hand bekommt…

Heckler-Koch: … Genau! Die ganzen Exportbeschränkungen sind schon eine gute Sache, wenn es sich um Kriegsgebiete handelt, und wir halten uns streng an die gesetzlichen Auflagen. Aber wir lassen

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dann unsere Waffen in den lizenzierten Ländern sogar direkt produzieren. Das ist eine praktische Entwicklungspolitik, quasi ein ökologischer Umbau der Industrie, die den Steuerzahler nicht viel kostet.

Moderatorin: Wir sind für heute am Ende, vielen Dank.

Dezember 2015

„… und darum wird beim Happy-End im Film dann meistens ausgeblend‘.“ (Tucholsky)

Komm in den totgesagten park und schau

Komm in den totgesagten park und schau:

Der schimmer ferner lächelnder gestade –

Der reinen wolken unverhofftes blau

Erhellt die weiher und die bunten pfade.

Dort nimm das tiefe gelb – das weiche grau

Von birken und von buchs – der wind ist lau –

Die späten rosen welkten noch nicht ganz –

Erlese küsse sie und flicht den kranz –

Vergiss auch diese letzten astern nicht –

Den purpur um die ranken wilder reben –

Und auch was übrig blieb von grünem leben

Verwinde leicht im herbstlichen gesicht.

                                                               Stefan George

Die Zahl der Verlierer, der „überflüssigen Menschen“, nimmt rapide zu. Auch an der Frage der Interventionen zeigt sich immer deutlicher, daß die Rhetorik des Universalismus gescheitert ist. Wenn sich ein Struktur wie ein Staat herausgebildet hat, so wird vom verabscheuten Nachbar der Fremde jenseits der Grenzen zum Feind erklärt, erst recht der moderne Flüchtling, der ins eigene Territorium gelangt. Der Konkurrent im Stall wird erst verbal, dann physisch vernichtet. Bestialisch geführte Bürgerkriege, im kleinen wie im großen, erscheinen deshalb in der Zivilisation als Normalzustand (vgl. Enzensberger 1993).

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Zur Dialektik alter Männer.

    Der Neue Mensch

Dieser neue Mensch

sieht fremd aus.

Angenehm,

diese Unähnlichkeit.

„Ganz der Vater.“

Hoffentlich nicht.

Er arbeitet schwer,

bringt Geräusche hervor.

Wir erraten nicht,

was er will.

Atmet, verdaut,

kriecht, jammert.

Zögernd bemerkt er

die Zweifaltigkeit.

Klettert an Wörtern

hinauf, probiert

Wippen, Schaukeln,

Verwegenheit, Angst.

Eines Tages, schlauer

als wir, verblüfft er uns.

Dann, während wir

langsam sterben,

wird er uns, unaufhaltsam,

immer ähnlicher.

                                Enzensberger 1995

Im Übrigen bin ich der Meinung, daß Nestlé zerstört werden muß!

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Mir kommt es so vor als sei ich eine andere Person geworden, die Körperlichkeit hat sich verändert und auch der Blick auf die Dinge. Sie sind in der Nähe unscharf und in der Ferne weit entrückt. Viele Annahmen und Vorhersagen sind eingetreten. Diese Welt ist nicht mehr die meine. Das liegt nicht an konservativer Tendenz, eher an der reduzierten Fortschrittlichkeit, die meine Umwelt unter Androhung von Strafen vorschreibt. Leichte Vergehen werden mit Bewährung bestraft, aber ist Einsamkeit nicht eher lebenslänglich wenn sie denn einmal da ist. Das Alter hat aber einen großen Vorteil: die Erinnerungen sind mannigfaltig, sie tun gut oder sie schmerzen, ganz wie die Befürchtungen eines Whiskey-Trinkers:

Ein Wiegenlied                  A Cradle Song

Sanft über dich neigen                The angels are stooping

Sich himmlische Boten               Above your bed;

Sind müde vom reigen,               They weary of trooping

Vom Tanz mit den Toten.           With the whimpering dead.

Den Herrgott entzückt es,          God‘s laughing in Heaven

Wie artig du bist;                         To see you so good;

Die Sterne beglückt es,                The sailing Seven

Wie fröhlich Er ist.                      Are gay with His mood

Ich seufze und küß dich,              I sigh that kiss you,

Gesteh es mir ein:                        For I must own

Ich weiß, ich vermiß dich,           That I shall miss you

Bist du nicht mehr klein.             When you have grown.

                                             W. B. Yeats

Die Zeit der Greise ist vorbei. – Jetzt kommt eine neue Zeit! Ohne CIA, ohne Konsumkriege, ohne Nestlé, BAYER oder Monsanto, hoffentlich nicht wieder nur Wahlsiege der Lächler und Impotenten mit falschen, zu vollen Che-Bärten! „Immer wenn ihr den Kürzeren zogt/ fiel man über die Schiffsjungen her/ doch die Zeit der fröhlichen Schiffbrüche ist vorübergewogt/ und jetzt fallen die Admiräle ins Meer/ glaubt nicht daß wir hilfreich zum Rettungsring greifen/ es sei denn er sei aus Stein oder aus Blei/ ergreift ihn, ergreift eure Partei/ die Zeit der Greise ist vorbei …“ (Prévert 1974. Es ist aus)

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Mein Goethe – oder ein Denkmal für Generalisten (1749-1832). – Thomas Mann und Walter Benjamin sind bei aller Verschiedenheit der Betrachtungsweisen, doch vorwiegend Psychologen, denen sich ein ganz anderes Menschenbild Goethes enthüllt…. genau um die Zeit, als Kants Werk vollendet und die Wegekarte durch den kahlen Wald des Wirklichen entworfen war, begann das Goethesche Suchen nach dem Samen des ewigen Wachstums. (Benjamin: in Mayer 1949)

Mein Schopenhauer– oder der Wille zum unnützen Leben (1788-1860). – Zweifelsohne ich wurde geboren ich bin in der welt so als sei ich zufällig oder aus einer besonderen gnade in sie gekommen. mache mir natürlich deswegen keine große gedanken ob ich es auch wert bin weil es mir egal sein kann ob ich oder jemand anderes denkt ich sei ich – weil ja jeder andere zu der gleichen zeit etwas anderes tut getan hat oder irgendwann machen wird egal ob ich da bin oder nicht.

    max frisch zum beispiel behauptet in seinem tagebuch daß er im mai 1948 in berlin auf dem zentralflughafen gewesen wäre. Ich wurde zu der zeit geboren etwa 593 kilometer vom tempelhofer damm ecke columbiadamm entfernt und ich war dort ziemlich genau zweiundzwanzig jahre später oft und nicht so oft, aber um in dieser stadt eine längere weile von jahren, also lange zu bleiben . . .

Berlin, Mai 1948

    Halle in Tempelhof. Die Maschine steht bereit. Von Berlin nach New York;aber die meisten von uns wollen nur nach Frankfurt. Die Kontrolle war peinlich, als wäre man ein Überläufer oder ein Spion, leider noch nicht faßbar, obschon es für den Mann, der wortlos meine Papiere prüfte, zweifellos schien, daß ich für Wallstreet arbeite. Was sollte ich sonst tun? Durch das Telefon verabschiede ich mich nochmals von den Freunden. Herrliches Wetter. Auf dem Tempelhofer Feld wimmelt es von glitzernden Transportern – .

    „Luftbrücke.

Die heiligen Samariter. – Wenn eine Gruppe von geldgierigen Kapitalisten einer anderen Gruppe von Kapitalisten hilft, sie fördert und mit Freundschaften überhäuft, so mußte nach dem besiegten

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Faschismus in Europa irgendwo ein neuer, diesmal der rote Teufel lauern, gegen den sich ihre kulturelle Gemeinsamkeiten richten. Der staatlich-religiöse, für die herrschenden Klassen der feudalen Landbesitzer und modernen Produzenten organisierte Krieg als einfachstes Mittel zur Bereicherung, hat bei den Bourgeoisien in aller Welt schon allein aufgrund der schier irreparablen bilateralen Schäden und der immensen Kosten moderner Waffensysteme rein buchhalterisch ausgedient. Kleine Konflikte und Bürgerkriege, die vom finanztechnischen Profit her längst ähnliche Reize auf die Kapitalbesitzer ausüben, wie bislang regelrechte Weltkriege und Weltwirtschaftskrisen, werden allerorten entfacht. Die daraus resultierenden Hungersnöte und wirtschaftlichen Disaster, die weltweit für mehr als 80 Millionen Flüchtlinge verantwortlich sind, dienen gut brauchbaren Propagandainhalten, um letztlich weiterhin die eigenen Bevölkerungen [früher hätte man sie „die Arbeiterklasse“ genannt], in Zaum und Schach zu halten.

     Es ist eine unumstößliche historische Tasache, daß die wirklichen Ursachen des „radikalislamistischen“ Terrorismus allein aus der anhaltend herbeigeführten Armut resultieren (Beispiel ist Gaza als mörderisches KZ der Zionisten; todbringe Bombardierung und Embargo gegen den Irak, Iran etc.), dann aber bloß aus dem (wie aus heiterem Himmel fallenden?) religiösen Irrsinn von Wahnsinnigen (ganz im Sinne der erstarkenden westlichen Populisten – aber holla!) erklärt werden, also wohlweislich nicht in der anhaltenden Kolonialpolitik der Westmächte (was heute ebenfalls anders heißt) gesucht werden, ganz besonders ab dem frühen 20. Jahrhundert, als Erdöl und politische Vorherrschaft ergaunert wurden und zugleich totale Unmenschlichkeit und Antikommunismus das heiligste Gut für den Kapitalismus dieser hinreichend bekannten Großkonzerne wurde.

Mein Nietzsche – oder die Vermeidung der traurigen Wissenschaft (1844-1900). – Stilistisch schlechte Texte können manche brilliante Ideen verbergen, ebenso wie geniale Ideen gelegentlich als Literaturen geboren werden. Dieser Unterschied ist in der Regel besonders zwischen mir und Friedrich Nietzsche nachweislich, was ich ausnahmsweise meinem mir nachgesagten geringen Drang nach Größenwahn zurechne.

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Mein gestörtes Verhältnis zu Aktiengesellschaften. – Das Altern ist ein natürlicher Vorgang, dem kein Mensch entgehen kann, und mein ganzes Leben lang hab ich‘s gewußt, aber ich hatte das vorher noch niemals gemacht, denn das ist nämlich ein heimlicher, irgendwie sogar heimtückischer Prozeß, ähnlich dem Vorsorgesparen bei einer der Lebensversicherungen, wie der berüchtigten ALLIANZ, die einem nach fünfzig Jahren lapidar mitteilt, daß das Ziel erreicht ist, ich zwar bei weitem nicht den vertraglich vereinbarten Gewinn erhalten werde, zumindest aber ein klein wenig vom eingezahlten Inflationsgeld zurück erhalte, und das ist doch immerhin noch besser als garnichst mehr wie es den Bevölkerungen 1919 oder 1945 erging, denn das bei der ALLIANZ angelegte Kapital machte viele Jahrzehnte (1965 – 2013) insgesamt unvorstellbare, ja, sogar gigantische Gewinne. Ich wurde nachweislich bewußt, vollkommen gesetzeskonform, also ganz systematisch betrogen! Ich hatte diesen Verbrechern in Politik und Wirtschaft monatlich nur 17,80 DM einbezahlt, dafür aber leider ein ganzes Leben lang. Trotzdem lache ich. Viel, viel weniger war es also, als ein begeisterter Fußballfan für sein plebejisches Anfeuern der ebenso unmoralisch erzogenen, legastenisch wirkenden Gladiatoren in den Arenen bezahlt hat, der trotz permanenter Diebstähle, Unterschlagungen und weiterer krimineller Machenschaften durch FIFA-Funktionäre seine offensichtliche Verarschung nicht wirklich begreift.

Ich schimpfe bei passender Gelegeheit als ängstlicher Opportunist ebenfalls auf das schädliche Raubwild (aber nur leicht) wie auf die hier einmal erwähnte hinterfotzige ALLIANZ, anstatt sie zu zerschlagen, denn wer und was gehört hier zu wem?

Im Übrigen bin ich der Meinung, daß Nestlé zerstört werden muß!

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Rundfunk- und Fernsehnotizen

A = wie Amok

Amok = Stefan Zweig, die Leidenschaft der Tropen

Zweig = Die Welt von gestern „Montaigne“

Hungerindien. – In den Jahren 1876–1878 kam es in Indien (trotz gewaltiger Reisexporte durch die britischen Handelhäuser) zu einer riesigen Hungersnot. Unter den abgewandten Augen von Vizekönig Litton verhungerten bis zu 30 (?) Millionen Menschen. Wollten wir auch solche Verbrecher in der EU haben? Brexit – Yes!

     Hat der fast vergessene Sozialdarwinismus angesichts heutiger Katastrophen wieder eine Chance? Problematisch erscheint die Erkenntnis, die ansonsten eher den antidarwinistischen Kreisen zuzurechnen wäre, daß die Armen nicht von selber aussterben, sonder vielmehr immer zahlreicher werden. Vielleicht findet diese archaische Armut außerhalb jeglicher Evolution statt, sie ist nämlich weiterhin vollkommen künstlich herbeigeführt, kann deswegen nicht als elemetares Naturschauspiel verniedlicht weiterwuchern (Krieg =Stahlgewitter, Massenflucht=Flüchtlingswelle, Überproduktion =Milchschwemme), muß aber leider im wissenschaftlichen Kontext als eine der logischsten und dauerhaftesten Errungenschaften der jüdisch-kristlichen, der abendländischen Zivilisation betrachtet werden. Steigerungen gegen sexuelle Langeweile?

Was bedeutet Donald Trump für die Menschheit wenn die beiden Penisraketen-Bushs bereits sich steigernde Katastrophen waren?!

Kanonenfutter. – Könnten deutsche Landesherren ihre Söhne nicht wieder als Soldaten an die Briten verkaufen? Damit diese die diversen Freiheitsbewegungen bekämpfen helfen. Der Preis sollte aber deutlich über denen des ausgehenden 18. Jahrhunderts liegen wenn es sich um hochmotivierte Reservisten der Bundeswehr handelt, das werden der SPD und AfD nahestehende Kameradschaften fordern.

Die an einem einzigen Tag beschlossene Förderung von Elektrofahrzeugen durch die Steuerzahler in Höhe von einigen Tausend Euro, stieß bereits gestern auf großes Interesse seitens der deutschen Automobilindustrie und der Atomkraftwerksbetreiber.

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Vollkommen überraschend hat die Deutsche Bahn AG im letzten Geschäftsjahr einen Gewinn in Höhe vom 300 Millionen Euro eingefahren (sic – 28. April 2016). Die Bilanzbuchhalter der Bahn wollen künftig wieder alte Fazit-Rechenmaschinen benutzen und Kassenbücher führen, um solche Überraschungen zu vermeiden.

Die erneuten Proteste von einigen Zehntausend Menschen gegen TTIP in Hannover, am Vorabend des Obama-Besuchs zur Eröffnung der Hannover-Messe, sind nach zwei Tagen zwar vergessen, sollten aber trotzdem nachträglich geheim gehalten werden. Es könne nicht angehen, daß jedermann im Land wisse, weshalb genau denn der BND einen anderen Chef bekomme, obwohl dies niemals in der ARD-Tagesschau gesagt worden wäre. Überhaupt sei die absolute Geheimhaltung die allerhöchste Form der bürgerlichen Freiheit, die es gegen protestierende Wutbürger und islamistische Terroristen zu verteidigen gilt, sagte die Staatssekretärin (?) im Verteidigungsministerium.

Night of Science oder ist der Neid der forschenden Wissenschaftler untereinander gemeint, was man beim Rundfunk bewußt nicht unterscheiden kann. So geht‘s los: Noah, Jura-Doktorand, stammt aus einer wohlhabenden jüdischen Bankiersfamilie aus Frankfurt. Er verliebt sich in einen Hitlerjungen … und so weiter und so fort.

Die seltsame Chemie des Propertius. – Wie nur kann man eine Hetäre lieben? Antwort: Sind sie blöd oder was?

Willkomen bei den Volksparteien. – „Es geht nicht allein um die Armut der Kinder, sondern auch um die Armut der Eltern, die sich auf die Kinder auswirkt“, sagte eine Politikerin der LINKEN Ende Mai 2016 im Radio (sic). Diese fast wieder revolutionäre linke Sehweise wird durch bislang längst bekannte Fakten untermauert, die am Internationalen Tag des Kindes an die oberflächliche Öffentlichkeit schwappten: 20 Prozent der Kinder in der BRD leben danach in Hartz IV Familien, in den deutschen Stadtstaaten sind es sogar 33 Prozent! Die Zahlen sind vermutlich bürgernah gerundet, denn der Mathematiker ist ein trauriger Gesell (Martin Luther).

Terror ohne Ende. – Im Mai ist das Maß voll, manche munkeln hinter vorgehaltener Hand. Die Überschwemmungen der letzten Zeit geben zu der Vermutung Anlaß, daß hier wieder terroristische

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Kräfte am Werke sind. Heimlich und kaum bemerkt von der Öffentlichkeit verdichten sie den Ackerboden mit ihren gewaltigen Maschinen, zermalmen den Wald mit grünlackierten Harvestern, zerstören mit chemischen Giftstoffen alles Bodenleben, lassen jeden Tag riesige Talflächen mit niedrigen Gebäuden verbauen und leiten alles von den versiegelten Flächen in eine ordnungsgemäße Kanalisation. Sie drehen mit Spinnenfingern an den Thermostaten der Welt und lassen die weißlackierten Gletscher abschmelzen… In Gaza sind heute wieder einige Kinder gestorben – sind selbst dran schuld! Gottgewollte Heuschreckenplagen gab es schon immer!

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ANHANG

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Literaturverzeichnis

Adorno, Theodor W. (1969):  Minima Moralia. Reflexionen aus dem beschädigten Leben. Band 236 Bibliothek Suhrkamp. Archiv-Nr.15646

Benjamin, Walter (1947): GoethesWahlverwandtschaften. In: Mayer, Hans, Hrsg. 1947, Spiegelungen Goethes in unsere Zeit. Limes-Verlag, Wiesbaden. Archiv-Nr. 21727

Böll, Heinrich (1959): Der Preis der Versöhnung. Rede zur Woche der Brüderlichkeit. Gehalten am 8. März 1959 in Essen. Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit, 1959, 8 pp. (zeitlich als Zeitungsausschnitt… Kölner Anzeiger?). Archiv Nr.

Böll, Heinrich (1959): Billard um halbzehn. Kiepenheuer & Witsch. Leinen. Archiv Nr. 12241

Deschner, Karlheinz (1986): Kriminalgeschichte des Christentums. 10 Bände. Rowohlt Verlag. Archiv-Nr. 15218 ff.

Enzensberger, Hans Magnus (1993): Aussichten auf den Bürgerkrieg. Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main. 2. Auflage 1993, 97 pp.. Archiv Nr. 15016

Enzensberger, Hans Magnus (1995): Kiosk. Neue Gedichte. Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main. Leinen. 3. Auflage, 134 pp.. Archiv Nr. 15857

Habermas, Jürgen (1973): Technik und Wissenschaft als „Idiologie“. edition suhrkamp, Frankfurt am Main (1968). 169 pp. Archiv-Nr. 15818

Hildesheimer, Wolgang (1975): Masante. Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main.

Horkheimer, Max & Theodor W. Adorno (2003): Dialektik der Aufklärung. Philosophische Fragmente. Fischer tb. Limitierte Sonderausgabe, Frankfurt am Main. 275 pp. Archiv-Nr. 15893

Huchel, Peter (1972): Gezählte Tage. Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main.

Jaspers, Karl (1909): Heimweh und Verbrechen. Dissertation

Kant, Immanuel (2000): Kritik der reinen Vernunft… Kritik der praktischen Vernunft. Sämtliche Werke Band 1. Mundus Verlag. Archiv-Nr. 15832

179

Klose, Werner. Hrsg. (1979): Wir erzählen Geschichten. Arbeitstexte für den Unterricht. Für die Sekundarstufe 1. Philipp Reclam Jun. Stuttgart. Archiv-Nr. 15033

Koch,Werner (1977): Jenseits des Sees, Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main.

Landauer, Karl (1939): Intelligenz und Dummheit, in: Das Psychoanalytische Volksbuch. Bern 1939. S. 172.

Lawrence, D. H. (1971): Pornographie und Obszönität und andere Essays über Liebe, Sex und Emanzipation. Diogenes Verlag Zürich. Archiv-Nr. 14743

Malkowski, Rainer (1977): Einladung ins Freie. Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main.

Marx, Karl & Friedrich Engels (1974): Ausgewählte Schriften in zwei Bänden. Dietz Verlag Berlin. Archiv-Nr. 11370/11375

Mbembe, Achille (2015): Kritik der schwarzen Vernunft. Suhrkamp Verlag.

Mehring, Walter (1978): Müller. Chronik einer deutschen Sippe. Claassen Verlag, Düsseldorf. Archiv Nr. 15579

Michel, Karl Markus (1965): Die sprachlose Intelligenz I. In Kursbuch 1/1965. Hans Magnus Enzensberger, Hsg. Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main. S. 73-119. Archiv-Nr. 00000

Milosz, Czeslaw (1979): Zeichen im Dunkel. Herausgegeben von Karl Dedecius. Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main.

Moser, Tilman (1976): Gottesvergiftung. Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main. Archiv Nr. 15860

Nietzsche, Friedrich (1994): Menschliches und Allzumenschliches, Band 1 und 2; Goldmann Verlag. Nach dem Text der 2. Auflage, Leipzig 1886. 633 pp. Archiv-Nr. 15855.

Poth, Clodwig (1980): Taktik des Ehekrieges. Fischer Verlag Frankfurt am Main. Archiv-Nr. 14202

Prévert, Jacques (1974): Gedichte und Chansons. Nachdichtungen von Kurt Kusenberg. Rororo. 279 pp. Archiv-Nr. 15896

Rosenkranz, Barbara (2008): „MenschInnen“ Gender Main-streaming – Auf dem Weg zum geschlechtslosen Menschen.

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Schopenhauer, Arthur (1956): Schopenhauer. Auswahl und Einleitung Reinhold Schneider. Fischer Bücherei. Archiv-Nr. 40199

Schopenhauer, Arthur (1997): Die Welt als Wille und Vorstellung. Erster u. ZweiterTeilband. Könemann Verlag. Archiv-Nr. 15819-20

Shaw, Bernard (1991): Heiraten. Eine Debatte. Mit der Vorrede des Autors. Gesammelte Stücke in Einzelausgaben, Ursula Michels-Wenz (Hrsg.), Band 8. suhrkamp tb, Frankfurt am Main. 242 pp. Archiv-Nr. 14975

Stephan-Kempf, Günter (2006): Das Jahr der Raben. INSELJAHRE Band 9, Edition Geoteam Bad Schwalbach. 264 pp. Archiv-Nr. 10598

Tacitus (1992): Germania. Übersetzung, Erläuterungen und Nachwort von Manfred Fuhrmann. Philipp Reclam Jun. Stuttgart. Archiv Nr. 15136

Vogt, William (1950): „Road to Survival“,. Ermalig erschienen bei William Sloane New York. Deutscher Titel „Die Erde rächt sich“ Archiv-Nr. 15562

Wieczorwk, Thomas (2009): Die verblödete Republik. Wie uns Medien, Wirtschaft und Politik für dumm verkaufen. Knaur Taschenbuch Verlag München. 319 pp. Archiv Nr. 15036

Yeats, William Butler (2005): Die Gedichte. Norbert Hummelt Hrg., Übersetzung Marcel Beyer u.a., Luchterhand, München. 3. Auflage 2005. 463 pp. Archiv Nr. 15637

Yeats, William Butler (1994: 2000): The Collected Poems of W. B. Yeats. Wordsworth Editions Ltd., Ware, Hertfordshire. Additional material incorporated 2000. 402 pp. Archiv Nr. 14200

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Anmerkungen

4 Bereits der erste Band der INSELJAHRE im Jahre 2002 sollte durch seinen festen Einband mit einer Auflage in geringer Stückzahl als (kostenlose) Darreichung für Freunde, Bekannte und andere Personen dienen. Vom Autor erhofft war, und darauf hat er explizit immer wieder hingewiesen, daß diese Menschen die ihnen überreichten Bände zumindest lesen. Da und dort hätte man einige der zahlreichen Fehler korrigieren, auch Anmerkungen machen können, um eine baldige verbesserte Auflage zu fördern. All das ist vermutlich nicht geschehen, denn keine einzige Reaktion, keinerlei literarische Kritik ist bislang zu vermelden.

4 CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen National Bibliothek. Seit einigen Jahren besteht ein Bundesgesetz nachdem jede (!) deutsche Veröffentlichung einer der beiden Nationalbibliotheken in zweifacher Ausfertigung kostenlos überlassen werden muß. Es ist neben der rein bibliographischen, d.h. klassischen Funktion einer Nationalbibliothek längst bekannt, daß sämtliche dieser gesammelten Inhalte im Sinne der „Staatssicherheit und Gefahrenabwehr“ geheimdienstlich analysiert werden. Die neue Staatsbibliothek in Frankfurt am Main (vermutlich auch die in Leipzig) gleicht einer militärischen Festung, ist technisch hermetisch abgesichert und logistisch mit einem hochsensiblem Zugangssystem ausgestatter. Sogar terminlich einbestellte Besucher werden außerhalb des öffentlich zugänglichen „Lesesaals“ zunächst nur im Foyer empfangen, wo sie ihre Werke überreichen können.

5 1  Anastasius Grün = bb = Mich dünkt, die Toten sind noch unbegraben,/ Noch währt die Zeit der Geier und der Raben. Poesie der Zukunft (1850)

7 1  Preußischer Hausschatz …

7 2  Arthur Schopenhauer. Die Welt als Wille und Vorstellung.

8 1  Boykott = Die halbamtliche Miniserie. – Es muß mit IKEA und den vielen Tausend Nestlé-Produkten in Konsumtempeln und Lehmhütten beginnen. Zur weltweiten Nestlé-Mafia, hier als

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„Prostitution des BRD-Auftrags“ – sogar gleich zwei (!) neukritische TV-Sendungen zur besten Sendezeit: Nestlé (ARD 21. 9.  und 28. 9. 2015 jeweils um 2015 h

8 2  Max Horkheimer: Kritische Theorie der Gesellschaft …

8 3  Die sofortige Zulassung privaten Fernsehens durch die SCHWARZ-GELBEN5 wurde von ihnen „geistig moralische Wende“ genannt. Dem Autor löst das anhaltenden Ekel aus.

9 1  Adelsbrief. (Schopenhauer 1956. Mein System

9 2  Habermas, Jürgen (1973): Technik und Wissenschaft als „Idiologie“. edition suhrkamp, Frankfurt am Main (1968). 169 pp. „Vom Kopf auf die Füße stellen.“ Rudi Dutschke forderte dies 1967, um es in der Praxis  mit dem Werk von Karl Marx zu tun.

10 1  Nanterre: 1964 zur Entlastung der Sarbonne als zusätzliche Universität Paris-Naterre gegründet. Während der Studentenrevolten 1967 ff. bevorzugtes Ziel marxistischer Inanspruchnahme und fortschrittlicher Theorien; heute immerhin mit einer Spezialbibliothek des 20. Jahrhunderts versehen.

10 2  Alles ist schlechter geworden, nur eines ist besser geworden: die Moral ist auch schlechter geworden … Kurt Tucholsky

10  3  Politische Ökonomie

11 1 AS 639, 7-15: Schopenhauer, Arthur (1997): Die Welt als Wille und Vorstellung. Erster u. Zweiter Teilband. Könemann Verlag.

12 1  Schopenhauer, a. a. O.

12 2  Montan-Union

13 1  Affäre um Franz Josef Strauß: Massenabstürze des Kampfjets Strafighter F-104 G

13 2  Bergmannsschnaps als Katalysator …

14 1  Peter Huchel: Unkraut

20 1  Talleyrand, der Politiker, der vielen Herren diente, als Synonym für Wendehals … Ein Haufen Scheiße in Seidenstrümpfen …

21 1  Die Erde rächt sich …

23 1  Muttersprache … Göttert, Karl-Heinz (2013): Abschied

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von Mutter Sprache: Deutsch in Zeiten der Globalisierung. S. Fischer. Wissenschaft. Frankfurt am Main.

23 2  Schopenhauer … Bis vor vierzig Jahren nahmen die Blattern zwei Fünftel der Kinder hinweg, nämlich alle schwachen, und ließen nur die stärkeren, welche diese Feuerprobe bestanden hatten, übrig. Die Kuhpocken haben jene in ihren Schutz genommen. Seht jetzt die langbärtigen Zwerge, die überall euch zwischen die Beine laufen, und deren Eltern schon bloß aus Gnaden der Kuhpocken am Leben geblieben sind. (Anmerkung nach dem Original)

24 1  Unser Vater, der du bist im Himmel – Bleib dort! vgl. Pater noster

32 1  Affäre um Franz Josef Strauß: s. Spiegelaffäre

34 1 Frisch, Max (1976): Wir hoffen. Rede zur Verleihung des Friedenspreises des deutschen Buchhandels 1976 … Suhrkamp Verlag.

36 1   Carpentier, Alejo (1976): Barockkonzert. Strike up. Suhrkamp Verlag

37 1)   kursiv: Augustin, Ernst (1976): Raumlicht: Der Fall der Evelyne B. Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main.

38 1)  Moser, Tilman (1976): Gottesvergiftung. Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main

40 1)  Schopenhauer 1997: a. a. O., S. 639. Über den Tod und sein Verhältnis zur Unzerstörbarkeit unsers Wesens an sich.

44 1) Hans Magnus Enzensberger Ein paar müßige Zeilen

44 2) Jacques Prévert (1974): Das Konzert war kein Erfolg. In Gedichte und Chansons, S. 40/41,

48 1)  Diese legasthenischen Wichser aus der Verlagswerbebranche können uns weder ein vollständiges Datum des Zitats angeben (was einst bei den Printmedien besonders wichtig gewesen zu sein scheint), noch sich respektablere Bezugspersonen ausdenken, ganz zu schweigen davon, daß sie skrupellos auf das süße Schwelgen im Zuckmayerschen Heimatkosmos Bezug nehmen, was auf einige physische Handicaps einer Widerspenstigkeit hindeutet; die Amputation der Moral muß als bewiesen erachtet werden, zumindest ein dazu fähiger rhetorischer Rollstuhlfahrer im Sqash-Zentrum des Plenarsaals usw.

51  1) zu 34 vgl. Werner Koch, Jenseits des Sees, Suhrkamp 1977

69  1)    Kaprifolium: Kletterpflanze (Geißblatt) von lat. caper, „Ziege“ und folium „Blatt“.

71 1)  Bernard Shaw (1991): Heiraten. Eine Debatte. Mit der Vorrede des Autors. Gesammelte Stücke in Einzelausgaben, Ursula Michels-Wenz (Hrsg.), Band 8. suhrkamp tb, Frankfurt am Main. 242 pp.

71 2)  Bigbob, Net: Oct. 11th 2012; Twat=Vulgar slang for the human vulva.

72 1)  Der wahre Charakter… vgl. Goethe: Wahlverwandtschaften

79 1)   Rosenkranz, Barbara (20       08): „MenschInnen“ Gender Main-streaming – Auf dem Weg zum geschlechtslosen Menschen.

87 1)  Rheingold (als Wagner-Oper zur Tetralogie Der Ring des Nibelungen gehörend): es geht um das Brechen von Versprechen … Verträge um Macht kontra Liebe, nicht allein um die geschuldeten Baukosten von Walhall… oder um Fronarbeit und Ausbeutung der Welt. Aber: auch die Götterderdämmerung, das Ende der Götter in einer selbstverschuldeten Apokalypse (Ragnarök der älteren Edda), wird im Rheingold prophezeit …

88 1)  vgl. Stephan-Kempf (2006): Das Jahr der Raben. Lebertran und Größenwahn, INSELJAHRE Band 9, Edition Geoteam Bad Schwalbach, S. 124 f.

102 1) Havelock Ellis: Studies in the Psychology of Sex (7 Bände) des britischen Sexualforschers und Mediziners waren in England und in USA bis 1935 nur unterm Ladentisch erhältlich.

102 2) vgl. Wolfgang Ebert: Ein Junggeselle ist kein Single. Zeit Online, 29. Februar 1980

107 1)  Deschner (1986): Kriminalgeschichte des Christentums

117 1) Surinam: ehemals Niederländische Kolonie in Südamerika. Im neuerbauten Amsterdamer Stadtteil Bijlmermeer wurden Ende

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der siebziger Jahre Tausende Surinamesen fast wie in einem Getto untergebracht.

122 1)  Nur um… Walter Benjamin 1947. S. a. Anmerkung S. 125

134 1) Habermas, Jürgen (1968): Technik und Wissenschaft als „Idiologie“. Edition suhrkamp, S. 78

151 20 ??  Nacht und Nebel. – Der Inhalt des im Jahr 1955 von Alain Resnais produzierten französischen Dokumentarfilms „Nacht und Nebel“, Originaltitel „Nuit et brouillard“ schaffte Probleme im heimlichen Vollzug der Adenauer-Methode, die Nazizeit und die KZ-Romantik einfach unter den Tisch zu kehren. Gib‘ Küßchen Charles! Der Film wurde von Paul Celan auf deutsch übersetzt/getextet und gesprochen…. Der Film wurde dem deutschen Botschafter in Paris gezeigt, worauf Adenauer intervenierte und für ein Aufführungsverbot bei den Filmfestspielen in Cannes sorgte (sic). Der kulturpolitische Skandal, provozierte u.a. eine Anhörung im Bundestag, Proteste bekannter Zeitgenossen, darunter auch Heinrich Böll, sorgte für eine kurzzeitige pseudo-öffentliche Inaugenscheinnahme des

politischen Zustandes im weiterhin nach überall etablierten Nazis stinkendem Nachkriegs-Deutschland

153  1) Wolf, Claudia: verfasste  u. a kulturelle Features … so über Maria Callas… 1998 über Cosima Wagner… Claudia Wolf reflektiert über sich selber, hinsichtlich ihres angeblich „linken“ Engagement ist sie zuletzt recht ehrlich. Sie hätte Angst vor der Gewalt der prügelnden Polizei gehabt und deshalb vermieden wie die anderen auf der Straße zu demonstrieren

154 1)   Härtling, Peter: „Nachricht vom Kaspar“, gelesene Länge 1’45, aus: Joachim Rönneper (Hg.): Wahnsinnig poetisch. Gedichte vom Sinn des Wahns; Verl. Jakob van Hoddis im Förderkreis Wohnen – Arbeit – Freizeit, Gütersloh 1987

155 1)  Die Marseillaise wurde ursprünglich als „Kriegslied für die Rheinarmee“ 1792 von Claude Joseph Rouget de Lisle im elsässischen Straßburg anläßlich der Kriegserklärung gegen Österreich verfaßt

156 1) Dossier I: Ein Streit um Worte. Sartre-Interview Le Monde

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18. April 1964. Jacqueline Piatier. In Kursbuch 1, Juni 1965. S. 120 ff

159 1)  nur TV- Nr. 12/ 2015, S. 107; gemeint war der seinerzeit bevorstehende Weltklimagipfel ab dem 30.11.2015 in Paris

161 1)  Klose 1979

164 1) Das Nikolaus-Prinzip. – ) vgl. Stephan-Kempf, Günter (2002): Die Flaschenpost. Gute Nacht Geschichten. INSELJAHRE Band 1, als Anmerkung (26) S. 195 f.,

167 1)  Achille Mbemebe erhielt 2015 den Münchner Geschwister-Scholl-Preis  für sein Buch „Kritik der schwarzen Vernunft“.

Im Übrigen bin ich der Meinung, daß Nestlé zerstört werden muß!

Nestlé-chef ist seit 2005 PETER BRABECK. Auch Napoleon-Schweine, das weiß jeder anständige Mensch, können zwar weiterhin nicht radfahren, denn sie haben keinen Daumen zum Klingeln, sie fahren aber sogar eine flotte, dicke BMW wenn es darum geht einem riskanten Hobby zu frönen, um sich vom Ermorden schwarzen Milchpulverbabies zu erholen?

Peter Brabeck (hört, hört!) ist der „Mensch“, der öffentlich meint, daß es zu viele kleine Kaffeebauern auf der Welt gibt, und man müsse sie eliminieren (sic). Seine Monopolpolitik bei der Herrschaft über das weltweite Trinkwasser – längst mehr als 70 Prozent Marktanteile werden in Plastikflaschen abgefüllt als „Pure Life“ – ist unglaublich brutal und immer wieder einzigartig, was die kriminelle Energie bei der Beschaffung und mafiagemäßen Vermarktung vieler Nestlé-Rohstoffe und zahlloser Produkte betrifft (vgl. die haarstäubende, mehrfach mit Preisen ausgezeichnete Doku „Bottled Life). Auch im Kakaogeschäft ist Nestlé für die bäuerlichen Bevölkerungen der Anbauländer „schlimmer als marodierende und killende Söldner“.

———- Ende des Haupttextes ——-

Rechtliche Hinweise. – Deutsche MinisterInnen und WürdenträgerInnen aufgepaßt! Alle Rechte vorbehalten, insbesondere die des Druckes, des öffentlichen Vortrags, der Rundfunksendung und der Fernsehausstrahlung, der handschriftlichen, fotomechanischen und elektronischer Wiedergabe, analytischer „dienstlicher“ Datenerfassung per Algorythms, insbesondere bei altbackenen Plagiaten der „PolitikerInnen-Dissertationen“, auch einzelner Teile.

Sämtliche hier vorgestellte reale Begebenheiten und Ereignisse, die agierenden Personen (formell meist kristlichen Glaubens), Interessengruppen, auch allgemein und speziell gemachte Äußerungen und anstößige Handlungsvorschläge, beziehen sich auf eine fiktive, längst nicht mehr oder immer noch nicht existierende Insel, wobei Namensgleichheiten oder individuelle Ähnlichkeiten wegen ihrer Masse absolut zufällig ausgewählt wurden, deshalb beabsichtigt sind. Für dabei gemachte Fähler und Parteilichkeiten keine Gewehr und erst recht keinerlei Flinte.

Literaturhinweis: STEPHAN-KEMPF, GÜNTER (2016): Unzeit – gemäße Betrachtungen. Manuskripte 2015. INSELJAHRE Band 19. Edition Geoteam Bad Schwalbach und Kampot. Korrekturexemplar: Gesamtinhalt. 188 pp.

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